Uz, Johann Peter: Lyrische und andere Gedichte. 2. Aufl. Ansbach, 1755.Viertes Buch. Vom Wurme, der voll grössrer Mängel Auf schwarzer Erde kreucht, und vom erhabnen Engel Sind Menschen gleich entfernt, und beyden gleich verwandt. Jhr freyer Wille fehlt, ihr himmlischer Verstand Entflieget nie der engen Sphäre: Stets fesselt ihn des Leibes träge Schwere. Es rauschen laute Spöttereyen Um mein verachtend Ohr: viel stolze Klugen schreyen Dem armen Sterblichen des Willens Freyheit ab. Die Sklaven! welche das, was weise Güte gab, Der Menschheit Vorrecht, nicht erkennen, Und, gleich dem Vieh, sich dessen unwerth nennen! Verzärtelt eure Leidenschaften; So herrschen sie zuletzt: sie bleiben ewig haften; Ein diamantnes Band knüpft sie an euer Herz. Der freygeborne Geist erblickt, nicht ohne Schmerz, Sich endlich in verjährten Banden, Und ist ein Knecht, weil er nicht wiederstanden. Jn L 2
Viertes Buch. Vom Wurme, der voll groͤſſrer Maͤngel Auf ſchwarzer Erde kreucht, und vom erhabnen Engel Sind Menſchen gleich entfernt, und beyden gleich verwandt. Jhr freyer Wille fehlt, ihr himmliſcher Verſtand Entflieget nie der engen Sphaͤre: Stets feſſelt ihn des Leibes traͤge Schwere. Es rauſchen laute Spoͤttereyen Um mein verachtend Ohr: viel ſtolze Klugen ſchreyen Dem armen Sterblichen des Willens Freyheit ab. Die Sklaven! welche das, was weiſe Guͤte gab, Der Menſchheit Vorrecht, nicht erkennen, Und, gleich dem Vieh, ſich deſſen unwerth nennen! Verzaͤrtelt eure Leidenſchaften; So herrſchen ſie zuletzt: ſie bleiben ewig haften; Ein diamantnes Band knuͤpft ſie an euer Herz. Der freygeborne Geiſt erblickt, nicht ohne Schmerz, Sich endlich in verjaͤhrten Banden, Und iſt ein Knecht, weil er nicht wiederſtanden. Jn L 2
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Viertes Buch.
Vom Wurme, der voll groͤſſrer Maͤngel
Auf ſchwarzer Erde kreucht, und vom erhabnen Engel
Sind Menſchen gleich entfernt, und beyden gleich verwandt.
Jhr freyer Wille fehlt, ihr himmliſcher Verſtand
Entflieget nie der engen Sphaͤre:
Stets feſſelt ihn des Leibes traͤge Schwere.
Es rauſchen laute Spoͤttereyen
Um mein verachtend Ohr: viel ſtolze Klugen ſchreyen
Dem armen Sterblichen des Willens Freyheit ab.
Die Sklaven! welche das, was weiſe Guͤte gab,
Der Menſchheit Vorrecht, nicht erkennen,
Und, gleich dem Vieh, ſich deſſen unwerth nennen!
Verzaͤrtelt eure Leidenſchaften;
So herrſchen ſie zuletzt: ſie bleiben ewig haften;
Ein diamantnes Band knuͤpft ſie an euer Herz.
Der freygeborne Geiſt erblickt, nicht ohne Schmerz,
Sich endlich in verjaͤhrten Banden,
Und iſt ein Knecht, weil er nicht wiederſtanden.
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L 2
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Zitationshilfe: | Uz, Johann Peter: Lyrische und andere Gedichte. 2. Aufl. Ansbach, 1755, S. 163. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/uz_gedichte_1755/177>, abgerufen am 17.07.2024. |