Uz, Johann Peter: Lyrische und andere Gedichte. 2. Aufl. Ansbach, 1755.Lyrische Gedichte Die wahre Grösse. An Herrn Gleim. Jn meinen Adern tobt ein juvenalisch Feuer; Der Unmuth reichet mir die scharfgestimmte Leyer: Maßt sich des Pöbels Wahn Das Urtheil nicht von grossen Seelen an? Sey Richter, liebster Gleim! der Pöbel soll nicht richten, O du, der iedes Herz mit lieblichen Gedichten Nach Amors Willen lenkt, Der schalkhaft scherzt und frey und edel denkt! Ein Mann, der glücklich kühn zur höchsten Wür- de flieget, Und, weil er Sklaven gleich, vor Grossen sich geschmieget, Nun, als ein grosser Mann, Auch endlich selbst in Marmor wohnen kann: Der heißt beym Pöbel groß, da ihn sein Herz ver- dammet; Und wann der Bürger Gold auf seinem Kleide flammet, So sieht die Schmeicheley Für Schimmer nicht, wie klein die Seele sey. Soll
Lyriſche Gedichte Die wahre Groͤſſe. An Herrn Gleim. Jn meinen Adern tobt ein juvenaliſch Feuer; Der Unmuth reichet mir die ſcharfgeſtimmte Leyer: Maßt ſich des Poͤbels Wahn Das Urtheil nicht von groſſen Seelen an? Sey Richter, liebſter Gleim! der Poͤbel ſoll nicht richten, O du, der iedes Herz mit lieblichen Gedichten Nach Amors Willen lenkt, Der ſchalkhaft ſcherzt und frey und edel denkt! Ein Mann, der gluͤcklich kuͤhn zur hoͤchſten Wuͤr- de flieget, Und, weil er Sklaven gleich, vor Groſſen ſich geſchmieget, Nun, als ein groſſer Mann, Auch endlich ſelbſt in Marmor wohnen kann: Der heißt beym Poͤbel groß, da ihn ſein Herz ver- dammet; Und wann der Buͤrger Gold auf ſeinem Kleide flammet, So ſieht die Schmeicheley Fuͤr Schimmer nicht, wie klein die Seele ſey. Soll
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Lyriſche Gedichte
Die wahre Groͤſſe.
An Herrn Gleim.
Jn meinen Adern tobt ein juvenaliſch Feuer;
Der Unmuth reichet mir die ſcharfgeſtimmte Leyer:
Maßt ſich des Poͤbels Wahn
Das Urtheil nicht von groſſen Seelen an?
Sey Richter, liebſter Gleim! der Poͤbel ſoll nicht
richten,
O du, der iedes Herz mit lieblichen Gedichten
Nach Amors Willen lenkt,
Der ſchalkhaft ſcherzt und frey und edel denkt!
Ein Mann, der gluͤcklich kuͤhn zur hoͤchſten Wuͤr-
de flieget,
Und, weil er Sklaven gleich, vor Groſſen ſich geſchmieget,
Nun, als ein groſſer Mann,
Auch endlich ſelbſt in Marmor wohnen kann:
Der heißt beym Poͤbel groß, da ihn ſein Herz ver-
dammet;
Und wann der Buͤrger Gold auf ſeinem Kleide flammet,
So ſieht die Schmeicheley
Fuͤr Schimmer nicht, wie klein die Seele ſey.
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