Uz, Johann Peter: Lyrische und andere Gedichte. 2. Aufl. Ansbach, 1755.Lyrische Gedichte Der standhafte Weise. An Herrn Hof-Rath C* Hat nun dein Saitenspiel den süssen Scherz verges- sen, Und schweigt, stets ungestimmt, an traurigen Cy- pressen, Um deiner holden Gattinn Grab? Wer kann, o weiser C* den wilden Schmerz besiegen, Wenn Seelen, deren Muth erhabne Proben gab, Wenn starke Seelen unterliegen? Wie? soll die Traurigkeit unwidersetzlich wüthen, Und wo sie einmal herrscht, stets fürchterlich gebiethen, Jn ewig unerhellter Nacht? Nein! von dem Weisen muß die Welt und Nachwelt lesen, Er sey gemässigt froh, wenn ihm das Glück gelacht, Und auch in Leiden groß gewesen. Jhm darf die träge Zeit auf mitleidvollen Schwin- gen Nicht ihren späten Trost, nicht ihre Lindrung bringen: Sie sey des Pöbels Trösterinn! Der Weise braucht sie nicht, er tröstet sich aus Gründen: Die Wahrheit schimmert ihm durch trübe Nebel hin; Er kann sie sehen und empfinden. Sein
Lyriſche Gedichte Der ſtandhafte Weiſe. An Herrn Hof-Rath C* Hat nun dein Saitenſpiel den ſuͤſſen Scherz vergeſ- ſen, Und ſchweigt, ſtets ungeſtimmt, an traurigen Cy- preſſen, Um deiner holden Gattinn Grab? Wer kann, o weiſer C* den wilden Schmerz beſiegen, Wenn Seelen, deren Muth erhabne Proben gab, Wenn ſtarke Seelen unterliegen? Wie? ſoll die Traurigkeit unwiderſetzlich wuͤthen, Und wo ſie einmal herrſcht, ſtets fuͤrchterlich gebiethen, Jn ewig unerhellter Nacht? Nein! von dem Weiſen muß die Welt und Nachwelt leſen, Er ſey gemaͤſſigt froh, wenn ihm das Gluͤck gelacht, Und auch in Leiden groß geweſen. Jhm darf die traͤge Zeit auf mitleidvollen Schwin- gen Nicht ihren ſpaͤten Troſt, nicht ihre Lindrung bringen: Sie ſey des Poͤbels Troͤſterinn! Der Weiſe braucht ſie nicht, er troͤſtet ſich aus Gruͤnden: Die Wahrheit ſchimmert ihm durch truͤbe Nebel hin; Er kann ſie ſehen und empfinden. Sein
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0106" n="92"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Lyriſche Gedichte</hi> </fw><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <lg type="poem"> <head> <hi rendition="#b">Der ſtandhafte Weiſe.<lb/> An Herrn Hof-Rath C*</hi> </head><lb/> <lg n="1"> <l><hi rendition="#in">H</hi>at nun dein Saitenſpiel den ſuͤſſen Scherz vergeſ-</l><lb/> <l> <hi rendition="#et">ſen,</hi> </l><lb/> <l>Und ſchweigt, ſtets ungeſtimmt, an traurigen Cy-</l><lb/> <l> <hi rendition="#et">preſſen,</hi> </l><lb/> <l>Um deiner holden Gattinn Grab?</l><lb/> <l>Wer kann, o weiſer C* den wilden Schmerz beſiegen,</l><lb/> <l>Wenn Seelen, deren Muth erhabne Proben gab,</l><lb/> <l>Wenn ſtarke Seelen unterliegen?</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l><hi rendition="#in">W</hi>ie? ſoll die Traurigkeit unwiderſetzlich wuͤthen,</l><lb/> <l>Und wo ſie einmal herrſcht, ſtets fuͤrchterlich gebiethen,</l><lb/> <l>Jn ewig unerhellter Nacht?</l><lb/> <l>Nein! von dem Weiſen muß die Welt und Nachwelt leſen,</l><lb/> <l>Er ſey gemaͤſſigt froh, wenn ihm das Gluͤck gelacht,</l><lb/> <l>Und auch in Leiden groß geweſen.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l><hi rendition="#in">J</hi>hm darf die traͤge Zeit auf mitleidvollen Schwin-</l><lb/> <l> <hi rendition="#et">gen</hi> </l><lb/> <l>Nicht ihren ſpaͤten Troſt, nicht ihre Lindrung bringen:</l><lb/> <l>Sie ſey des Poͤbels Troͤſterinn!</l><lb/> <l>Der Weiſe braucht ſie nicht, er troͤſtet ſich aus Gruͤnden:</l><lb/> <l>Die Wahrheit ſchimmert ihm durch truͤbe Nebel hin;</l><lb/> <l>Er kann ſie ſehen und empfinden.</l> </lg><lb/> <fw place="bottom" type="catch">Sein</fw><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [92/0106]
Lyriſche Gedichte
Der ſtandhafte Weiſe.
An Herrn Hof-Rath C*
Hat nun dein Saitenſpiel den ſuͤſſen Scherz vergeſ-
ſen,
Und ſchweigt, ſtets ungeſtimmt, an traurigen Cy-
preſſen,
Um deiner holden Gattinn Grab?
Wer kann, o weiſer C* den wilden Schmerz beſiegen,
Wenn Seelen, deren Muth erhabne Proben gab,
Wenn ſtarke Seelen unterliegen?
Wie? ſoll die Traurigkeit unwiderſetzlich wuͤthen,
Und wo ſie einmal herrſcht, ſtets fuͤrchterlich gebiethen,
Jn ewig unerhellter Nacht?
Nein! von dem Weiſen muß die Welt und Nachwelt leſen,
Er ſey gemaͤſſigt froh, wenn ihm das Gluͤck gelacht,
Und auch in Leiden groß geweſen.
Jhm darf die traͤge Zeit auf mitleidvollen Schwin-
gen
Nicht ihren ſpaͤten Troſt, nicht ihre Lindrung bringen:
Sie ſey des Poͤbels Troͤſterinn!
Der Weiſe braucht ſie nicht, er troͤſtet ſich aus Gruͤnden:
Die Wahrheit ſchimmert ihm durch truͤbe Nebel hin;
Er kann ſie ſehen und empfinden.
Sein
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/uz_gedichte_1755 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/uz_gedichte_1755/106 |
Zitationshilfe: | Uz, Johann Peter: Lyrische und andere Gedichte. 2. Aufl. Ansbach, 1755, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/uz_gedichte_1755/106>, abgerufen am 17.07.2024. |