Urbanitzky, Alfred von: Die Elektricität im Dienste der Menschheit. Wien; Leipzig, 1885.stammend, kam im Jahre 1868 als Taubstummenlehrer nach Boston. Bekanntlich Musikalische Klänge ent- [Abbildung]
Fig. 642. Klangfarbe, also auch die menschliche Stimme, wird, wie Helmholtz gezeigt hat, durch dieBell's elektrische Harmonika. Zahl und relative Stärke jener Obertöne bestimmt, welche den Grundton begleiten. Derartige Studien, sowie auch solche über Telegraphie veranlaßten Bell (wie auch Andere) zunächst zur Erfindung einer Art elektrischen Harmonika, in der Absicht, die Zeichen des Morse-Telegraphen hörbar zu machen. Bell hatte hierbei (wie auch ungefähr zur selben Zeit Lacour, E. Gray, Edison und Varley) den Hintergedanken, durch diese Methode die gleichzeitige Beförderung mehrerer Depeschen auf einem und demselben Drahte zu ermöglichen. Diese erste Form eines Bell'schen Telephones ist in Fig. 642 schematisch angedeutet. Eine Stabharfe H H' ist an den Polen des permanenten Magnetes N S befestigt. Versetzt man irgend einen der magnetischen Harfenstäbe H in Schwingung, so werden in den Drahtwindungen des Elektromagnetes E Ströme inducirt (weil die Schwingung eines solchen Stabes ein Annähern und Entfernen eines Magnetes an oder von den Drahtwindungen E darstellt; vergl. Seite 290). Da die Drahtwindungen eines zweiten Elektromagnetes e durch die Leitung l und die Erdleitung L L' mit dem ersten in Verbindung stehen, muß auch dieser erregt werden und einen der Stäbe h auf dem permanenten Magnete n s anziehen und abstoßen, d. h. in Schwingung bringen. Die Impulse, welche der Elektromagnet e erhält, sind aber genau dieselben, welche in E durch die Schwingung des Stabes erregt werden; folglich muß auch in h eine vollkommen gleiche Schwingung eintreten. Da ferner jeder Stab nur die ihm eigenartige Schwingung vollführen kann und keine andere, so kann auch von den Stäben in h nur jener Stab in Schwingung gerathen, welcher jenem Stabe in H gleichartig ist, durch dessen Schwingung in den Draht- windungen von E die Inductionsströme hervorgerufen wurden. Es ist ein bekanntes Experi- ment, daß ein geöffnetes Clavier, gegen dessen Saiten man einen Ton hineinsingt, diesen ſtammend, kam im Jahre 1868 als Taubſtummenlehrer nach Boſton. Bekanntlich Muſikaliſche Klänge ent- [Abbildung]
Fig. 642. Klangfarbe, alſo auch die menſchliche Stimme, wird, wie Helmholtz gezeigt hat, durch dieBell’s elektriſche Harmonika. Zahl und relative Stärke jener Obertöne beſtimmt, welche den Grundton begleiten. Derartige Studien, ſowie auch ſolche über Telegraphie veranlaßten Bell (wie auch Andere) zunächſt zur Erfindung einer Art elektriſchen Harmonika, in der Abſicht, die Zeichen des Morſe-Telegraphen hörbar zu machen. Bell hatte hierbei (wie auch ungefähr zur ſelben Zeit Lacour, E. Gray, Ediſon und Varley) den Hintergedanken, durch dieſe Methode die gleichzeitige Beförderung mehrerer Depeſchen auf einem und demſelben Drahte zu ermöglichen. Dieſe erſte Form eines Bell’ſchen Telephones iſt in Fig. 642 ſchematiſch angedeutet. Eine Stabharfe H H' iſt an den Polen des permanenten Magnetes N S befeſtigt. Verſetzt man irgend einen der magnetiſchen Harfenſtäbe H in Schwingung, ſo werden in den Drahtwindungen des Elektromagnetes E Ströme inducirt (weil die Schwingung eines ſolchen Stabes ein Annähern und Entfernen eines Magnetes an oder von den Drahtwindungen E darſtellt; vergl. Seite 290). Da die Drahtwindungen eines zweiten Elektromagnetes e durch die Leitung l und die Erdleitung L L' mit dem erſten in Verbindung ſtehen, muß auch dieſer erregt werden und einen der Stäbe h auf dem permanenten Magnete n s anziehen und abſtoßen, d. h. in Schwingung bringen. Die Impulſe, welche der Elektromagnet e erhält, ſind aber genau dieſelben, welche in E durch die Schwingung des Stabes erregt werden; folglich muß auch in h eine vollkommen gleiche Schwingung eintreten. Da ferner jeder Stab nur die ihm eigenartige Schwingung vollführen kann und keine andere, ſo kann auch von den Stäben in h nur jener Stab in Schwingung gerathen, welcher jenem Stabe in H gleichartig iſt, durch deſſen Schwingung in den Draht- windungen von E die Inductionsſtröme hervorgerufen wurden. Es iſt ein bekanntes Experi- ment, daß ein geöffnetes Clavier, gegen deſſen Saiten man einen Ton hineinſingt, dieſen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0899" n="885"/> ſtammend, kam im Jahre 1868 als Taubſtummenlehrer nach Boſton. Bekanntlich<lb/> ſind die Taubſtummen nicht deshalb ſtumm, weil ihre Sprechwerkzeuge fehlerhaft<lb/> ſind, ſondern weil ſie in Folge ihrer Taubheit das geſprochene Wort nicht hören<lb/> können. Es iſt ebenfalls bekannt, daß man ſich in neuerer Zeit bemüht, und zwar<lb/> mit Erfolg bemüht, den Taubſtummen den Mechanismus des Sprechens auf anderem<lb/> Wege als durch das Gehör zur Kenntniß zu bringen. Erreicht man dies, ſo kann<lb/> der Taubſtumme in der Regel auch ſprechen lernen, weil, wie bereits erwähnt, die<lb/> Sprechorgane normal entwickelt ſind. Zur Ausbildung dieſer Lehrmethode ſtudirte<lb/> nicht nur Graham Bell, ſondern auch ſchon deſſen Vater <hi rendition="#g">Alexander Melville<lb/> Bell</hi> eingehend den Mechanismus des Sprechens, die Bildung der Vocale und den<lb/> Zuſammenhang zwiſchen Ton und der graphiſchen Darſtellung desſelben. Vater und<lb/> Sohn ſtudirten gemeinſchaftlich die Beziehungen zwiſchen den Elementen der Worte<lb/> verſchiedener Sprachen und zwiſchen den Vocalen und Tönen. Graham Bell wurde<lb/> durch dieſes Studium zur künſtlichen Darſtellung der Vocale durch Stimmgabeln<lb/> geführt und durch das Studium der Arbeiten und Forſchungen von <hi rendition="#g">Helmholtz</hi><lb/> (1859 bis 1862) zur Anwen-<lb/> dung der elektriſchen Ströme<lb/> bei dieſen Verſuchen angeregt.</p><lb/> <p>Muſikaliſche Klänge ent-<lb/> ſtehen durch harmoniſche Vereini-<lb/> gung von Tönen und ebenſo<lb/> entſtehen auch die Vocale, die<lb/> eben auch nichts Anderes als<lb/> harmoniſche Tonverſchmelzungen<lb/> darſtellen; die Conſonanten hin-<lb/> gegen ſetzen ſich aus Geräuſchen<lb/> zuſammen, welche raſch und un-<lb/> regelmäßig aufeinander folgen.<lb/> Es gelingt daher auch verhältniß-<lb/> mäßig leicht, die Vocale künſtlich<lb/> zu erzeugen, indeß die Erzeu-<lb/> gung der Conſonanten bedeutende<lb/> Schwierigkeiten bereitet. 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ſtammend, kam im Jahre 1868 als Taubſtummenlehrer nach Boſton. Bekanntlich
ſind die Taubſtummen nicht deshalb ſtumm, weil ihre Sprechwerkzeuge fehlerhaft
ſind, ſondern weil ſie in Folge ihrer Taubheit das geſprochene Wort nicht hören
können. Es iſt ebenfalls bekannt, daß man ſich in neuerer Zeit bemüht, und zwar
mit Erfolg bemüht, den Taubſtummen den Mechanismus des Sprechens auf anderem
Wege als durch das Gehör zur Kenntniß zu bringen. Erreicht man dies, ſo kann
der Taubſtumme in der Regel auch ſprechen lernen, weil, wie bereits erwähnt, die
Sprechorgane normal entwickelt ſind. Zur Ausbildung dieſer Lehrmethode ſtudirte
nicht nur Graham Bell, ſondern auch ſchon deſſen Vater Alexander Melville
Bell eingehend den Mechanismus des Sprechens, die Bildung der Vocale und den
Zuſammenhang zwiſchen Ton und der graphiſchen Darſtellung desſelben. Vater und
Sohn ſtudirten gemeinſchaftlich die Beziehungen zwiſchen den Elementen der Worte
verſchiedener Sprachen und zwiſchen den Vocalen und Tönen. Graham Bell wurde
durch dieſes Studium zur künſtlichen Darſtellung der Vocale durch Stimmgabeln
geführt und durch das Studium der Arbeiten und Forſchungen von Helmholtz
(1859 bis 1862) zur Anwen-
dung der elektriſchen Ströme
bei dieſen Verſuchen angeregt.
Muſikaliſche Klänge ent-
ſtehen durch harmoniſche Vereini-
gung von Tönen und ebenſo
entſtehen auch die Vocale, die
eben auch nichts Anderes als
harmoniſche Tonverſchmelzungen
darſtellen; die Conſonanten hin-
gegen ſetzen ſich aus Geräuſchen
zuſammen, welche raſch und un-
regelmäßig aufeinander folgen.
Es gelingt daher auch verhältniß-
mäßig leicht, die Vocale künſtlich
zu erzeugen, indeß die Erzeu-
gung der Conſonanten bedeutende
Schwierigkeiten bereitet. Die
[Abbildung Fig. 642.
Bell’s elektriſche Harmonika.]
Klangfarbe, alſo auch die menſchliche Stimme, wird, wie Helmholtz gezeigt hat, durch die
Zahl und relative Stärke jener Obertöne beſtimmt, welche den Grundton begleiten. Derartige
Studien, ſowie auch ſolche über Telegraphie veranlaßten Bell (wie auch Andere) zunächſt zur
Erfindung einer Art elektriſchen Harmonika, in der Abſicht, die Zeichen des Morſe-Telegraphen
hörbar zu machen. Bell hatte hierbei (wie auch ungefähr zur ſelben Zeit Lacour, E. Gray,
Ediſon und Varley) den Hintergedanken, durch dieſe Methode die gleichzeitige Beförderung
mehrerer Depeſchen auf einem und demſelben Drahte zu ermöglichen. Dieſe erſte Form eines
Bell’ſchen Telephones iſt in Fig. 642 ſchematiſch angedeutet. Eine Stabharfe H H' iſt an
den Polen des permanenten Magnetes N S befeſtigt. Verſetzt man irgend einen der magnetiſchen
Harfenſtäbe H in Schwingung, ſo werden in den Drahtwindungen des Elektromagnetes E
Ströme inducirt (weil die Schwingung eines ſolchen Stabes ein Annähern und Entfernen
eines Magnetes an oder von den Drahtwindungen E darſtellt; vergl. Seite 290). Da die
Drahtwindungen eines zweiten Elektromagnetes e durch die Leitung l und die Erdleitung L L'
mit dem erſten in Verbindung ſtehen, muß auch dieſer erregt werden und einen der Stäbe h
auf dem permanenten Magnete n s anziehen und abſtoßen, d. h. in Schwingung bringen.
Die Impulſe, welche der Elektromagnet e erhält, ſind aber genau dieſelben, welche in E durch
die Schwingung des Stabes erregt werden; folglich muß auch in h eine vollkommen gleiche
Schwingung eintreten. Da ferner jeder Stab nur die ihm eigenartige Schwingung vollführen
kann und keine andere, ſo kann auch von den Stäben in h nur jener Stab in Schwingung
gerathen, welcher jenem Stabe in H gleichartig iſt, durch deſſen Schwingung in den Draht-
windungen von E die Inductionsſtröme hervorgerufen wurden. Es iſt ein bekanntes Experi-
ment, daß ein geöffnetes Clavier, gegen deſſen Saiten man einen Ton hineinſingt, dieſen
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