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Urbanitzky, Alfred von: Die Elektricität im Dienste der Menschheit. Wien; Leipzig, 1885.

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Wir wählen hierzu zunächst eine Anlage, die seit mehr als anderthalb Jahren
in Betrieb steht und sich den älteren Vorschlägen für elektrische Bahnen insoferne
nähert, als hierbei die Elektricitätsgeneratoren, ebenso wie die galvanischen Batterien
auf den älteren elektrischen Locomotiven, mittransportirt werden. Hierdurch ist
allerdings ein Hauptvortheil des elektrischen Transportes, nämlich nur den Motor
(die secundäre Maschine), nicht aber den Krafterzeuger und die hierzu nothwendigen
Materialien (z. B. bei der Dampfmaschine den Dampfkessel, Wasser, Kohlen) mit-
führen zu müssen, preisgegeben und überdies noch durch Anwendung von Secundär-
elementen ein bedeutender Kraftverlust bedingt, aber die Anlage ist doch eine zweck-

[Abbildung] Fig. 605.

Locomotive der elektrischen Eisenbahn.

mäßige zu nennen, weil eben
ganz besondere Umstände, wie
Nachstehendes zeigen wird, zur
Ausführung der Anlage in dieser
Art geführt hatten.

In der großen Bleicherei
zu Breuil en Auge
(Calvados) des
Herrn Duchesne-Fournet sind
seit längerer Zeit Maschinen zur
elektrischen Beleuchtung der Fabriks-
räume durch Glühlichtlampen von
Reynier im Betriebe. Der technische
Leiter dieses Unternehmens, Clovis
Dupuy
, verfiel nun auf den Ge-
danken, die bereits vorhandenen Licht-
maschinen auch während des Tages
zu verwerthen, welchen Gedanken
er auch thatsächlich mit Hilfe der
Accumulatoren ausführte. Zur Durch-
führung des Fabriksprocesses ist es
erforderlich, daß die Leinwand sowohl
in der Fabrik verschiedenen chemischen
Behandlungen unterworfen wird, als
auch, daß sie längere Zeit der Ein-
wirkung freier Luft auf Wiesen aus-
gesetzt werde. Die chemischen Arbeiten
werden in der Art ausgeführt, daß
zwischen zwei aufeinanderfolgenden
Operationen immer ein fünf- bis
sechstägiges Aussetzen der Leinwand
auf den Wiesen erfolgt. Das Hinaus-
führen, Ausbreiten, Wiedereinsammeln
und Zurückbringen der Leinwand in
die Fabrik erfordert, wenn durch Menschenhände ausgeführt, viel Zeit und Geld. Clovis Dupuy
trachtete daher darnach, die Handarbeit so viel als möglich durch Maschinenarbeit zu ersetzen.
Heißluft- oder Dampfmaschinen konnten aber zum Hinaus- und Hereinführen, zum Vertheilen
und Einsammeln der Leinwand nicht in Verwendung gebracht werden, da bei derartigen Maschinen
die Erzeugung von Dampf, Rauch und Funken nicht zu vermeiden ist. Dies veranlaßte Clovis
Dupuy, die Anlage einer elektrisch betriebenen Bahn in's Auge zu fassen; dieser Gedanke lag
umso näher, als, wie bereits erwähnt, elektrische Maschinen schon vorhanden waren und
während des Tages keine Verwendung fanden. Der Grund, warum man sich der Accumula-
toren bediente, anstatt direct die Maschinenströme zu benützen, ist darin zu suchen, daß bei
Anwendung der ersteren diese von der Locomotive mitgenommen werden können, während bei
Verwendung der Maschinenströme wohl isolirte Leitungen der gesammten Ausdehnung der
Bahn entlang zu führen wären.

Der Ausführung einer derartigen Stromleitung hätten sich aber bei dem gegebenen
Terrain, nämlich ausgedehnten, feuchten Wiesengründen, mannigfache Schwierigkeiten in den

Wir wählen hierzu zunächſt eine Anlage, die ſeit mehr als anderthalb Jahren
in Betrieb ſteht und ſich den älteren Vorſchlägen für elektriſche Bahnen inſoferne
nähert, als hierbei die Elektricitätsgeneratoren, ebenſo wie die galvaniſchen Batterien
auf den älteren elektriſchen Locomotiven, mittransportirt werden. Hierdurch iſt
allerdings ein Hauptvortheil des elektriſchen Transportes, nämlich nur den Motor
(die ſecundäre Maſchine), nicht aber den Krafterzeuger und die hierzu nothwendigen
Materialien (z. B. bei der Dampfmaſchine den Dampfkeſſel, Waſſer, Kohlen) mit-
führen zu müſſen, preisgegeben und überdies noch durch Anwendung von Secundär-
elementen ein bedeutender Kraftverluſt bedingt, aber die Anlage iſt doch eine zweck-

[Abbildung] Fig. 605.

Locomotive der elektriſchen Eiſenbahn.

mäßige zu nennen, weil eben
ganz beſondere Umſtände, wie
Nachſtehendes zeigen wird, zur
Ausführung der Anlage in dieſer
Art geführt hatten.

In der großen Bleicherei
zu Breuil en Auge
(Calvados) des
Herrn Duchesne-Fournet ſind
ſeit längerer Zeit Maſchinen zur
elektriſchen Beleuchtung der Fabriks-
räume durch Glühlichtlampen von
Reynier im Betriebe. Der techniſche
Leiter dieſes Unternehmens, Clovis
Dupuy
, verfiel nun auf den Ge-
danken, die bereits vorhandenen Licht-
maſchinen auch während des Tages
zu verwerthen, welchen Gedanken
er auch thatſächlich mit Hilfe der
Accumulatoren ausführte. Zur Durch-
führung des Fabriksproceſſes iſt es
erforderlich, daß die Leinwand ſowohl
in der Fabrik verſchiedenen chemiſchen
Behandlungen unterworfen wird, als
auch, daß ſie längere Zeit der Ein-
wirkung freier Luft auf Wieſen aus-
geſetzt werde. Die chemiſchen Arbeiten
werden in der Art ausgeführt, daß
zwiſchen zwei aufeinanderfolgenden
Operationen immer ein fünf- bis
ſechstägiges Ausſetzen der Leinwand
auf den Wieſen erfolgt. Das Hinaus-
führen, Ausbreiten, Wiedereinſammeln
und Zurückbringen der Leinwand in
die Fabrik erfordert, wenn durch Menſchenhände ausgeführt, viel Zeit und Geld. Clovis Dupuy
trachtete daher darnach, die Handarbeit ſo viel als möglich durch Maſchinenarbeit zu erſetzen.
Heißluft- oder Dampfmaſchinen konnten aber zum Hinaus- und Hereinführen, zum Vertheilen
und Einſammeln der Leinwand nicht in Verwendung gebracht werden, da bei derartigen Maſchinen
die Erzeugung von Dampf, Rauch und Funken nicht zu vermeiden iſt. Dies veranlaßte Clovis
Dupuy, die Anlage einer elektriſch betriebenen Bahn in’s Auge zu faſſen; dieſer Gedanke lag
umſo näher, als, wie bereits erwähnt, elektriſche Maſchinen ſchon vorhanden waren und
während des Tages keine Verwendung fanden. Der Grund, warum man ſich der Accumula-
toren bediente, anſtatt direct die Maſchinenſtröme zu benützen, iſt darin zu ſuchen, daß bei
Anwendung der erſteren dieſe von der Locomotive mitgenommen werden können, während bei
Verwendung der Maſchinenſtröme wohl iſolirte Leitungen der geſammten Ausdehnung der
Bahn entlang zu führen wären.

Der Ausführung einer derartigen Stromleitung hätten ſich aber bei dem gegebenen
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[846/0860] Wir wählen hierzu zunächſt eine Anlage, die ſeit mehr als anderthalb Jahren in Betrieb ſteht und ſich den älteren Vorſchlägen für elektriſche Bahnen inſoferne nähert, als hierbei die Elektricitätsgeneratoren, ebenſo wie die galvaniſchen Batterien auf den älteren elektriſchen Locomotiven, mittransportirt werden. Hierdurch iſt allerdings ein Hauptvortheil des elektriſchen Transportes, nämlich nur den Motor (die ſecundäre Maſchine), nicht aber den Krafterzeuger und die hierzu nothwendigen Materialien (z. B. bei der Dampfmaſchine den Dampfkeſſel, Waſſer, Kohlen) mit- führen zu müſſen, preisgegeben und überdies noch durch Anwendung von Secundär- elementen ein bedeutender Kraftverluſt bedingt, aber die Anlage iſt doch eine zweck- [Abbildung Fig. 605. Locomotive der elektriſchen Eiſenbahn.] mäßige zu nennen, weil eben ganz beſondere Umſtände, wie Nachſtehendes zeigen wird, zur Ausführung der Anlage in dieſer Art geführt hatten. In der großen Bleicherei zu Breuil en Auge (Calvados) des Herrn Duchesne-Fournet ſind ſeit längerer Zeit Maſchinen zur elektriſchen Beleuchtung der Fabriks- räume durch Glühlichtlampen von Reynier im Betriebe. Der techniſche Leiter dieſes Unternehmens, Clovis Dupuy, verfiel nun auf den Ge- danken, die bereits vorhandenen Licht- maſchinen auch während des Tages zu verwerthen, welchen Gedanken er auch thatſächlich mit Hilfe der Accumulatoren ausführte. Zur Durch- führung des Fabriksproceſſes iſt es erforderlich, daß die Leinwand ſowohl in der Fabrik verſchiedenen chemiſchen Behandlungen unterworfen wird, als auch, daß ſie längere Zeit der Ein- wirkung freier Luft auf Wieſen aus- geſetzt werde. Die chemiſchen Arbeiten werden in der Art ausgeführt, daß zwiſchen zwei aufeinanderfolgenden Operationen immer ein fünf- bis ſechstägiges Ausſetzen der Leinwand auf den Wieſen erfolgt. Das Hinaus- führen, Ausbreiten, Wiedereinſammeln und Zurückbringen der Leinwand in die Fabrik erfordert, wenn durch Menſchenhände ausgeführt, viel Zeit und Geld. Clovis Dupuy trachtete daher darnach, die Handarbeit ſo viel als möglich durch Maſchinenarbeit zu erſetzen. Heißluft- oder Dampfmaſchinen konnten aber zum Hinaus- und Hereinführen, zum Vertheilen und Einſammeln der Leinwand nicht in Verwendung gebracht werden, da bei derartigen Maſchinen die Erzeugung von Dampf, Rauch und Funken nicht zu vermeiden iſt. Dies veranlaßte Clovis Dupuy, die Anlage einer elektriſch betriebenen Bahn in’s Auge zu faſſen; dieſer Gedanke lag umſo näher, als, wie bereits erwähnt, elektriſche Maſchinen ſchon vorhanden waren und während des Tages keine Verwendung fanden. Der Grund, warum man ſich der Accumula- toren bediente, anſtatt direct die Maſchinenſtröme zu benützen, iſt darin zu ſuchen, daß bei Anwendung der erſteren dieſe von der Locomotive mitgenommen werden können, während bei Verwendung der Maſchinenſtröme wohl iſolirte Leitungen der geſammten Ausdehnung der Bahn entlang zu führen wären. Der Ausführung einer derartigen Stromleitung hätten ſich aber bei dem gegebenen Terrain, nämlich ausgedehnten, feuchten Wieſengründen, mannigfache Schwierigkeiten in den

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Zitationshilfe: Urbanitzky, Alfred von: Die Elektricität im Dienste der Menschheit. Wien; Leipzig, 1885, S. 846. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/urbanitzky_electricitaet_1885/860>, abgerufen am 22.11.2024.