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Urbanitzky, Alfred von: Die Elektricität im Dienste der Menschheit. Wien; Leipzig, 1885.

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Stromstärke, bleibt aber bei gleichmäßigem Durchfließen des Stromes vollkommen
in Ruhe. Du Bois-Reymond sprach das Gesetz der elektrischen Nervenerregung
in nachstehender Weise aus:

Nicht der absolute Werth der Stromdichtigkeit in jedem Augenblicke ist es,
auf den der Bewegungsnerv mit Zuckung antwortet, sondern die Veränderung
dieses Werthes von einem Augenblicke zum andern, und zwar ist die Anregung
zur Bewegung, welche diesen Veränderungen folgt, um so bedeutender, se schneller
sie bei gleicher Größe vor sich gingen oder je größer sie in der Zeiteinheit waren.

Erinnern wir uns dessen, was über die Wirkung des Entladungsschlages
einer Kleist'schen Flasche gesagt wurde, so können wir uns jetzt die kräftige physio-
logische Wirkung derselben, trotz der geringen, den menschlichen Körper durch-
fließenden Elektricitätsmenge leicht erklären: sie liegt eben in dem außerordentlich
raschen Verlauf der Entladung. Auch bei den Inductionsströmen ist die rasche
Ausgleichung der beiden Elektricitäten die Ursache lebhafter Nervenerregung.

Wenngleich elektrische Ströme auf Bewegungsnerven nur beim Oeffnen,
Schließen oder Schwanken des Stromes deutlich wahrnehmbare Wirkungen hervor-
rufen, so bleibt doch der constant fließende Strom auf die Empfindungsnerven
nicht ohne Einfluß. Schon Volta theilte mit, daß er ein eigenthümliches und an-
dauerndes Gefühl verspürte, wenn er den Strom einer 100elementigen Zink-
Silbersäule durch seinen Leib gehen ließ. Ebenso andauernd äußert sich auch die
Wirkung des galvanischen Stromes auf den Geschmackssinn. Werden die Draht-
enden einer größeren Batterie in die Ohren eingeführt, so vernimmt man ein
fortwährendes Geräusch. Immerhin sind aber auch die Wirkungen auf die Empfin-
dungsnerven beim Oeffnen und Schließen oder bei Schwankungen des Stromes
heftiger als bei gleichmäßig verlaufendem Strome.

Wie bereits erwähnt, tritt ein elektrischer Strom dann auf, wenn Nerv und
Muskel in je ein mit Salzlösung gefülltes Gefäß getaucht werden und beide
Lösungen noch überdies durch feuchte Baumwolle miteinander in Verbindung
stehen. Nobili schaltete zur Prüfung der Empfindlichkeit eines Froschschenkels
in dem beide Lösungen verbindenden Schließungsbogen einen Multiplicator
ein. Der Froschschenkel zeigte im Momente des Schließens durch Zuckung den
Strom an, die Multiplicatornadel blieb aber ruhig; folglich ist letztere unempfind-
licher als der Froschschenkel. Die Empfindlichkeit des Froschschenkels für Strom-
schwankungen ist so groß, daß man ihn zu den empfindlichsten Elektroskopen rechnen
muß. Er verräth sogar jene minimalen Schwankungen, welche in den Draht-
spiralen eines gewöhnlichen Bell'schen Telephons beim Ansprechen des letzteren
entstehen. Die Stromschwankungen im Telephon sind gewissermaßen ein Spiegelbild
der Schallschwingungen. Würde man die Schallschwingungen ebenso wie die
Stromschwankungen durch Curven darstellen, so müßte jeder steil abfallenden oder
ansteigenden Schallcurve eine ebensolche Stromcurve entsprechen. Verbindet man
daher die Drahtenden eines Telephons mit den freigelegten Hüftnerven eines
Frosches, so daß man jedoch den dazugehörigen Muskel nicht abtrennt, so wird
letzterer beim Ansprechen des Telephons jedesmal zucken, so oft den Schallwellen
steil verlaufende Curven entsprechen. E. du Bois-Reymond führt dieses Experiment
in der Weise aus, daß er einmal in das Telephon das Wort "zuck'" hineinruft,
wodurch der Muskel, der steilen Curven in diesem Klange wegen, sich heftig
zusammenzieht, ein andermal "lieg'", wobei der Muskel ganz ruhig bleibt, weil
dieser Klang ohne steile Curven verläuft.

Stromſtärke, bleibt aber bei gleichmäßigem Durchfließen des Stromes vollkommen
in Ruhe. Du Bois-Reymond ſprach das Geſetz der elektriſchen Nervenerregung
in nachſtehender Weiſe aus:

Nicht der abſolute Werth der Stromdichtigkeit in jedem Augenblicke iſt es,
auf den der Bewegungsnerv mit Zuckung antwortet, ſondern die Veränderung
dieſes Werthes von einem Augenblicke zum andern, und zwar iſt die Anregung
zur Bewegung, welche dieſen Veränderungen folgt, um ſo bedeutender, ſe ſchneller
ſie bei gleicher Größe vor ſich gingen oder je größer ſie in der Zeiteinheit waren.

Erinnern wir uns deſſen, was über die Wirkung des Entladungsſchlages
einer Kleiſt’ſchen Flaſche geſagt wurde, ſo können wir uns jetzt die kräftige phyſio-
logiſche Wirkung derſelben, trotz der geringen, den menſchlichen Körper durch-
fließenden Elektricitätsmenge leicht erklären: ſie liegt eben in dem außerordentlich
raſchen Verlauf der Entladung. Auch bei den Inductionsſtrömen iſt die raſche
Ausgleichung der beiden Elektricitäten die Urſache lebhafter Nervenerregung.

Wenngleich elektriſche Ströme auf Bewegungsnerven nur beim Oeffnen,
Schließen oder Schwanken des Stromes deutlich wahrnehmbare Wirkungen hervor-
rufen, ſo bleibt doch der conſtant fließende Strom auf die Empfindungsnerven
nicht ohne Einfluß. Schon Volta theilte mit, daß er ein eigenthümliches und an-
dauerndes Gefühl verſpürte, wenn er den Strom einer 100elementigen Zink-
Silberſäule durch ſeinen Leib gehen ließ. Ebenſo andauernd äußert ſich auch die
Wirkung des galvaniſchen Stromes auf den Geſchmacksſinn. Werden die Draht-
enden einer größeren Batterie in die Ohren eingeführt, ſo vernimmt man ein
fortwährendes Geräuſch. Immerhin ſind aber auch die Wirkungen auf die Empfin-
dungsnerven beim Oeffnen und Schließen oder bei Schwankungen des Stromes
heftiger als bei gleichmäßig verlaufendem Strome.

Wie bereits erwähnt, tritt ein elektriſcher Strom dann auf, wenn Nerv und
Muskel in je ein mit Salzlöſung gefülltes Gefäß getaucht werden und beide
Löſungen noch überdies durch feuchte Baumwolle miteinander in Verbindung
ſtehen. Nobili ſchaltete zur Prüfung der Empfindlichkeit eines Froſchſchenkels
in dem beide Löſungen verbindenden Schließungsbogen einen Multiplicator
ein. Der Froſchſchenkel zeigte im Momente des Schließens durch Zuckung den
Strom an, die Multiplicatornadel blieb aber ruhig; folglich iſt letztere unempfind-
licher als der Froſchſchenkel. Die Empfindlichkeit des Froſchſchenkels für Strom-
ſchwankungen iſt ſo groß, daß man ihn zu den empfindlichſten Elektroſkopen rechnen
muß. Er verräth ſogar jene minimalen Schwankungen, welche in den Draht-
ſpiralen eines gewöhnlichen Bell’ſchen Telephons beim Anſprechen des letzteren
entſtehen. Die Stromſchwankungen im Telephon ſind gewiſſermaßen ein Spiegelbild
der Schallſchwingungen. Würde man die Schallſchwingungen ebenſo wie die
Stromſchwankungen durch Curven darſtellen, ſo müßte jeder ſteil abfallenden oder
anſteigenden Schallcurve eine ebenſolche Stromcurve entſprechen. Verbindet man
daher die Drahtenden eines Telephons mit den freigelegten Hüftnerven eines
Froſches, ſo daß man jedoch den dazugehörigen Muskel nicht abtrennt, ſo wird
letzterer beim Anſprechen des Telephons jedesmal zucken, ſo oft den Schallwellen
ſteil verlaufende Curven entſprechen. E. du Bois-Reymond führt dieſes Experiment
in der Weiſe aus, daß er einmal in das Telephon das Wort „zuck’“ hineinruft,
wodurch der Muskel, der ſteilen Curven in dieſem Klange wegen, ſich heftig
zuſammenzieht, ein andermal „lieg’“, wobei der Muskel ganz ruhig bleibt, weil
dieſer Klang ohne ſteile Curven verläuft.

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[331/0345] Stromſtärke, bleibt aber bei gleichmäßigem Durchfließen des Stromes vollkommen in Ruhe. Du Bois-Reymond ſprach das Geſetz der elektriſchen Nervenerregung in nachſtehender Weiſe aus: Nicht der abſolute Werth der Stromdichtigkeit in jedem Augenblicke iſt es, auf den der Bewegungsnerv mit Zuckung antwortet, ſondern die Veränderung dieſes Werthes von einem Augenblicke zum andern, und zwar iſt die Anregung zur Bewegung, welche dieſen Veränderungen folgt, um ſo bedeutender, ſe ſchneller ſie bei gleicher Größe vor ſich gingen oder je größer ſie in der Zeiteinheit waren. Erinnern wir uns deſſen, was über die Wirkung des Entladungsſchlages einer Kleiſt’ſchen Flaſche geſagt wurde, ſo können wir uns jetzt die kräftige phyſio- logiſche Wirkung derſelben, trotz der geringen, den menſchlichen Körper durch- fließenden Elektricitätsmenge leicht erklären: ſie liegt eben in dem außerordentlich raſchen Verlauf der Entladung. Auch bei den Inductionsſtrömen iſt die raſche Ausgleichung der beiden Elektricitäten die Urſache lebhafter Nervenerregung. Wenngleich elektriſche Ströme auf Bewegungsnerven nur beim Oeffnen, Schließen oder Schwanken des Stromes deutlich wahrnehmbare Wirkungen hervor- rufen, ſo bleibt doch der conſtant fließende Strom auf die Empfindungsnerven nicht ohne Einfluß. Schon Volta theilte mit, daß er ein eigenthümliches und an- dauerndes Gefühl verſpürte, wenn er den Strom einer 100elementigen Zink- Silberſäule durch ſeinen Leib gehen ließ. Ebenſo andauernd äußert ſich auch die Wirkung des galvaniſchen Stromes auf den Geſchmacksſinn. Werden die Draht- enden einer größeren Batterie in die Ohren eingeführt, ſo vernimmt man ein fortwährendes Geräuſch. Immerhin ſind aber auch die Wirkungen auf die Empfin- dungsnerven beim Oeffnen und Schließen oder bei Schwankungen des Stromes heftiger als bei gleichmäßig verlaufendem Strome. Wie bereits erwähnt, tritt ein elektriſcher Strom dann auf, wenn Nerv und Muskel in je ein mit Salzlöſung gefülltes Gefäß getaucht werden und beide Löſungen noch überdies durch feuchte Baumwolle miteinander in Verbindung ſtehen. Nobili ſchaltete zur Prüfung der Empfindlichkeit eines Froſchſchenkels in dem beide Löſungen verbindenden Schließungsbogen einen Multiplicator ein. Der Froſchſchenkel zeigte im Momente des Schließens durch Zuckung den Strom an, die Multiplicatornadel blieb aber ruhig; folglich iſt letztere unempfind- licher als der Froſchſchenkel. Die Empfindlichkeit des Froſchſchenkels für Strom- ſchwankungen iſt ſo groß, daß man ihn zu den empfindlichſten Elektroſkopen rechnen muß. Er verräth ſogar jene minimalen Schwankungen, welche in den Draht- ſpiralen eines gewöhnlichen Bell’ſchen Telephons beim Anſprechen des letzteren entſtehen. Die Stromſchwankungen im Telephon ſind gewiſſermaßen ein Spiegelbild der Schallſchwingungen. Würde man die Schallſchwingungen ebenſo wie die Stromſchwankungen durch Curven darſtellen, ſo müßte jeder ſteil abfallenden oder anſteigenden Schallcurve eine ebenſolche Stromcurve entſprechen. Verbindet man daher die Drahtenden eines Telephons mit den freigelegten Hüftnerven eines Froſches, ſo daß man jedoch den dazugehörigen Muskel nicht abtrennt, ſo wird letzterer beim Anſprechen des Telephons jedesmal zucken, ſo oft den Schallwellen ſteil verlaufende Curven entſprechen. E. du Bois-Reymond führt dieſes Experiment in der Weiſe aus, daß er einmal in das Telephon das Wort „zuck’“ hineinruft, wodurch der Muskel, der ſteilen Curven in dieſem Klange wegen, ſich heftig zuſammenzieht, ein andermal „lieg’“, wobei der Muskel ganz ruhig bleibt, weil dieſer Klang ohne ſteile Curven verläuft.

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Zitationshilfe: Urbanitzky, Alfred von: Die Elektricität im Dienste der Menschheit. Wien; Leipzig, 1885, S. 331. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/urbanitzky_electricitaet_1885/345>, abgerufen am 23.11.2024.