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Urbanitzky, Alfred von: Die Elektricität im Dienste der Menschheit. Wien; Leipzig, 1885.

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Die abschwächende Wirkung, welche der beim Schließen eines Stromkreises
entstehende Extrastrom auf den primären Strom ausübt, macht sich auch bei prak-
tischen Anwendungen unangenehm bemerkbar. Sie bewirkt, daß die volle Strom-
stärke nicht sofort nach Schluß des Stromkreises eintritt, sondern erst nach einer
bestimmten Zeit. Bei langen Leitungen kann die Verzögerung 0·166 bis 0·2 Se-
cunden betragen, was zur Folge hat, daß man z. B. auf große Entfernungen
hin längerer Zeit zur telegraphischen Correspondenz bedarf als auf kurzen Strecken.
Diese Verzögerung ist auch die Ursache, warum magnetelektrische Motoren nicht
über eine gewisse, von ihrer Construction abhängige Schnelligkeit hinaus in Be-
wegung gesetzt werden können.

Inductionsströme können nicht nur durch ihre Wirkung auf die Magnetnadel
nachgewiesen werden, sondern man kann durch sie auch andere Wirkungen, wie wir
sie beim galvanischen Strom kennen gelernt haben, hervorrufen; allerdings darf
man hierbei nicht vergessen, daß die Inductionsströme immer ihre Richtung wechseln
und muß daher auch dem entsprechende Anordnungen treffen. Dies ist namentlich
dann nothwendig, wenn man z. B. elektrolytische Wirkungen durch Inductions-
ströme hervorrufen will. Die in vielen Fällen übereinstimmende Wirkung der galva-
nischen und der Inductionsströme führte bald zu der Vermuthung, daß auch In-

[Abbildung] Fig. 189.

Inductionsströme höherer Ordnung.

ductionsströme im Stande sein müssen, auf benachbarte Leiter neuerdings inducirend
zu wirken. Diese Vermuthung wurde auch wirklich durch Versuche bestätigt. Henry
hat dies nachgewiesen durch Anwendung mehrerer parallel zueinander gestellter
Spulen I, II, III, IV, Fig. 189. Die einzelnen Spiralen bestanden hierbei aus
bandartigen Kupferstreifen und wurden in der durch die Figur angedeuteten Weise
aneinander gebracht. Das Entstehenlassen oder Unterbrechen eines Stromes in
Spule I rief in Spule II einen Inductionsstrom hervor, der auch durch Spule
III fließen mußte, da diese mit II in leitender Verbindung stand. Die Drahtenden
der Spule IV waren mit metallischen Handhaben e f versehen, und das Anfassen
derselben mit den Händen hatte Erschütterungen des Körpers zur Folge, die von
Inductionsströmen in der Spule IV herrührten; man nennt solche durch Induc-
tionsströme hervorgerufene Inductionsströme im Allgemeinen Inductionsströme
höherer Ordnung;
der Inductionsstrom, den wir im obigen Beispiele durch
seine physiologische Wirkung nachwiesen, ist ein Inductionsstrom zweiter Ordnung.

Die Ströme höherer Ordnung können natürlich keine einfachen Ströme sein,
da das Entstehen und das Vergehen des inducirenden Stromes je einen Induc-
tionsstrom hervorruft; hierbei hat der zweite Inductionsstrom die entgegengesetzte
Richtung des ersten. Das Auftreten eines Stromes in der Spule I von bestimmter
Richtung, bezeichnen wir sie mit +, erregt in II einen Strom entgegengesetzter

Die abſchwächende Wirkung, welche der beim Schließen eines Stromkreiſes
entſtehende Extraſtrom auf den primären Strom ausübt, macht ſich auch bei prak-
tiſchen Anwendungen unangenehm bemerkbar. Sie bewirkt, daß die volle Strom-
ſtärke nicht ſofort nach Schluß des Stromkreiſes eintritt, ſondern erſt nach einer
beſtimmten Zeit. Bei langen Leitungen kann die Verzögerung 0·166 bis 0·2 Se-
cunden betragen, was zur Folge hat, daß man z. B. auf große Entfernungen
hin längerer Zeit zur telegraphiſchen Correſpondenz bedarf als auf kurzen Strecken.
Dieſe Verzögerung iſt auch die Urſache, warum magnetelektriſche Motoren nicht
über eine gewiſſe, von ihrer Conſtruction abhängige Schnelligkeit hinaus in Be-
wegung geſetzt werden können.

Inductionsſtröme können nicht nur durch ihre Wirkung auf die Magnetnadel
nachgewieſen werden, ſondern man kann durch ſie auch andere Wirkungen, wie wir
ſie beim galvaniſchen Strom kennen gelernt haben, hervorrufen; allerdings darf
man hierbei nicht vergeſſen, daß die Inductionsſtröme immer ihre Richtung wechſeln
und muß daher auch dem entſprechende Anordnungen treffen. Dies iſt namentlich
dann nothwendig, wenn man z. B. elektrolytiſche Wirkungen durch Inductions-
ſtröme hervorrufen will. Die in vielen Fällen übereinſtimmende Wirkung der galva-
niſchen und der Inductionsſtröme führte bald zu der Vermuthung, daß auch In-

[Abbildung] Fig. 189.

Inductionsſtröme höherer Ordnung.

ductionsſtröme im Stande ſein müſſen, auf benachbarte Leiter neuerdings inducirend
zu wirken. Dieſe Vermuthung wurde auch wirklich durch Verſuche beſtätigt. Henry
hat dies nachgewieſen durch Anwendung mehrerer parallel zueinander geſtellter
Spulen I, II, III, IV, Fig. 189. Die einzelnen Spiralen beſtanden hierbei aus
bandartigen Kupferſtreifen und wurden in der durch die Figur angedeuteten Weiſe
aneinander gebracht. Das Entſtehenlaſſen oder Unterbrechen eines Stromes in
Spule I rief in Spule II einen Inductionsſtrom hervor, der auch durch Spule
III fließen mußte, da dieſe mit II in leitender Verbindung ſtand. Die Drahtenden
der Spule IV waren mit metalliſchen Handhaben e f verſehen, und das Anfaſſen
derſelben mit den Händen hatte Erſchütterungen des Körpers zur Folge, die von
Inductionsſtrömen in der Spule IV herrührten; man nennt ſolche durch Induc-
tionsſtröme hervorgerufene Inductionsſtröme im Allgemeinen Inductionsſtröme
höherer Ordnung;
der Inductionsſtrom, den wir im obigen Beiſpiele durch
ſeine phyſiologiſche Wirkung nachwieſen, iſt ein Inductionsſtrom zweiter Ordnung.

Die Ströme höherer Ordnung können natürlich keine einfachen Ströme ſein,
da das Entſtehen und das Vergehen des inducirenden Stromes je einen Induc-
tionsſtrom hervorruft; hierbei hat der zweite Inductionsſtrom die entgegengeſetzte
Richtung des erſten. Das Auftreten eines Stromes in der Spule I von beſtimmter
Richtung, bezeichnen wir ſie mit +, erregt in II einen Strom entgegengeſetzter

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[294/0308] Die abſchwächende Wirkung, welche der beim Schließen eines Stromkreiſes entſtehende Extraſtrom auf den primären Strom ausübt, macht ſich auch bei prak- tiſchen Anwendungen unangenehm bemerkbar. Sie bewirkt, daß die volle Strom- ſtärke nicht ſofort nach Schluß des Stromkreiſes eintritt, ſondern erſt nach einer beſtimmten Zeit. Bei langen Leitungen kann die Verzögerung 0·166 bis 0·2 Se- cunden betragen, was zur Folge hat, daß man z. B. auf große Entfernungen hin längerer Zeit zur telegraphiſchen Correſpondenz bedarf als auf kurzen Strecken. Dieſe Verzögerung iſt auch die Urſache, warum magnetelektriſche Motoren nicht über eine gewiſſe, von ihrer Conſtruction abhängige Schnelligkeit hinaus in Be- wegung geſetzt werden können. Inductionsſtröme können nicht nur durch ihre Wirkung auf die Magnetnadel nachgewieſen werden, ſondern man kann durch ſie auch andere Wirkungen, wie wir ſie beim galvaniſchen Strom kennen gelernt haben, hervorrufen; allerdings darf man hierbei nicht vergeſſen, daß die Inductionsſtröme immer ihre Richtung wechſeln und muß daher auch dem entſprechende Anordnungen treffen. Dies iſt namentlich dann nothwendig, wenn man z. B. elektrolytiſche Wirkungen durch Inductions- ſtröme hervorrufen will. Die in vielen Fällen übereinſtimmende Wirkung der galva- niſchen und der Inductionsſtröme führte bald zu der Vermuthung, daß auch In- [Abbildung Fig. 189. Inductionsſtröme höherer Ordnung.] ductionsſtröme im Stande ſein müſſen, auf benachbarte Leiter neuerdings inducirend zu wirken. Dieſe Vermuthung wurde auch wirklich durch Verſuche beſtätigt. Henry hat dies nachgewieſen durch Anwendung mehrerer parallel zueinander geſtellter Spulen I, II, III, IV, Fig. 189. Die einzelnen Spiralen beſtanden hierbei aus bandartigen Kupferſtreifen und wurden in der durch die Figur angedeuteten Weiſe aneinander gebracht. Das Entſtehenlaſſen oder Unterbrechen eines Stromes in Spule I rief in Spule II einen Inductionsſtrom hervor, der auch durch Spule III fließen mußte, da dieſe mit II in leitender Verbindung ſtand. Die Drahtenden der Spule IV waren mit metalliſchen Handhaben e f verſehen, und das Anfaſſen derſelben mit den Händen hatte Erſchütterungen des Körpers zur Folge, die von Inductionsſtrömen in der Spule IV herrührten; man nennt ſolche durch Induc- tionsſtröme hervorgerufene Inductionsſtröme im Allgemeinen Inductionsſtröme höherer Ordnung; der Inductionsſtrom, den wir im obigen Beiſpiele durch ſeine phyſiologiſche Wirkung nachwieſen, iſt ein Inductionsſtrom zweiter Ordnung. Die Ströme höherer Ordnung können natürlich keine einfachen Ströme ſein, da das Entſtehen und das Vergehen des inducirenden Stromes je einen Induc- tionsſtrom hervorruft; hierbei hat der zweite Inductionsſtrom die entgegengeſetzte Richtung des erſten. Das Auftreten eines Stromes in der Spule I von beſtimmter Richtung, bezeichnen wir ſie mit +, erregt in II einen Strom entgegengeſetzter

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Zitationshilfe: Urbanitzky, Alfred von: Die Elektricität im Dienste der Menschheit. Wien; Leipzig, 1885, S. 294. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/urbanitzky_electricitaet_1885/308>, abgerufen am 24.11.2024.