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Urbanitzky, Alfred von: Die Elektricität im Dienste der Menschheit. Wien; Leipzig, 1885.

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Aus Obigem ist zu ersehen, daß die Bewegung des Eisenkernes in Folge der
auf ihn ausgeübten Anziehungskraft des Solenoides eine ungleichförmige ist. Sie
wird zunächst bei Annäherung an das Solenoid beschleunigt, nimmt dann wieder
ab und endlich kommt der Stab in Ruhe, indem er eine bestimmte Stellung ein-
nimmt. Diese hat er offenbar dann erreicht, wenn Mitte des Stabes und Mitte
des Solenoides zusammenfallen, wie in Fig. 182. Denn, da das Solenoid sich
wie ein Magnet verhält, der bei n seinen Nord-, bei s seinen Südpol hat, so
kann man die ganze Bewegungserscheinung auch als Folge der Einwirkung zweier
Magnete aufeinander auffassen. Bei diesem ziehen sich aber die ungleichnamigen
Pole an, während sich die gleichnamigen abstoßen; Gleichgewicht wird dann ein-
treten, wenn sich die Anziehungs- und Abstoßungskräfte das Gleichgewicht halten.
In der Stellung Fig. 181 wird jedenfalls der Nordmagnetismus im Stabe bei
N viel kräftiger sein als der Südmagnetismus bei S, weil S viel weiter von der
Spirale entfernt ist; folglich muß die Anziehung zwischen N und s die Abstoßung
zwischen s und S überwiegen, also der Stab sich gegen die Spirale bewegen. Das
Ueberwiegen des Nordmagnetismus im Stabe über dessen Südmagnetismus muß
aber so lange andauern, als das Nordende von dem Solenoide kräftiger beeinflußt
wird als das Südende, also ersteres dem Solenoide näher steht. Die Kräfte

[Abbildung] Fig. 181.
[Abbildung] Fig. 182.

Wirkung eines Solenoides auf einen Eisenkern.

werden sich daher erst dann das Gleichgewicht halten, wenn Nord- und Südende
des Stabes sich in gleichen Entfernungen von dem Nord- und Südende des
Solenoides befinden, d. h. wenn die Mitte des Stabes mit der Mitte des Sole-
noides zusammenfällt.

Die Kraft, mit welcher ein Eisenkern in ein Solenoid hineingezogen wird,
kann bei entsprechender Anordnung eine sehr bedeutende sein; ein vertical gestelltes
Solenoid ist im Stande, den Eisenstab frei schwebend zu erhalten. Versuche hier-
über verdanken wir A. v. Waltenhofen; aus diesen ergab sich namentlich die Härte
des Stahl- oder Eisenstabes als einflußreich. Waltenhofen fand, daß im Solenoide
dann der geringste Stromaufwand nöthig ist, wenn der Stab aus möglichst weichem
Eisen gebildet ist; auch stellte er durch Versuche fest, daß verhältnißmäßig dünn-
wandige weite Eisenröhren kräftiger angezogen werden, als gleich lange, massive
Stäbe von gleichem Gewichte.

Letzteres gilt jedoch nur innerhalb gewisser Grenzen. Ist nämlich der Stab
sehr dünn oder der Strom sehr stark, so erfährt das ganze Verhalten eine Verände-
rung. Die Ursache hiervon ist darin zu suchen, daß bei jeder Art Erregung von
Magnetismus die Magnetisirung bis zu einer bestimmten Tiefe in den Stahl- oder
Eisenkörper eindringt. Bei einer dünnwandigen Eisenröhre wird daher die magne-
tische Sättigung rascher eintreten als bei einem massiven Stabe. Folglich muß auch

Aus Obigem iſt zu erſehen, daß die Bewegung des Eiſenkernes in Folge der
auf ihn ausgeübten Anziehungskraft des Solenoides eine ungleichförmige iſt. Sie
wird zunächſt bei Annäherung an das Solenoid beſchleunigt, nimmt dann wieder
ab und endlich kommt der Stab in Ruhe, indem er eine beſtimmte Stellung ein-
nimmt. Dieſe hat er offenbar dann erreicht, wenn Mitte des Stabes und Mitte
des Solenoides zuſammenfallen, wie in Fig. 182. Denn, da das Solenoid ſich
wie ein Magnet verhält, der bei n ſeinen Nord-, bei s ſeinen Südpol hat, ſo
kann man die ganze Bewegungserſcheinung auch als Folge der Einwirkung zweier
Magnete aufeinander auffaſſen. Bei dieſem ziehen ſich aber die ungleichnamigen
Pole an, während ſich die gleichnamigen abſtoßen; Gleichgewicht wird dann ein-
treten, wenn ſich die Anziehungs- und Abſtoßungskräfte das Gleichgewicht halten.
In der Stellung Fig. 181 wird jedenfalls der Nordmagnetismus im Stabe bei
N viel kräftiger ſein als der Südmagnetismus bei S, weil S viel weiter von der
Spirale entfernt iſt; folglich muß die Anziehung zwiſchen N und s die Abſtoßung
zwiſchen s und S überwiegen, alſo der Stab ſich gegen die Spirale bewegen. Das
Ueberwiegen des Nordmagnetismus im Stabe über deſſen Südmagnetismus muß
aber ſo lange andauern, als das Nordende von dem Solenoide kräftiger beeinflußt
wird als das Südende, alſo erſteres dem Solenoide näher ſteht. Die Kräfte

[Abbildung] Fig. 181.
[Abbildung] Fig. 182.

Wirkung eines Solenoides auf einen Eiſenkern.

werden ſich daher erſt dann das Gleichgewicht halten, wenn Nord- und Südende
des Stabes ſich in gleichen Entfernungen von dem Nord- und Südende des
Solenoides befinden, d. h. wenn die Mitte des Stabes mit der Mitte des Sole-
noides zuſammenfällt.

Die Kraft, mit welcher ein Eiſenkern in ein Solenoid hineingezogen wird,
kann bei entſprechender Anordnung eine ſehr bedeutende ſein; ein vertical geſtelltes
Solenoid iſt im Stande, den Eiſenſtab frei ſchwebend zu erhalten. Verſuche hier-
über verdanken wir A. v. Waltenhofen; aus dieſen ergab ſich namentlich die Härte
des Stahl- oder Eiſenſtabes als einflußreich. Waltenhofen fand, daß im Solenoide
dann der geringſte Stromaufwand nöthig iſt, wenn der Stab aus möglichſt weichem
Eiſen gebildet iſt; auch ſtellte er durch Verſuche feſt, daß verhältnißmäßig dünn-
wandige weite Eiſenröhren kräftiger angezogen werden, als gleich lange, maſſive
Stäbe von gleichem Gewichte.

Letzteres gilt jedoch nur innerhalb gewiſſer Grenzen. Iſt nämlich der Stab
ſehr dünn oder der Strom ſehr ſtark, ſo erfährt das ganze Verhalten eine Verände-
rung. Die Urſache hiervon iſt darin zu ſuchen, daß bei jeder Art Erregung von
Magnetismus die Magnetiſirung bis zu einer beſtimmten Tiefe in den Stahl- oder
Eiſenkörper eindringt. Bei einer dünnwandigen Eiſenröhre wird daher die magne-
tiſche Sättigung raſcher eintreten als bei einem maſſiven Stabe. Folglich muß auch

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[286/0300] Aus Obigem iſt zu erſehen, daß die Bewegung des Eiſenkernes in Folge der auf ihn ausgeübten Anziehungskraft des Solenoides eine ungleichförmige iſt. Sie wird zunächſt bei Annäherung an das Solenoid beſchleunigt, nimmt dann wieder ab und endlich kommt der Stab in Ruhe, indem er eine beſtimmte Stellung ein- nimmt. Dieſe hat er offenbar dann erreicht, wenn Mitte des Stabes und Mitte des Solenoides zuſammenfallen, wie in Fig. 182. Denn, da das Solenoid ſich wie ein Magnet verhält, der bei n ſeinen Nord-, bei s ſeinen Südpol hat, ſo kann man die ganze Bewegungserſcheinung auch als Folge der Einwirkung zweier Magnete aufeinander auffaſſen. Bei dieſem ziehen ſich aber die ungleichnamigen Pole an, während ſich die gleichnamigen abſtoßen; Gleichgewicht wird dann ein- treten, wenn ſich die Anziehungs- und Abſtoßungskräfte das Gleichgewicht halten. In der Stellung Fig. 181 wird jedenfalls der Nordmagnetismus im Stabe bei N viel kräftiger ſein als der Südmagnetismus bei S, weil S viel weiter von der Spirale entfernt iſt; folglich muß die Anziehung zwiſchen N und s die Abſtoßung zwiſchen s und S überwiegen, alſo der Stab ſich gegen die Spirale bewegen. Das Ueberwiegen des Nordmagnetismus im Stabe über deſſen Südmagnetismus muß aber ſo lange andauern, als das Nordende von dem Solenoide kräftiger beeinflußt wird als das Südende, alſo erſteres dem Solenoide näher ſteht. Die Kräfte [Abbildung Fig. 181.] [Abbildung Fig. 182. Wirkung eines Solenoides auf einen Eiſenkern.] werden ſich daher erſt dann das Gleichgewicht halten, wenn Nord- und Südende des Stabes ſich in gleichen Entfernungen von dem Nord- und Südende des Solenoides befinden, d. h. wenn die Mitte des Stabes mit der Mitte des Sole- noides zuſammenfällt. Die Kraft, mit welcher ein Eiſenkern in ein Solenoid hineingezogen wird, kann bei entſprechender Anordnung eine ſehr bedeutende ſein; ein vertical geſtelltes Solenoid iſt im Stande, den Eiſenſtab frei ſchwebend zu erhalten. Verſuche hier- über verdanken wir A. v. Waltenhofen; aus dieſen ergab ſich namentlich die Härte des Stahl- oder Eiſenſtabes als einflußreich. Waltenhofen fand, daß im Solenoide dann der geringſte Stromaufwand nöthig iſt, wenn der Stab aus möglichſt weichem Eiſen gebildet iſt; auch ſtellte er durch Verſuche feſt, daß verhältnißmäßig dünn- wandige weite Eiſenröhren kräftiger angezogen werden, als gleich lange, maſſive Stäbe von gleichem Gewichte. Letzteres gilt jedoch nur innerhalb gewiſſer Grenzen. Iſt nämlich der Stab ſehr dünn oder der Strom ſehr ſtark, ſo erfährt das ganze Verhalten eine Verände- rung. Die Urſache hiervon iſt darin zu ſuchen, daß bei jeder Art Erregung von Magnetismus die Magnetiſirung bis zu einer beſtimmten Tiefe in den Stahl- oder Eiſenkörper eindringt. Bei einer dünnwandigen Eiſenröhre wird daher die magne- tiſche Sättigung raſcher eintreten als bei einem maſſiven Stabe. Folglich muß auch

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Zitationshilfe: Urbanitzky, Alfred von: Die Elektricität im Dienste der Menschheit. Wien; Leipzig, 1885, S. 286. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/urbanitzky_electricitaet_1885/300>, abgerufen am 24.11.2024.