Es ist jedoch nicht nöthig, daß man die bisher betrachteten binären, d. h. nur aus zwei Theilen bestehenden Körper stets in den geschmolzenen Zustand über- führt, um sie durch Elektrolyse zu zersetzen; man kann vielmehr auch ihre Lösungen in Wasser hierzu benutzen. Zinnchlorür, Chlorblei, Manganchlorid etc. können in ihren wässerigen Lösungen durch den galvanischen Strom zerlegt werden. Ebenso zerfallen concentrirte Lösungen von Chlor-, Brom- oder Jodwasserstoff in ihre beiden Be- standtheile. Auch aus den wässerigen Lösungen der Metalloxydhydrate kann bei Anwendung bestimmter Vorsichten das Metall abgeschieden werden; aus Kalilauge das Kalium, indem man auf das als Kathode dienende Quecksilber Kalilauge gießt, in welche ein Platindraht als Anode eingeführt wird. Das an der Kathode sich ausscheidende Kalium verbindet sich sofort mit dem Quecksilber zu Kalium- amalgam, aus welchem man das Kalium durch Destillation erhält. Würde man
[Abbildung]
Fig. 149.
Daniell'scher Zersetzungs-Apparat.
aber blos beliebige Elektroden, z. B. aus Platin, in die Kali- lauge einführen, so würde die Elektrolyse kein metallisches Kalium ergeben. Bei diesem Verfahren wird zwar auch das Kaliumoxyd in Kalium und Sauerstoff so zerlegt, daß sich der Sauerstoff an der Anode, das Kalium an der Kathode ausscheidet, aber das Kalium kommt hier sofort mit Wasser in Berührung, welches es bekannt- lich schon bei gewöhnlicher Tem- peratur zersetzt. Hierbei bildet sich wieder Kaliumoxyd, das sich im Wasser löst, und Wasserstoff, welcher entweicht. Es wird daher, wenn die Elektrolyse in der an- gegebenen Weise ausgeführt wird, an der Kathode Wasserstoff und an der Anode Sauerstoff ent- weichen, gerade so wie bei der Zersetzung des Wassers. Dieses Resultat ist aber nicht durch die Elektrolyse, son- dern durch eine secundäre Wirkung hervorgebracht worden.
Es giebt sehr viele auch complicirter zusammengesetzte Verbindungen, welche sich in wässeriger Lösung durch den galvanischen Strom zersetzen lassen, ohne daß hierbei das Wasser eine andere Rolle als die des Lösungsmittels spielen würde. Häufig wirken jedoch die durch die Elektrolyse ausgeschiedenen Körper aufeinander ein und können so leicht den eigentlich elektrolytischen Vorgang verbergen. Um dies zu vermeiden, trachtet man, die Producte an der Anode und jene an der Kathode voneinander getrennt zu erhalten. Dieser Zweck wurde durch eine Reihe von Apparaten, construirt von verschiedenen Experimentatoren, zu erreichen gesucht. Wir berschreiben im Nachstehenden zwei dieser Apparate.
Daniell benutzte bei den von ihm ausgeführten Versuchen den in Fig. 149 abgebildeten Apparat. Auf das U-förmig gebogene Glasrohr k sind die beiden
Es iſt jedoch nicht nöthig, daß man die bisher betrachteten binären, d. h. nur aus zwei Theilen beſtehenden Körper ſtets in den geſchmolzenen Zuſtand über- führt, um ſie durch Elektrolyſe zu zerſetzen; man kann vielmehr auch ihre Löſungen in Waſſer hierzu benutzen. Zinnchlorür, Chlorblei, Manganchlorid ꝛc. können in ihren wäſſerigen Löſungen durch den galvaniſchen Strom zerlegt werden. Ebenſo zerfallen concentrirte Löſungen von Chlor-, Brom- oder Jodwaſſerſtoff in ihre beiden Be- ſtandtheile. Auch aus den wäſſerigen Löſungen der Metalloxydhydrate kann bei Anwendung beſtimmter Vorſichten das Metall abgeſchieden werden; aus Kalilauge das Kalium, indem man auf das als Kathode dienende Queckſilber Kalilauge gießt, in welche ein Platindraht als Anode eingeführt wird. Das an der Kathode ſich ausſcheidende Kalium verbindet ſich ſofort mit dem Queckſilber zu Kalium- amalgam, aus welchem man das Kalium durch Deſtillation erhält. Würde man
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Fig. 149.
Daniell’ſcher Zerſetzungs-Apparat.
aber blos beliebige Elektroden, z. B. aus Platin, in die Kali- lauge einführen, ſo würde die Elektrolyſe kein metalliſches Kalium ergeben. Bei dieſem Verfahren wird zwar auch das Kaliumoxyd in Kalium und Sauerſtoff ſo zerlegt, daß ſich der Sauerſtoff an der Anode, das Kalium an der Kathode ausſcheidet, aber das Kalium kommt hier ſofort mit Waſſer in Berührung, welches es bekannt- lich ſchon bei gewöhnlicher Tem- peratur zerſetzt. Hierbei bildet ſich wieder Kaliumoxyd, das ſich im Waſſer löſt, und Waſſerſtoff, welcher entweicht. Es wird daher, wenn die Elektrolyſe in der an- gegebenen Weiſe ausgeführt wird, an der Kathode Waſſerſtoff und an der Anode Sauerſtoff ent- weichen, gerade ſo wie bei der Zerſetzung des Waſſers. Dieſes Reſultat iſt aber nicht durch die Elektrolyſe, ſon- dern durch eine ſecundäre Wirkung hervorgebracht worden.
Es giebt ſehr viele auch complicirter zuſammengeſetzte Verbindungen, welche ſich in wäſſeriger Löſung durch den galvaniſchen Strom zerſetzen laſſen, ohne daß hierbei das Waſſer eine andere Rolle als die des Löſungsmittels ſpielen würde. Häufig wirken jedoch die durch die Elektrolyſe ausgeſchiedenen Körper aufeinander ein und können ſo leicht den eigentlich elektrolytiſchen Vorgang verbergen. Um dies zu vermeiden, trachtet man, die Producte an der Anode und jene an der Kathode voneinander getrennt zu erhalten. Dieſer Zweck wurde durch eine Reihe von Apparaten, conſtruirt von verſchiedenen Experimentatoren, zu erreichen geſucht. Wir berſchreiben im Nachſtehenden zwei dieſer Apparate.
Daniell benutzte bei den von ihm ausgeführten Verſuchen den in Fig. 149 abgebildeten Apparat. Auf das U-förmig gebogene Glasrohr k ſind die beiden
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Es iſt jedoch nicht nöthig, daß man die bisher betrachteten binären, d. h.
nur aus zwei Theilen beſtehenden Körper ſtets in den geſchmolzenen Zuſtand über-
führt, um ſie durch Elektrolyſe zu zerſetzen; man kann vielmehr auch ihre Löſungen in
Waſſer hierzu benutzen. Zinnchlorür, Chlorblei, Manganchlorid ꝛc. können in ihren
wäſſerigen Löſungen durch den galvaniſchen Strom zerlegt werden. Ebenſo zerfallen
concentrirte Löſungen von Chlor-, Brom- oder Jodwaſſerſtoff in ihre beiden Be-
ſtandtheile. Auch aus den wäſſerigen Löſungen der Metalloxydhydrate kann bei
Anwendung beſtimmter Vorſichten das Metall abgeſchieden werden; aus Kalilauge
das Kalium, indem man auf das als Kathode dienende Queckſilber Kalilauge
gießt, in welche ein Platindraht als Anode eingeführt wird. Das an der Kathode
ſich ausſcheidende Kalium verbindet ſich ſofort mit dem Queckſilber zu Kalium-
amalgam, aus welchem man das Kalium durch Deſtillation erhält. Würde man
[Abbildung Fig. 149.
Daniell’ſcher Zerſetzungs-Apparat.]
aber blos beliebige Elektroden,
z. B. aus Platin, in die Kali-
lauge einführen, ſo würde die
Elektrolyſe kein metalliſches
Kalium ergeben. Bei dieſem
Verfahren wird zwar auch das
Kaliumoxyd in Kalium und
Sauerſtoff ſo zerlegt, daß ſich
der Sauerſtoff an der Anode,
das Kalium an der Kathode
ausſcheidet, aber das Kalium
kommt hier ſofort mit Waſſer
in Berührung, welches es bekannt-
lich ſchon bei gewöhnlicher Tem-
peratur zerſetzt. Hierbei bildet
ſich wieder Kaliumoxyd, das ſich
im Waſſer löſt, und Waſſerſtoff,
welcher entweicht. Es wird daher,
wenn die Elektrolyſe in der an-
gegebenen Weiſe ausgeführt wird,
an der Kathode Waſſerſtoff und
an der Anode Sauerſtoff ent-
weichen, gerade ſo wie bei der
Zerſetzung des Waſſers. Dieſes Reſultat iſt aber nicht durch die Elektrolyſe, ſon-
dern durch eine ſecundäre Wirkung hervorgebracht worden.
Es giebt ſehr viele auch complicirter zuſammengeſetzte Verbindungen, welche
ſich in wäſſeriger Löſung durch den galvaniſchen Strom zerſetzen laſſen, ohne daß
hierbei das Waſſer eine andere Rolle als die des Löſungsmittels ſpielen würde.
Häufig wirken jedoch die durch die Elektrolyſe ausgeſchiedenen Körper aufeinander
ein und können ſo leicht den eigentlich elektrolytiſchen Vorgang verbergen. Um
dies zu vermeiden, trachtet man, die Producte an der Anode und jene an der
Kathode voneinander getrennt zu erhalten. Dieſer Zweck wurde durch eine Reihe
von Apparaten, conſtruirt von verſchiedenen Experimentatoren, zu erreichen geſucht.
Wir berſchreiben im Nachſtehenden zwei dieſer Apparate.
Daniell benutzte bei den von ihm ausgeführten Verſuchen den in Fig. 149
abgebildeten Apparat. Auf das U-förmig gebogene Glasrohr k ſind die beiden
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Urbanitzky, Alfred von: Die Elektricität im Dienste der Menschheit. Wien; Leipzig, 1885, S. 246. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/urbanitzky_electricitaet_1885/260>, abgerufen am 24.11.2024.
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