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Urbanitzky, Alfred von: Die Elektricität im Dienste der Menschheit. Wien; Leipzig, 1885.

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herbeizuführen. Kohlrausch sucht daher den elektrischen Rückstand als eine Influenz-
erscheinung zu erklären. Er denkt sich die Einwirkung der Elektricitäten der Be-
legungen auf den Zustand des Isolators in ähnlicher Weise wie die Wirkung eines
Magnetes auf ein Stück weichen Eisens. In den Molekülen des Isolators seien
bereits im unelektrischen Zustande die beiden Elektricitäten voneinander getrennt, in
der Weise, daß jedes Molekül einen positiv und einen negativ elektrischen Pol
besitze. Da aber die einzelnen Moleküle des Isolators sich in allen möglichen
Stellungen befinden, erscheint derselbe nach außen hin unelektrisch. Sobald jedoch
der Isolator mit metallischen Belegungen versehen und diesen Elektricität mitgetheilt
wird, so wirkt letztere richtend auf die polarisirten Moleküle des Isolators. Dann
kehren sämmtliche Moleküle ihre positiv elektrischen Pole der negativ elektrisirten
Platte zu, während ihre negativen Pole der positiv elektrisirten Platte zugewandt
werden. Die Gesammtwirkung des Isolators nach außen muß daher die sein, daß
die eine Fläche desselben positiv, die andere aber negativ elektrisch erscheint. Werden
jetzt die Metallplatten entladen, so verschwindet die richtende Kraft und die Moleküle
des Isolators kehren wieder in ihre ursprünglichen Stellungen zurück. Die Rückkehr
erfolgt jedoch nicht augenblicklich, sondern braucht eine gewisse Zeit. Während dieser
können die Moleküle influenzirend auf die Belegungen wirken und diese neuerdings
in derselben Art wie zu Beginn des Versuches, wenn auch schwächer, laden. Diese
Ladung bildet dann den elektrischen Rückstand.

Der von Kohlrausch gegebenen Erklärung schloß sich auch Clausius an,
während Bezold die Faraday'sche Auslegung der Erscheinung aufrecht erhält und
unterstützt. Wüllner suchte durch eine Reihe von Experimenten zwischen beiden
Erklärungen eine Entscheidung herbeizuführen, gelangte aber zu keinem definitiven
Resultate; die Hauptwirkung schreibt er jedoch der Influenz zu.

Die Experimente, welche Wheatstone durchführte, um die Dauer des Ent-
ladungsschlages zu bestimmen, veranlaßten ihn auch, die Fortpflanzungsgeschwin-
digkeit der Elektricität
überhaupt zu untersuchen. Zwar hatten schon Le Monnier
und auch Watson in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhundertes diese zu messen
versucht, erzielten aber beide, wie wir in der Geschichte der Elektricität erfahren
haben, kein Resultat.

Die Methode, deren sich Wheatstone zur Untersuchung der Fortpflanzungs-
geschwindigkeit bediente, ist im Wesentlichen dieselbe, die wir bei der Bestimmung
der Entladungsdauer kennen gelernt haben; sie beruht also auf der Anwendung
eines rotirenden Spiegels. Die Gesammtanordnung ist aus der schematischen Zeich-
nung in Fig. 66 ersichtlich. K ist eine Kleist'sche Flasche, deren Kugel a eine
zweite gleich große Kugel b gegenübergestellt ist. Letztere steht mit der äußeren
Belegung der Flasche in Verbindung. Damit sich die beiden Elektricitäten der
Flasche K vereinigen können, also ein Funke zwischen a und b überspringt, müssen
sie jedoch die Leitungen L L1 und das Funkenbrett F durchlaufen. Wenn wir den
Weg, welchen die Elektricität zu durchlaufen hat, von der äußeren Belegung der
Flasche aus verfolgen, so sehen wir, daß die Elektricität zunächst auf die Kugel 6
des Funkenbrettes gelangt, dann auf die Kugel 5 überspringt, die Leitungen L
durchläuft, zur Kugel 4 kommt, von da auf die Kugel 3 überspringt, die Leitungen L1
passirt, dann von der Kugel 2 auf die Kugel 1 überspringt und endlich durch den
Draht und die Kugel b wieder auf die Flasche zurück nach a gelangt. Der Weg,
welchen die Elektricität der inneren Belegung bei der Entladung zurückzulegen hat
ist derselbe, nur wird er in umgekehrter Richtung gemacht.

herbeizuführen. Kohlrauſch ſucht daher den elektriſchen Rückſtand als eine Influenz-
erſcheinung zu erklären. Er denkt ſich die Einwirkung der Elektricitäten der Be-
legungen auf den Zuſtand des Iſolators in ähnlicher Weiſe wie die Wirkung eines
Magnetes auf ein Stück weichen Eiſens. In den Molekülen des Iſolators ſeien
bereits im unelektriſchen Zuſtande die beiden Elektricitäten voneinander getrennt, in
der Weiſe, daß jedes Molekül einen poſitiv und einen negativ elektriſchen Pol
beſitze. Da aber die einzelnen Moleküle des Iſolators ſich in allen möglichen
Stellungen befinden, erſcheint derſelbe nach außen hin unelektriſch. Sobald jedoch
der Iſolator mit metalliſchen Belegungen verſehen und dieſen Elektricität mitgetheilt
wird, ſo wirkt letztere richtend auf die polariſirten Moleküle des Iſolators. Dann
kehren ſämmtliche Moleküle ihre poſitiv elektriſchen Pole der negativ elektriſirten
Platte zu, während ihre negativen Pole der poſitiv elektriſirten Platte zugewandt
werden. Die Geſammtwirkung des Iſolators nach außen muß daher die ſein, daß
die eine Fläche desſelben poſitiv, die andere aber negativ elektriſch erſcheint. Werden
jetzt die Metallplatten entladen, ſo verſchwindet die richtende Kraft und die Moleküle
des Iſolators kehren wieder in ihre urſprünglichen Stellungen zurück. Die Rückkehr
erfolgt jedoch nicht augenblicklich, ſondern braucht eine gewiſſe Zeit. Während dieſer
können die Moleküle influenzirend auf die Belegungen wirken und dieſe neuerdings
in derſelben Art wie zu Beginn des Verſuches, wenn auch ſchwächer, laden. Dieſe
Ladung bildet dann den elektriſchen Rückſtand.

Der von Kohlrauſch gegebenen Erklärung ſchloß ſich auch Clauſius an,
während Bezold die Faraday’ſche Auslegung der Erſcheinung aufrecht erhält und
unterſtützt. Wüllner ſuchte durch eine Reihe von Experimenten zwiſchen beiden
Erklärungen eine Entſcheidung herbeizuführen, gelangte aber zu keinem definitiven
Reſultate; die Hauptwirkung ſchreibt er jedoch der Influenz zu.

Die Experimente, welche Wheatſtone durchführte, um die Dauer des Ent-
ladungsſchlages zu beſtimmen, veranlaßten ihn auch, die Fortpflanzungsgeſchwin-
digkeit der Elektricität
überhaupt zu unterſuchen. Zwar hatten ſchon Le Monnier
und auch Watſon in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhundertes dieſe zu meſſen
verſucht, erzielten aber beide, wie wir in der Geſchichte der Elektricität erfahren
haben, kein Reſultat.

Die Methode, deren ſich Wheatſtone zur Unterſuchung der Fortpflanzungs-
geſchwindigkeit bediente, iſt im Weſentlichen dieſelbe, die wir bei der Beſtimmung
der Entladungsdauer kennen gelernt haben; ſie beruht alſo auf der Anwendung
eines rotirenden Spiegels. Die Geſammtanordnung iſt aus der ſchematiſchen Zeich-
nung in Fig. 66 erſichtlich. K iſt eine Kleiſt’ſche Flaſche, deren Kugel a eine
zweite gleich große Kugel b gegenübergeſtellt iſt. Letztere ſteht mit der äußeren
Belegung der Flaſche in Verbindung. Damit ſich die beiden Elektricitäten der
Flaſche K vereinigen können, alſo ein Funke zwiſchen a und b überſpringt, müſſen
ſie jedoch die Leitungen L L1 und das Funkenbrett F durchlaufen. Wenn wir den
Weg, welchen die Elektricität zu durchlaufen hat, von der äußeren Belegung der
Flaſche aus verfolgen, ſo ſehen wir, daß die Elektricität zunächſt auf die Kugel 6
des Funkenbrettes gelangt, dann auf die Kugel 5 überſpringt, die Leitungen L
durchläuft, zur Kugel 4 kommt, von da auf die Kugel 3 überſpringt, die Leitungen L1
paſſirt, dann von der Kugel 2 auf die Kugel 1 überſpringt und endlich durch den
Draht und die Kugel b wieder auf die Flaſche zurück nach a gelangt. Der Weg,
welchen die Elektricität der inneren Belegung bei der Entladung zurückzulegen hat
iſt derſelbe, nur wird er in umgekehrter Richtung gemacht.

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[134/0148] herbeizuführen. Kohlrauſch ſucht daher den elektriſchen Rückſtand als eine Influenz- erſcheinung zu erklären. Er denkt ſich die Einwirkung der Elektricitäten der Be- legungen auf den Zuſtand des Iſolators in ähnlicher Weiſe wie die Wirkung eines Magnetes auf ein Stück weichen Eiſens. In den Molekülen des Iſolators ſeien bereits im unelektriſchen Zuſtande die beiden Elektricitäten voneinander getrennt, in der Weiſe, daß jedes Molekül einen poſitiv und einen negativ elektriſchen Pol beſitze. Da aber die einzelnen Moleküle des Iſolators ſich in allen möglichen Stellungen befinden, erſcheint derſelbe nach außen hin unelektriſch. Sobald jedoch der Iſolator mit metalliſchen Belegungen verſehen und dieſen Elektricität mitgetheilt wird, ſo wirkt letztere richtend auf die polariſirten Moleküle des Iſolators. Dann kehren ſämmtliche Moleküle ihre poſitiv elektriſchen Pole der negativ elektriſirten Platte zu, während ihre negativen Pole der poſitiv elektriſirten Platte zugewandt werden. Die Geſammtwirkung des Iſolators nach außen muß daher die ſein, daß die eine Fläche desſelben poſitiv, die andere aber negativ elektriſch erſcheint. Werden jetzt die Metallplatten entladen, ſo verſchwindet die richtende Kraft und die Moleküle des Iſolators kehren wieder in ihre urſprünglichen Stellungen zurück. Die Rückkehr erfolgt jedoch nicht augenblicklich, ſondern braucht eine gewiſſe Zeit. Während dieſer können die Moleküle influenzirend auf die Belegungen wirken und dieſe neuerdings in derſelben Art wie zu Beginn des Verſuches, wenn auch ſchwächer, laden. Dieſe Ladung bildet dann den elektriſchen Rückſtand. Der von Kohlrauſch gegebenen Erklärung ſchloß ſich auch Clauſius an, während Bezold die Faraday’ſche Auslegung der Erſcheinung aufrecht erhält und unterſtützt. Wüllner ſuchte durch eine Reihe von Experimenten zwiſchen beiden Erklärungen eine Entſcheidung herbeizuführen, gelangte aber zu keinem definitiven Reſultate; die Hauptwirkung ſchreibt er jedoch der Influenz zu. Die Experimente, welche Wheatſtone durchführte, um die Dauer des Ent- ladungsſchlages zu beſtimmen, veranlaßten ihn auch, die Fortpflanzungsgeſchwin- digkeit der Elektricität überhaupt zu unterſuchen. Zwar hatten ſchon Le Monnier und auch Watſon in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhundertes dieſe zu meſſen verſucht, erzielten aber beide, wie wir in der Geſchichte der Elektricität erfahren haben, kein Reſultat. Die Methode, deren ſich Wheatſtone zur Unterſuchung der Fortpflanzungs- geſchwindigkeit bediente, iſt im Weſentlichen dieſelbe, die wir bei der Beſtimmung der Entladungsdauer kennen gelernt haben; ſie beruht alſo auf der Anwendung eines rotirenden Spiegels. Die Geſammtanordnung iſt aus der ſchematiſchen Zeich- nung in Fig. 66 erſichtlich. K iſt eine Kleiſt’ſche Flaſche, deren Kugel a eine zweite gleich große Kugel b gegenübergeſtellt iſt. Letztere ſteht mit der äußeren Belegung der Flaſche in Verbindung. Damit ſich die beiden Elektricitäten der Flaſche K vereinigen können, alſo ein Funke zwiſchen a und b überſpringt, müſſen ſie jedoch die Leitungen L L1 und das Funkenbrett F durchlaufen. Wenn wir den Weg, welchen die Elektricität zu durchlaufen hat, von der äußeren Belegung der Flaſche aus verfolgen, ſo ſehen wir, daß die Elektricität zunächſt auf die Kugel 6 des Funkenbrettes gelangt, dann auf die Kugel 5 überſpringt, die Leitungen L durchläuft, zur Kugel 4 kommt, von da auf die Kugel 3 überſpringt, die Leitungen L1 paſſirt, dann von der Kugel 2 auf die Kugel 1 überſpringt und endlich durch den Draht und die Kugel b wieder auf die Flaſche zurück nach a gelangt. Der Weg, welchen die Elektricität der inneren Belegung bei der Entladung zurückzulegen hat iſt derſelbe, nur wird er in umgekehrter Richtung gemacht.

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Zitationshilfe: Urbanitzky, Alfred von: Die Elektricität im Dienste der Menschheit. Wien; Leipzig, 1885, S. 134. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/urbanitzky_electricitaet_1885/148>, abgerufen am 27.11.2024.