würden. Allein es kam bald darauf ein drit- ter herzu, welcher seine Uhr hervorsuchte und auf den Tisch legte. Hier bemerckte ich nun eben dieienigen Veränderungen, welche ich vor- hin an der ersten Uhr gesehen. Da fing ich an zu zweifeln, und es fiel mir sogleich ein, ob nicht die Bewegung der einen Uhr etwan die Ursach wäre, warum der Zeiger auf der andern her- umgetrieben würde. Jch hätte mir in der That diesen Zweifel nicht heben können, wenn nicht zu allem Glück die letztre Uhr abgelaufen wäre, und angefangen hätte stille zu stehen. Es konte mir nichts erwünschters seyn, als die- ses. Denn nunmehro machte ich den Schluß: Wenn die Bewegung iener Uhr die Ursach ge- wesen wäre, daß sich der Zeiger auf dieser be- wegt; so müste ia auch der Zeiger aufgehört haben sich auf dieser Uhr zu bewegen, nach- dem iene stille stand. Da aber dieses nicht ge- schahe; so war ich so vollkommen überzeugt, daß die innere Bewegung der erstern Uhr, das herumlaufen des Zeigers auf eben derselben ver- ursachte, so gewiß ich wuste, daß iene nichts darzu beytragen konte. Auf diese Art habe ich gelernet, wie ich erfahren soll, ob diese oder ie- ne Sache eine gewisse Würckung verrichte, ob mir gleich das Wesen derselben unbekandt ist. Denn ich abstrahirte mir hernachmals, aus vorigen Exempel folgende Regeln: wenn ich zwey Dinge vor mir habe, deren innere Be- schaffenheit mir gäntzlich unbekandt ist; so muß
ich
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wuͤrden. Allein es kam bald darauf ein drit- ter herzu, welcher ſeine Uhr hervorſuchte und auf den Tiſch legte. Hier bemerckte ich nun eben dieienigen Veraͤnderungen, welche ich vor- hin an der erſten Uhr geſehen. Da fing ich an zu zweifeln, und es fiel mir ſogleich ein, ob nicht die Bewegung der einen Uhr etwan die Urſach waͤre, warum der Zeiger auf der andern her- umgetrieben wuͤrde. Jch haͤtte mir in der That dieſen Zweifel nicht heben koͤnnen, wenn nicht zu allem Gluͤck die letztre Uhr abgelaufen waͤre, und angefangen haͤtte ſtille zu ſtehen. Es konte mir nichts erwuͤnſchters ſeyn, als die- ſes. Denn nunmehro machte ich den Schluß: Wenn die Bewegung iener Uhr die Urſach ge- weſen waͤre, daß ſich der Zeiger auf dieſer be- wegt; ſo muͤſte ia auch der Zeiger aufgehoͤrt haben ſich auf dieſer Uhr zu bewegen, nach- dem iene ſtille ſtand. Da aber dieſes nicht ge- ſchahe; ſo war ich ſo vollkommen uͤberzeugt, daß die innere Bewegung der erſtern Uhr, das herumlaufen des Zeigers auf eben derſelben ver- urſachte, ſo gewiß ich wuſte, daß iene nichts darzu beytragen konte. Auf dieſe Art habe ich gelernet, wie ich erfahren ſoll, ob dieſe oder ie- ne Sache eine gewiſſe Wuͤrckung verrichte, ob mir gleich das Weſen derſelben unbekandt iſt. Denn ich abſtrahirte mir hernachmals, aus vorigen Exempel folgende Regeln: wenn ich zwey Dinge vor mir habe, deren innere Be- ſchaffenheit mir gaͤntzlich unbekandt iſt; ſo muß
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wuͤrden. Allein es kam bald darauf ein drit-
ter herzu, welcher ſeine Uhr hervorſuchte und
auf den Tiſch legte. Hier bemerckte ich nun
eben dieienigen Veraͤnderungen, welche ich vor-
hin an der erſten Uhr geſehen. Da fing ich an
zu zweifeln, und es fiel mir ſogleich ein, ob nicht
die Bewegung der einen Uhr etwan die Urſach
waͤre, warum der Zeiger auf der andern her-
umgetrieben wuͤrde. Jch haͤtte mir in der
That dieſen Zweifel nicht heben koͤnnen, wenn
nicht zu allem Gluͤck die letztre Uhr abgelaufen
waͤre, und angefangen haͤtte ſtille zu ſtehen.
Es konte mir nichts erwuͤnſchters ſeyn, als die-
ſes. Denn nunmehro machte ich den Schluß:
Wenn die Bewegung iener Uhr die Urſach ge-
weſen waͤre, daß ſich der Zeiger auf dieſer be-
wegt; ſo muͤſte ia auch der Zeiger aufgehoͤrt
haben ſich auf dieſer Uhr zu bewegen, nach-
dem iene ſtille ſtand. Da aber dieſes nicht ge-
ſchahe; ſo war ich ſo vollkommen uͤberzeugt,
daß die innere Bewegung der erſtern Uhr, das
herumlaufen des Zeigers auf eben derſelben ver-
urſachte, ſo gewiß ich wuſte, daß iene nichts
darzu beytragen konte. Auf dieſe Art habe ich
gelernet, wie ich erfahren ſoll, ob dieſe oder ie-
ne Sache eine gewiſſe Wuͤrckung verrichte,
ob mir gleich das Weſen derſelben unbekandt
iſt. Denn ich abſtrahirte mir hernachmals,
aus vorigen Exempel folgende Regeln: wenn
ich zwey Dinge vor mir habe, deren innere Be-
ſchaffenheit mir gaͤntzlich unbekandt iſt; ſo muß
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Unzer, Johann August: Gedanken vom Einfluß der Seele in ihren Körper. Halle (Saale), 1746, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_gedanken_1746/85>, abgerufen am 16.02.2025.
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