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Unzer, Johann August: Gedanken vom Einfluß der Seele in ihren Körper. Halle (Saale), 1746.

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Wenn man nun bestimmen will, wie man es
anfangen solle, um eine Ursach von einer Wür-
ckung zu unterscheiden; so muß man zum
Voraus setzen, daß A und B beständig mit ein-
ander verbunden sind. Nun geben uns die
Philosophen folgende Regel: Wenn A ist,
und
B ist auch; wenn A nicht ist, und B
ist auch nicht; so ist, wenn sich dieses alle-
mal zuträgt,
A die Ursach von B. Jch
will ein Exempel anführen, von welchen kein
vernünftiger Mensch zweifeln wird, daß das
eine die Ursach von dem andern sey. Setzet
A sey die Sonne, und B sey das Licht; so ist
A allemahl; so bald B ist, und A ist allemahl
nicht zugegen, wenn B abwesend ist; also ist A
die Ursach von B. Jch glaube es wird mir
niemand läugnen, daß die Sonne die Ursach
des Lichts sey; allein alsdenn wird man sich
auch genöthiget sehen, zuzugeben, daß man zu
Erkenntniß dieser Wahrheit, sich nothwendig
folgenden Schlusses habe bedienen müssen:
Wenn die Sonne am Himmel steht, so ist es
Licht, wenn die Sonne nicht zugegen ist, so
ist es nicht Licht, und dieses ist allemal also:
also ist die Sonne die Ursache des Lichts. Wo-
her weiß ich, daß die Regenwolcken, den Re-
gen verursachen? Blos daher, weil es niemals
regnet, wenn keine Regenwolcke vorhanden ist,
und daß es allemal an einem Orte regne, wenn
sich eine solche Wolcke zeiget. Jch könte meh-
rere Exempel hiervon anführen, wenn ich nicht

glaubte,

Wenn man nun beſtimmen will, wie man es
anfangen ſolle, um eine Urſach von einer Wuͤr-
ckung zu unterſcheiden; ſo muß man zum
Voraus ſetzen, daß A und B beſtaͤndig mit ein-
ander verbunden ſind. Nun geben uns die
Philoſophen folgende Regel: Wenn A iſt,
und
B iſt auch; wenn A nicht iſt, und B
iſt auch nicht; ſo iſt, wenn ſich dieſes alle-
mal zutraͤgt,
A die Urſach von B. Jch
will ein Exempel anfuͤhren, von welchen kein
vernuͤnftiger Menſch zweifeln wird, daß das
eine die Urſach von dem andern ſey. Setzet
A ſey die Sonne, und B ſey das Licht; ſo iſt
A allemahl; ſo bald B iſt, und A iſt allemahl
nicht zugegen, wenn B abweſend iſt; alſo iſt A
die Urſach von B. Jch glaube es wird mir
niemand laͤugnen, daß die Sonne die Urſach
des Lichts ſey; allein alsdenn wird man ſich
auch genoͤthiget ſehen, zuzugeben, daß man zu
Erkenntniß dieſer Wahrheit, ſich nothwendig
folgenden Schluſſes habe bedienen muͤſſen:
Wenn die Sonne am Himmel ſteht, ſo iſt es
Licht, wenn die Sonne nicht zugegen iſt, ſo
iſt es nicht Licht, und dieſes iſt allemal alſo:
alſo iſt die Sonne die Urſache des Lichts. Wo-
her weiß ich, daß die Regenwolcken, den Re-
gen verurſachen? Blos daher, weil es niemals
regnet, wenn keine Regenwolcke vorhanden iſt,
und daß es allemal an einem Orte regne, wenn
ſich eine ſolche Wolcke zeiget. Jch koͤnte meh-
rere Exempel hiervon anfuͤhren, wenn ich nicht

glaubte,
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[46/0076] Wenn man nun beſtimmen will, wie man es anfangen ſolle, um eine Urſach von einer Wuͤr- ckung zu unterſcheiden; ſo muß man zum Voraus ſetzen, daß A und B beſtaͤndig mit ein- ander verbunden ſind. Nun geben uns die Philoſophen folgende Regel: Wenn A iſt, und B iſt auch; wenn A nicht iſt, und B iſt auch nicht; ſo iſt, wenn ſich dieſes alle- mal zutraͤgt, A die Urſach von B. Jch will ein Exempel anfuͤhren, von welchen kein vernuͤnftiger Menſch zweifeln wird, daß das eine die Urſach von dem andern ſey. Setzet A ſey die Sonne, und B ſey das Licht; ſo iſt A allemahl; ſo bald B iſt, und A iſt allemahl nicht zugegen, wenn B abweſend iſt; alſo iſt A die Urſach von B. Jch glaube es wird mir niemand laͤugnen, daß die Sonne die Urſach des Lichts ſey; allein alsdenn wird man ſich auch genoͤthiget ſehen, zuzugeben, daß man zu Erkenntniß dieſer Wahrheit, ſich nothwendig folgenden Schluſſes habe bedienen muͤſſen: Wenn die Sonne am Himmel ſteht, ſo iſt es Licht, wenn die Sonne nicht zugegen iſt, ſo iſt es nicht Licht, und dieſes iſt allemal alſo: alſo iſt die Sonne die Urſache des Lichts. Wo- her weiß ich, daß die Regenwolcken, den Re- gen verurſachen? Blos daher, weil es niemals regnet, wenn keine Regenwolcke vorhanden iſt, und daß es allemal an einem Orte regne, wenn ſich eine ſolche Wolcke zeiget. Jch koͤnte meh- rere Exempel hiervon anfuͤhren, wenn ich nicht glaubte,

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Zitationshilfe: Unzer, Johann August: Gedanken vom Einfluß der Seele in ihren Körper. Halle (Saale), 1746, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_gedanken_1746/76>, abgerufen am 22.11.2024.