Licht erlangen. Es giebt Leute, welche die anziehende Kraft derer Körper läugnen. Viel- leicht bedienen sich dieselben der Maxime, das- ienige zu läugnen, was ihrer Vernunft zu hoch ist. Viele verwerfen die Möglichkeit dessen, daß die Sele in den Körper würcken könne. Solte der Grund davon vielleicht darin zu su- chen seyn, daß sie sich nach ihren einmal ge- faßten Vorurtheile von der Beschaffenheit der Sele, nicht einbilden können, wie dieses möglich sey? Beynahe solte ich auf die Gedan- cken gerathen, daß man mit der Zeit anfan- gen würde, an unsern eigenen Vorstellungen zu zweifeln, weil niemand begreiffen kan, wie uns dieselben zukommen können.
§. 5.
Die beyden vorerzählten Meinungen sind so abgeschmackt, daß es überflüßig seyn würde, wenn man sich die Mühe geben wolte, sie zu wiederlegen. Nunmehro kommen wir auf die Meinung derer Materialisten, welche sich schon einige Mühe gegeben haben, die Har- monie zwischen der Sele und dem Körper be- greiflich zu machen. Sie behaupten gerade das Gegentheil von dem, was die Jdealisten glauben. Jhre Meinung geht nemlich dahin, daß sie ihre Sele vor kein einfaches Ding hal- ten, sondern vielmehr wollen, daß sie eine Materie sey. Sie theilen sich in verschiedene Secten, welche wir alle nach der Reihe be- trachten müssen. Einige läugnen die Würck-
lichkeit
Licht erlangen. Es giebt Leute, welche die anziehende Kraft derer Koͤrper laͤugnen. Viel- leicht bedienen ſich dieſelben der Maxime, das- ienige zu laͤugnen, was ihrer Vernunft zu hoch iſt. Viele verwerfen die Moͤglichkeit deſſen, daß die Sele in den Koͤrper wuͤrcken koͤnne. Solte der Grund davon vielleicht darin zu ſu- chen ſeyn, daß ſie ſich nach ihren einmal ge- faßten Vorurtheile von der Beſchaffenheit der Sele, nicht einbilden koͤnnen, wie dieſes moͤglich ſey? Beynahe ſolte ich auf die Gedan- cken gerathen, daß man mit der Zeit anfan- gen wuͤrde, an unſern eigenen Vorſtellungen zu zweifeln, weil niemand begreiffen kan, wie uns dieſelben zukommen koͤnnen.
§. 5.
Die beyden vorerzaͤhlten Meinungen ſind ſo abgeſchmackt, daß es uͤberfluͤßig ſeyn wuͤrde, wenn man ſich die Muͤhe geben wolte, ſie zu wiederlegen. Nunmehro kommen wir auf die Meinung derer Materialiſten, welche ſich ſchon einige Muͤhe gegeben haben, die Har- monie zwiſchen der Sele und dem Koͤrper be- greiflich zu machen. Sie behaupten gerade das Gegentheil von dem, was die Jdealiſten glauben. Jhre Meinung geht nemlich dahin, daß ſie ihre Sele vor kein einfaches Ding hal- ten, ſondern vielmehr wollen, daß ſie eine Materie ſey. Sie theilen ſich in verſchiedene Secten, welche wir alle nach der Reihe be- trachten muͤſſen. Einige laͤugnen die Wuͤrck-
lichkeit
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Licht erlangen. Es giebt Leute, welche die
anziehende Kraft derer Koͤrper laͤugnen. Viel-
leicht bedienen ſich dieſelben der Maxime, das-
ienige zu laͤugnen, was ihrer Vernunft zu hoch
iſt. Viele verwerfen die Moͤglichkeit deſſen,
daß die Sele in den Koͤrper wuͤrcken koͤnne.
Solte der Grund davon vielleicht darin zu ſu-
chen ſeyn, daß ſie ſich nach ihren einmal ge-
faßten Vorurtheile von der Beſchaffenheit der
Sele, nicht einbilden koͤnnen, wie dieſes
moͤglich ſey? Beynahe ſolte ich auf die Gedan-
cken gerathen, daß man mit der Zeit anfan-
gen wuͤrde, an unſern eigenen Vorſtellungen
zu zweifeln, weil niemand begreiffen kan, wie
uns dieſelben zukommen koͤnnen.
§. 5.
Die beyden vorerzaͤhlten Meinungen ſind
ſo abgeſchmackt, daß es uͤberfluͤßig ſeyn wuͤrde,
wenn man ſich die Muͤhe geben wolte, ſie zu
wiederlegen. Nunmehro kommen wir auf die
Meinung derer Materialiſten, welche ſich
ſchon einige Muͤhe gegeben haben, die Har-
monie zwiſchen der Sele und dem Koͤrper be-
greiflich zu machen. Sie behaupten gerade
das Gegentheil von dem, was die Jdealiſten
glauben. Jhre Meinung geht nemlich dahin,
daß ſie ihre Sele vor kein einfaches Ding hal-
ten, ſondern vielmehr wollen, daß ſie eine
Materie ſey. Sie theilen ſich in verſchiedene
Secten, welche wir alle nach der Reihe be-
trachten muͤſſen. Einige laͤugnen die Wuͤrck-
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Unzer, Johann August: Gedanken vom Einfluß der Seele in ihren Körper. Halle (Saale), 1746, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_gedanken_1746/42>, abgerufen am 27.07.2024.
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