Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Unzer, Johann August: Gedanken vom Einfluß der Seele in ihren Körper. Halle (Saale), 1746.

Bild:
<< vorherige Seite

Vorrede.
gantz andre Beschaffenheit. Euclides
und Neuton waren nicht so wol Phi-
losophen, als vielmehr Mathematick-
verständige. Die Mathematick aber
führet eine so gute Diät, daß sie im-
mer bey ihren alten Gewohnheiten
bleibt, weil sie dieselben einmal ihr
dienlich befunden. Daher kommt es,
daß sie sich so lange hinbringt, ohne
zu vergehen, und ich glaube, daß sie
ewig leben werde, da sie ein Geheim-
niß besitzt, allen Wissenschaften vor
dem Verfalle zu helfen, wenn sie sich
nur bey ihr Raths erholten. Diese
Universalartzney beschützet sie vor al-
len Zufällen, und dieienigen Men-
schen sind weise und ehrwürdig, welche
suchen ihre Wissenschaften, durch das-
jenige Mittel, welche sie nur bey der
Meßkunst allein finden können, auf-
recht zu erhalten und höher zu treiben.
Gleich wie ich nun von derienigen Leh-
re, die in gegenwärtigen Blättern
vorgetragen wird, nichtsweniger be-
haupten kan, als daß sie die Mathe-
matick zu ihrem Leibartzte hätte; so

muß
B 2

Vorrede.
gantz andre Beſchaffenheit. Euclides
und Neuton waren nicht ſo wol Phi-
loſophen, als vielmehr Mathematick-
verſtaͤndige. Die Mathematick aber
fuͤhret eine ſo gute Diaͤt, daß ſie im-
mer bey ihren alten Gewohnheiten
bleibt, weil ſie dieſelben einmal ihr
dienlich befunden. Daher kommt es,
daß ſie ſich ſo lange hinbringt, ohne
zu vergehen, und ich glaube, daß ſie
ewig leben werde, da ſie ein Geheim-
niß beſitzt, allen Wiſſenſchaften vor
dem Verfalle zu helfen, wenn ſie ſich
nur bey ihr Raths erholten. Dieſe
Univerſalartzney beſchuͤtzet ſie vor al-
len Zufaͤllen, und dieienigen Men-
ſchen ſind weiſe und ehrwuͤrdig, welche
ſuchen ihre Wiſſenſchaften, durch das-
jenige Mittel, welche ſie nur bey der
Meßkunſt allein finden koͤnnen, auf-
recht zu erhalten und hoͤher zu treiben.
Gleich wie ich nun von derienigen Leh-
re, die in gegenwaͤrtigen Blaͤttern
vorgetragen wird, nichtsweniger be-
haupten kan, als daß ſie die Mathe-
matick zu ihrem Leibartzte haͤtte; ſo

muß
B 2
<TEI>
  <text>
    <front>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0023"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Vorrede.</hi></fw><lb/>
gantz andre Be&#x017F;chaffenheit. Euclides<lb/>
und Neuton waren nicht &#x017F;o wol Phi-<lb/>
lo&#x017F;ophen, als vielmehr Mathematick-<lb/>
ver&#x017F;ta&#x0364;ndige. Die Mathematick aber<lb/>
fu&#x0364;hret eine &#x017F;o gute Dia&#x0364;t, daß &#x017F;ie im-<lb/>
mer bey ihren alten Gewohnheiten<lb/>
bleibt, weil &#x017F;ie die&#x017F;elben einmal ihr<lb/>
dienlich befunden. Daher kommt es,<lb/>
daß &#x017F;ie &#x017F;ich &#x017F;o lange hinbringt, ohne<lb/>
zu vergehen, und ich glaube, daß &#x017F;ie<lb/>
ewig leben werde, da &#x017F;ie ein Geheim-<lb/>
niß be&#x017F;itzt, allen Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaften vor<lb/>
dem Verfalle zu helfen, wenn &#x017F;ie &#x017F;ich<lb/>
nur bey ihr Raths erholten. Die&#x017F;e<lb/>
Univer&#x017F;alartzney be&#x017F;chu&#x0364;tzet &#x017F;ie vor al-<lb/>
len Zufa&#x0364;llen, und dieienigen Men-<lb/>
&#x017F;chen &#x017F;ind wei&#x017F;e und ehrwu&#x0364;rdig, welche<lb/>
&#x017F;uchen ihre Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaften, durch das-<lb/>
jenige Mittel, welche &#x017F;ie nur bey der<lb/>
Meßkun&#x017F;t allein finden ko&#x0364;nnen, auf-<lb/>
recht zu erhalten und ho&#x0364;her zu treiben.<lb/>
Gleich wie ich nun von derienigen Leh-<lb/>
re, die in gegenwa&#x0364;rtigen Bla&#x0364;ttern<lb/>
vorgetragen wird, nichtsweniger be-<lb/>
haupten kan, als daß &#x017F;ie die Mathe-<lb/>
matick zu ihrem Leibartzte ha&#x0364;tte; &#x017F;o<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">B 2</fw><fw place="bottom" type="catch">muß</fw><lb/></p>
      </div>
    </front>
  </text>
</TEI>
[0023] Vorrede. gantz andre Beſchaffenheit. Euclides und Neuton waren nicht ſo wol Phi- loſophen, als vielmehr Mathematick- verſtaͤndige. Die Mathematick aber fuͤhret eine ſo gute Diaͤt, daß ſie im- mer bey ihren alten Gewohnheiten bleibt, weil ſie dieſelben einmal ihr dienlich befunden. Daher kommt es, daß ſie ſich ſo lange hinbringt, ohne zu vergehen, und ich glaube, daß ſie ewig leben werde, da ſie ein Geheim- niß beſitzt, allen Wiſſenſchaften vor dem Verfalle zu helfen, wenn ſie ſich nur bey ihr Raths erholten. Dieſe Univerſalartzney beſchuͤtzet ſie vor al- len Zufaͤllen, und dieienigen Men- ſchen ſind weiſe und ehrwuͤrdig, welche ſuchen ihre Wiſſenſchaften, durch das- jenige Mittel, welche ſie nur bey der Meßkunſt allein finden koͤnnen, auf- recht zu erhalten und hoͤher zu treiben. Gleich wie ich nun von derienigen Leh- re, die in gegenwaͤrtigen Blaͤttern vorgetragen wird, nichtsweniger be- haupten kan, als daß ſie die Mathe- matick zu ihrem Leibartzte haͤtte; ſo muß B 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_gedanken_1746
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_gedanken_1746/23
Zitationshilfe: Unzer, Johann August: Gedanken vom Einfluß der Seele in ihren Körper. Halle (Saale), 1746, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_gedanken_1746/23>, abgerufen am 24.11.2024.