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Unzer, Johann August: Gedanken vom Einfluß der Seele in ihren Körper. Halle (Saale), 1746.

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Vorrede.
verrathen so viel Unwissenheit in nütz-
lichen und so viel Wissenschaft in un-
nützlichen Dingen, daß es das Ansehen
hat, als dienten sie nur darzu, die
Natur mit ihren Handlungen zu ergö-
tzen. Die allermeisten Beschäftigun-
gen der Gelehrten bestehen nur allein
in Wiederlegen und Erfinden. Sie
wiederlegen alte Meinungen um neue
erfinden zu können, und erfinden
Neuigkeiten, um in kurtzen wiederum
wiederlegt zu werden. Man besinne
sich nur auf die Bemühungen eines
Cartesius, eines Leibnitz und anderer,
deren Nahmen bey uns so viel Aufse-
hen verursachen. Jener wiederlegte
die Jnfluxionisten, er erfand die Mei-
nung derer Occasionalisten, und also
konte es nicht fehlen, daß ihn die
Harmonisten wiederum wiederlegten.
Vom ersten Anfange der Gelehrsam-
keit ist dieses Verfahren Mode gewe-
sen, und man kan derohalben gewiß
glauben, daß eine neue Meinung ihre
Wiederleger finde, so bald sie etwas
alt geworden ist, Bey so gestalten

Sachen

Vorrede.
verrathen ſo viel Unwiſſenheit in nuͤtz-
lichen und ſo viel Wiſſenſchaft in un-
nuͤtzlichen Dingen, daß es das Anſehen
hat, als dienten ſie nur darzu, die
Natur mit ihren Handlungen zu ergoͤ-
tzen. Die allermeiſten Beſchaͤftigun-
gen der Gelehrten beſtehen nur allein
in Wiederlegen und Erfinden. Sie
wiederlegen alte Meinungen um neue
erfinden zu koͤnnen, und erfinden
Neuigkeiten, um in kurtzen wiederum
wiederlegt zu werden. Man beſinne
ſich nur auf die Bemuͤhungen eines
Carteſius, eines Leibnitz und anderer,
deren Nahmen bey uns ſo viel Aufſe-
hen verurſachen. Jener wiederlegte
die Jnfluxioniſten, er erfand die Mei-
nung derer Occaſionaliſten, und alſo
konte es nicht fehlen, daß ihn die
Harmoniſten wiederum wiederlegten.
Vom erſten Anfange der Gelehrſam-
keit iſt dieſes Verfahren Mode gewe-
ſen, und man kan derohalben gewiß
glauben, daß eine neue Meinung ihre
Wiederleger finde, ſo bald ſie etwas
alt geworden iſt, Bey ſo geſtalten

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[0020] Vorrede. verrathen ſo viel Unwiſſenheit in nuͤtz- lichen und ſo viel Wiſſenſchaft in un- nuͤtzlichen Dingen, daß es das Anſehen hat, als dienten ſie nur darzu, die Natur mit ihren Handlungen zu ergoͤ- tzen. Die allermeiſten Beſchaͤftigun- gen der Gelehrten beſtehen nur allein in Wiederlegen und Erfinden. Sie wiederlegen alte Meinungen um neue erfinden zu koͤnnen, und erfinden Neuigkeiten, um in kurtzen wiederum wiederlegt zu werden. Man beſinne ſich nur auf die Bemuͤhungen eines Carteſius, eines Leibnitz und anderer, deren Nahmen bey uns ſo viel Aufſe- hen verurſachen. Jener wiederlegte die Jnfluxioniſten, er erfand die Mei- nung derer Occaſionaliſten, und alſo konte es nicht fehlen, daß ihn die Harmoniſten wiederum wiederlegten. Vom erſten Anfange der Gelehrſam- keit iſt dieſes Verfahren Mode gewe- ſen, und man kan derohalben gewiß glauben, daß eine neue Meinung ihre Wiederleger finde, ſo bald ſie etwas alt geworden iſt, Bey ſo geſtalten Sachen

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Zitationshilfe: Unzer, Johann August: Gedanken vom Einfluß der Seele in ihren Körper. Halle (Saale), 1746, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_gedanken_1746/20>, abgerufen am 23.11.2024.