erweiset, daß die Sache unmöglich sey. Wenn man aber sagt: die Sele ist eine Monade die durch ihre eigene Kraft alle Vorstellungen wür- cket; so wird man bey mir nichts ausrichten, da ich diese Erklärung nicht annehme. Jch halte davor, daß wir uns der wenigsten Din- ge würden bewust seyn, wenn wir keine Em- pfindungen hätten. Denn daß die Gedan- cken der Sele innere Bestimmungen derselben seyn solten, kan nur denenienigen einfallen, welche an sich erfahren, daß ehe sie einen Ge- dancken haben, sie allemal erst dencken müssen: du kanst dencken: also wilst du an das oder ienes gedencken. Eine Erfahrung die ich allen Leuten mißgönne, weil ich allein so unglücklich zu seyn scheine, sie an mir nicht wahrzuneh- men!
§. 55.
Eine neue Bestätigung der stahlianischen Lehre, welches eine Erfahrung ist, an welcher ich in dem Collegio Clinico des berühmten Heren Professors Juncker, selbst Theil zu nehmen, das Glück gehabt, verlängert diese Schrift noch um einen einzigen Absatz. Eine Frauensperson beklagte sich, daß sie allemal gegen die Zeit, da die Uhr die Stunden schlug, empfindliches Reissen im Kopfe und besonders über dem einen Auge hätte. Es war eben um die Zeit, daß es Dreyviertel auf neun Uhr ge- schlagen hatte, da sie den Paroxismum bekam. Dreyviertelstunden war sie allemal frey, und
eine
erweiſet, daß die Sache unmoͤglich ſey. Wenn man aber ſagt: die Sele iſt eine Monade die durch ihre eigene Kraft alle Vorſtellungen wuͤr- cket; ſo wird man bey mir nichts ausrichten, da ich dieſe Erklaͤrung nicht annehme. Jch halte davor, daß wir uns der wenigſten Din- ge wuͤrden bewuſt ſeyn, wenn wir keine Em- pfindungen haͤtten. Denn daß die Gedan- cken der Sele innere Beſtimmungen derſelben ſeyn ſolten, kan nur denenienigen einfallen, welche an ſich erfahren, daß ehe ſie einen Ge- dancken haben, ſie allemal erſt dencken muͤſſen: du kanſt dencken: alſo wilſt du an das oder ienes gedencken. Eine Erfahrung die ich allen Leuten mißgoͤnne, weil ich allein ſo ungluͤcklich zu ſeyn ſcheine, ſie an mir nicht wahrzuneh- men!
§. 55.
Eine neue Beſtaͤtigung der ſtahlianiſchen Lehre, welches eine Erfahrung iſt, an welcher ich in dem Collegio Clinico des beruͤhmten Heren Profeſſors Juncker, ſelbſt Theil zu nehmen, das Gluͤck gehabt, verlaͤngert dieſe Schrift noch um einen einzigen Abſatz. Eine Frauensperſon beklagte ſich, daß ſie allemal gegen die Zeit, da die Uhr die Stunden ſchlug, empfindliches Reiſſen im Kopfe und beſonders uͤber dem einen Auge haͤtte. Es war eben um die Zeit, daß es Dreyviertel auf neun Uhr ge- ſchlagen hatte, da ſie den Paroxismum bekam. Dreyviertelſtunden war ſie allemal frey, und
eine
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0178"n="148"/>
erweiſet, daß die Sache unmoͤglich ſey. Wenn<lb/>
man aber ſagt: die Sele iſt eine Monade die<lb/>
durch ihre eigene Kraft alle Vorſtellungen wuͤr-<lb/>
cket; ſo wird man bey mir nichts ausrichten,<lb/>
da ich dieſe Erklaͤrung nicht annehme. Jch<lb/>
halte davor, daß wir uns der wenigſten Din-<lb/>
ge wuͤrden bewuſt ſeyn, wenn wir keine Em-<lb/>
pfindungen haͤtten. Denn daß die Gedan-<lb/>
cken der Sele innere Beſtimmungen derſelben<lb/>ſeyn ſolten, kan nur denenienigen einfallen,<lb/>
welche an ſich erfahren, daß ehe ſie einen Ge-<lb/>
dancken haben, ſie allemal erſt dencken muͤſſen:<lb/>
du kanſt dencken: alſo wilſt du an das oder<lb/>
ienes gedencken. Eine Erfahrung die ich allen<lb/>
Leuten mißgoͤnne, weil ich allein ſo ungluͤcklich<lb/>
zu ſeyn ſcheine, ſie an mir nicht wahrzuneh-<lb/>
men!</p></div><lb/><divn="2"><head>§. 55.</head><lb/><p>Eine neue Beſtaͤtigung der ſtahlianiſchen<lb/>
Lehre, welches eine Erfahrung iſt, an welcher<lb/>
ich in dem <hirendition="#aq">Collegio Clinico</hi> des <hirendition="#fr">beruͤhmten<lb/>
Heren Profeſſors Juncker,</hi>ſelbſt Theil zu<lb/>
nehmen, das Gluͤck gehabt, verlaͤngert dieſe<lb/>
Schrift noch um einen einzigen Abſatz. Eine<lb/>
Frauensperſon beklagte ſich, daß ſie allemal<lb/>
gegen die Zeit, da die Uhr die Stunden ſchlug,<lb/>
empfindliches Reiſſen im Kopfe und beſonders<lb/>
uͤber dem einen Auge haͤtte. Es war eben um<lb/>
die Zeit, daß es Dreyviertel auf neun Uhr ge-<lb/>ſchlagen hatte, da ſie den Paroxismum bekam.<lb/>
Dreyviertelſtunden war ſie allemal frey, und<lb/><fwplace="bottom"type="catch">eine</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[148/0178]
erweiſet, daß die Sache unmoͤglich ſey. Wenn
man aber ſagt: die Sele iſt eine Monade die
durch ihre eigene Kraft alle Vorſtellungen wuͤr-
cket; ſo wird man bey mir nichts ausrichten,
da ich dieſe Erklaͤrung nicht annehme. Jch
halte davor, daß wir uns der wenigſten Din-
ge wuͤrden bewuſt ſeyn, wenn wir keine Em-
pfindungen haͤtten. Denn daß die Gedan-
cken der Sele innere Beſtimmungen derſelben
ſeyn ſolten, kan nur denenienigen einfallen,
welche an ſich erfahren, daß ehe ſie einen Ge-
dancken haben, ſie allemal erſt dencken muͤſſen:
du kanſt dencken: alſo wilſt du an das oder
ienes gedencken. Eine Erfahrung die ich allen
Leuten mißgoͤnne, weil ich allein ſo ungluͤcklich
zu ſeyn ſcheine, ſie an mir nicht wahrzuneh-
men!
§. 55.
Eine neue Beſtaͤtigung der ſtahlianiſchen
Lehre, welches eine Erfahrung iſt, an welcher
ich in dem Collegio Clinico des beruͤhmten
Heren Profeſſors Juncker, ſelbſt Theil zu
nehmen, das Gluͤck gehabt, verlaͤngert dieſe
Schrift noch um einen einzigen Abſatz. Eine
Frauensperſon beklagte ſich, daß ſie allemal
gegen die Zeit, da die Uhr die Stunden ſchlug,
empfindliches Reiſſen im Kopfe und beſonders
uͤber dem einen Auge haͤtte. Es war eben um
die Zeit, daß es Dreyviertel auf neun Uhr ge-
ſchlagen hatte, da ſie den Paroxismum bekam.
Dreyviertelſtunden war ſie allemal frey, und
eine
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Unzer, Johann August: Gedanken vom Einfluß der Seele in ihren Körper. Halle (Saale), 1746, S. 148. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_gedanken_1746/178>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.