willigen könten. Und daher habe ich mich be- mühet, selbige hier zu versuchen. Unter denen- ienigen, welche zu ietziger Zeit mit mir die Hör- säle der Artzneyverständigen besuchen, habe ich bemerckt, daß einige, welche sich bemühen, Mechanisten zu werden, sehr lächerlich ausse- hen, wenn sie in die Hörsäle derer Stahlianer kommen. Diese müssen ohnfehlbar noch nicht so viel Zeit gehabt haben, zu überlegen, daß wo sie nicht behaupten wollen, die Sonne sey nicht die Ursache des Lichts, sie nichts anders glauben können, als was die Stahlianer glau- ben. Denn ihre Lehrsätze sind so beschaffen, daß sie mir zugeben müssen, es könten alle diese Bewegungen, welche wir ietzo vorneh- men, nicht vor sich gehen, wenn wir keine Sele hätten. Eben dieses sagen auch die Stahlianer. Denn daß sie die Strucktur des Körpers nicht hintan setzen, wenn sie von de- nen Veränderungen des Körpers urtheilen, solches muß iederman wissen, wer dasienige verstehet, was sie behaupten. Sie sagen zum Exempel, daß die Verdauung der Speise, der Selen zuzuschreiben sey, und die Möglichkeit darzu nehmen sie von der künstlichen Struck- tur des Magens her, ob sie gleich behaupten, daß die Verdauung nicht von statten gehen würde, wofern nicht die Sele das ihrige darzu beytrüge: Denn sonst müste ein todter Körper ebenfalls verdauen, indem der Magen selten beschädiget ist, wenn man dergleichen eröfnet.
Eben
willigen koͤnten. Und daher habe ich mich be- muͤhet, ſelbige hier zu verſuchen. Unter denen- ienigen, welche zu ietziger Zeit mit mir die Hoͤr- ſaͤle der Artzneyverſtaͤndigen beſuchen, habe ich bemerckt, daß einige, welche ſich bemuͤhen, Mechaniſten zu werden, ſehr laͤcherlich ausſe- hen, wenn ſie in die Hoͤrſaͤle derer Stahlianer kommen. Dieſe muͤſſen ohnfehlbar noch nicht ſo viel Zeit gehabt haben, zu uͤberlegen, daß wo ſie nicht behaupten wollen, die Sonne ſey nicht die Urſache des Lichts, ſie nichts anders glauben koͤnnen, als was die Stahlianer glau- ben. Denn ihre Lehrſaͤtze ſind ſo beſchaffen, daß ſie mir zugeben muͤſſen, es koͤnten alle dieſe Bewegungen, welche wir ietzo vorneh- men, nicht vor ſich gehen, wenn wir keine Sele haͤtten. Eben dieſes ſagen auch die Stahlianer. Denn daß ſie die Strucktur des Koͤrpers nicht hintan ſetzen, wenn ſie von de- nen Veraͤnderungen des Koͤrpers urtheilen, ſolches muß iederman wiſſen, wer dasienige verſtehet, was ſie behaupten. Sie ſagen zum Exempel, daß die Verdauung der Speiſe, der Selen zuzuſchreiben ſey, und die Moͤglichkeit darzu nehmen ſie von der kuͤnſtlichen Struck- tur des Magens her, ob ſie gleich behaupten, daß die Verdauung nicht von ſtatten gehen wuͤrde, wofern nicht die Sele das ihrige darzu beytruͤge: Denn ſonſt muͤſte ein todter Koͤrper ebenfalls verdauen, indem der Magen ſelten beſchaͤdiget iſt, wenn man dergleichen eroͤfnet.
Eben
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willigen koͤnten. Und daher habe ich mich be-
muͤhet, ſelbige hier zu verſuchen. Unter denen-
ienigen, welche zu ietziger Zeit mit mir die Hoͤr-
ſaͤle der Artzneyverſtaͤndigen beſuchen, habe ich
bemerckt, daß einige, welche ſich bemuͤhen,
Mechaniſten zu werden, ſehr laͤcherlich ausſe-
hen, wenn ſie in die Hoͤrſaͤle derer Stahlianer
kommen. Dieſe muͤſſen ohnfehlbar noch nicht
ſo viel Zeit gehabt haben, zu uͤberlegen, daß
wo ſie nicht behaupten wollen, die Sonne ſey
nicht die Urſache des Lichts, ſie nichts anders
glauben koͤnnen, als was die Stahlianer glau-
ben. Denn ihre Lehrſaͤtze ſind ſo beſchaffen,
daß ſie mir zugeben muͤſſen, es koͤnten alle
dieſe Bewegungen, welche wir ietzo vorneh-
men, nicht vor ſich gehen, wenn wir keine
Sele haͤtten. Eben dieſes ſagen auch die
Stahlianer. Denn daß ſie die Strucktur des
Koͤrpers nicht hintan ſetzen, wenn ſie von de-
nen Veraͤnderungen des Koͤrpers urtheilen,
ſolches muß iederman wiſſen, wer dasienige
verſtehet, was ſie behaupten. Sie ſagen zum
Exempel, daß die Verdauung der Speiſe, der
Selen zuzuſchreiben ſey, und die Moͤglichkeit
darzu nehmen ſie von der kuͤnſtlichen Struck-
tur des Magens her, ob ſie gleich behaupten,
daß die Verdauung nicht von ſtatten gehen
wuͤrde, wofern nicht die Sele das ihrige darzu
beytruͤge: Denn ſonſt muͤſte ein todter Koͤrper
ebenfalls verdauen, indem der Magen ſelten
beſchaͤdiget iſt, wenn man dergleichen eroͤfnet.
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Unzer, Johann August: Gedanken vom Einfluß der Seele in ihren Körper. Halle (Saale), 1746, S. 138. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_gedanken_1746/168>, abgerufen am 22.07.2024.
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