weder zur Ehre noch zur Schande gereichen, wenn man sich des wahren in beyden bedienet, und das übrige fahren läst. Uebrigens hoffe ich nicht daß man in dieser Meinung dieienigen Eigenschaften suchen werde, welche man der vorigen zugeeignet. Jch glaube nicht daß et- was natürlicher seyn könne, als dieser Einfluß. Man frage einen Menschen, den die Streitig- keiten derer Gelehrten in dieser Sache noch un- bekandt sind: wie es zugehe, daß ein Stein den andern fortstosse. Er müste Leibnitzens Einbildungskraft besitzen, wenn er glauben sol- te, daß die Monaden des einen Steines Lust bekommen hätten, sich dem andern zu nähern, und die Monaden des andern wären zu eben der Zeit willens worden, sich so gleich von ienen zu entfernen, so bald er ihnen zu nahe gekom- men wäre. Und wenn er meinen solte, die Kraft des einen Steines bewegte den andern dergestalt von seiner Stelle, daß ihm dieser auf keine Weise entgegen würckte; so würde er vermuthlich vorher sich den Zweifel erregen müssen, warum denn der erste Stein nicht durch den andern hindurch geflogen wäre, da ihm dieser keinen Wiederstand geleistet hat. Jch weiß wohl was man sagen wird. Der Mensch ist noch zu sehr an das Körperliche ge- wöhnt, er weiß nicht zu abstrahiren, er versteht keine Metaphysick. Jch gebe dieses alles von Hertzen gerne zu, denn ich bilde mir ein, dieser Mensch habe wohl daran gethan, daß er sich
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weder zur Ehre noch zur Schande gereichen, wenn man ſich des wahren in beyden bedienet, und das uͤbrige fahren laͤſt. Uebrigens hoffe ich nicht daß man in dieſer Meinung dieienigen Eigenſchaften ſuchen werde, welche man der vorigen zugeeignet. Jch glaube nicht daß et- was natuͤrlicher ſeyn koͤnne, als dieſer Einfluß. Man frage einen Menſchen, den die Streitig- keiten derer Gelehrten in dieſer Sache noch un- bekandt ſind: wie es zugehe, daß ein Stein den andern fortſtoſſe. Er muͤſte Leibnitzens Einbildungskraft beſitzen, wenn er glauben ſol- te, daß die Monaden des einen Steines Luſt bekommen haͤtten, ſich dem andern zu naͤhern, und die Monaden des andern waͤren zu eben der Zeit willens worden, ſich ſo gleich von ienen zu entfernen, ſo bald er ihnen zu nahe gekom- men waͤre. Und wenn er meinen ſolte, die Kraft des einen Steines bewegte den andern dergeſtalt von ſeiner Stelle, daß ihm dieſer auf keine Weiſe entgegen wuͤrckte; ſo wuͤrde er vermuthlich vorher ſich den Zweifel erregen muͤſſen, warum denn der erſte Stein nicht durch den andern hindurch geflogen waͤre, da ihm dieſer keinen Wiederſtand geleiſtet hat. Jch weiß wohl was man ſagen wird. Der Menſch iſt noch zu ſehr an das Koͤrperliche ge- woͤhnt, er weiß nicht zu abſtrahiren, er verſteht keine Metaphyſick. Jch gebe dieſes alles von Hertzen gerne zu, denn ich bilde mir ein, dieſer Menſch habe wohl daran gethan, daß er ſich
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weder zur Ehre noch zur Schande gereichen,
wenn man ſich des wahren in beyden bedienet,
und das uͤbrige fahren laͤſt. Uebrigens hoffe
ich nicht daß man in dieſer Meinung dieienigen
Eigenſchaften ſuchen werde, welche man der
vorigen zugeeignet. Jch glaube nicht daß et-
was natuͤrlicher ſeyn koͤnne, als dieſer Einfluß.
Man frage einen Menſchen, den die Streitig-
keiten derer Gelehrten in dieſer Sache noch un-
bekandt ſind: wie es zugehe, daß ein Stein
den andern fortſtoſſe. Er muͤſte Leibnitzens
Einbildungskraft beſitzen, wenn er glauben ſol-
te, daß die Monaden des einen Steines Luſt
bekommen haͤtten, ſich dem andern zu naͤhern,
und die Monaden des andern waͤren zu eben
der Zeit willens worden, ſich ſo gleich von ienen
zu entfernen, ſo bald er ihnen zu nahe gekom-
men waͤre. Und wenn er meinen ſolte, die
Kraft des einen Steines bewegte den andern
dergeſtalt von ſeiner Stelle, daß ihm dieſer auf
keine Weiſe entgegen wuͤrckte; ſo wuͤrde er
vermuthlich vorher ſich den Zweifel erregen
muͤſſen, warum denn der erſte Stein nicht
durch den andern hindurch geflogen waͤre, da
ihm dieſer keinen Wiederſtand geleiſtet hat.
Jch weiß wohl was man ſagen wird. Der
Menſch iſt noch zu ſehr an das Koͤrperliche ge-
woͤhnt, er weiß nicht zu abſtrahiren, er verſteht
keine Metaphyſick. Jch gebe dieſes alles von
Hertzen gerne zu, denn ich bilde mir ein, dieſer
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Unzer, Johann August: Gedanken vom Einfluß der Seele in ihren Körper. Halle (Saale), 1746, S. 122. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_gedanken_1746/152>, abgerufen am 23.07.2024.
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