tel wäre gebissen worden. Jn Jtalien ist ein gewisses Gift Mode, welches die Art eines Balsams hat. Wenn ein Mensch in einem gewissen Affecte ist, und man streicht ihm die- sen Balsam unter die Nase, so verbleibt dersel- be, in eben dem Affecte, darinn er gewesen. Er läst mit sich anfangen, was einem beliebt, und nachdem er ausgeschlafen hat, weiß er von dem allen nichts, was binnen der Zeit mit ihm vorgegangen. Man kan es sich wol einbilden, in welchen Fällen sich die Jtaliäner dieses Bal- sams am meisten bedienen werden. Es ist be- kandt, daß ein iedes Thier, wenn es zornig ist, giftig sey. Dieienigen Thiere, welche am leichtesten zornig werden, haben den eigenen Beynahmen daher, daß man sie giftige Thie- re nennt. Aber warum äussern die Bisse ver- schiedener Thiere auch so verschiedene Wür- ckungen in unsrer Sele und ihrem Körper? Die Leute, welche von tollen Hunden gebissen worden, bellen öfters wie Hunde; da hinge- gen der Biß von denen Katzen, die Leute da- hin bringt, eine dem Katzengeschrey ähnliche Stimme an sich zu nehmen. Man sage mir, warum tantzen eben die Patienten, welche eine Tarantel gestochen. Warum bellen diese nicht wie ein Hund und iene tantzen? Es ist wahr, wenn wir gleich annehmen, daß der Körper in die Sele würcke, so können wir dieses dennoch nicht erklären. Allein es ist auch dieses nicht nöthig. Wenn wir nur wissen, daß es geschicht,
so
tel waͤre gebiſſen worden. Jn Jtalien iſt ein gewiſſes Gift Mode, welches die Art eines Balſams hat. Wenn ein Menſch in einem gewiſſen Affecte iſt, und man ſtreicht ihm die- ſen Balſam unter die Naſe, ſo verbleibt derſel- be, in eben dem Affecte, darinn er geweſen. Er laͤſt mit ſich anfangen, was einem beliebt, und nachdem er ausgeſchlafen hat, weiß er von dem allen nichts, was binnen der Zeit mit ihm vorgegangen. Man kan es ſich wol einbilden, in welchen Faͤllen ſich die Jtaliaͤner dieſes Bal- ſams am meiſten bedienen werden. Es iſt be- kandt, daß ein iedes Thier, wenn es zornig iſt, giftig ſey. Dieienigen Thiere, welche am leichteſten zornig werden, haben den eigenen Beynahmen daher, daß man ſie giftige Thie- re nennt. Aber warum aͤuſſern die Biſſe ver- ſchiedener Thiere auch ſo verſchiedene Wuͤr- ckungen in unſrer Sele und ihrem Koͤrper? Die Leute, welche von tollen Hunden gebiſſen worden, bellen oͤfters wie Hunde; da hinge- gen der Biß von denen Katzen, die Leute da- hin bringt, eine dem Katzengeſchrey aͤhnliche Stimme an ſich zu nehmen. Man ſage mir, warum tantzen eben die Patienten, welche eine Tarantel geſtochen. Warum bellen dieſe nicht wie ein Hund und iene tantzen? Es iſt wahr, wenn wir gleich annehmen, daß der Koͤrper in die Sele wuͤrcke, ſo koͤnnen wir dieſes dennoch nicht erklaͤren. Allein es iſt auch dieſes nicht noͤthig. Wenn wir nur wiſſen, daß es geſchicht,
ſo
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tel waͤre gebiſſen worden. Jn Jtalien iſt ein
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Balſams hat. Wenn ein Menſch in einem
gewiſſen Affecte iſt, und man ſtreicht ihm die-
ſen Balſam unter die Naſe, ſo verbleibt derſel-
be, in eben dem Affecte, darinn er geweſen.
Er laͤſt mit ſich anfangen, was einem beliebt,
und nachdem er ausgeſchlafen hat, weiß er von
dem allen nichts, was binnen der Zeit mit ihm
vorgegangen. Man kan es ſich wol einbilden,
in welchen Faͤllen ſich die Jtaliaͤner dieſes Bal-
ſams am meiſten bedienen werden. Es iſt be-
kandt, daß ein iedes Thier, wenn es zornig
iſt, giftig ſey. Dieienigen Thiere, welche am
leichteſten zornig werden, haben den eigenen
Beynahmen daher, daß man ſie giftige Thie-
re nennt. Aber warum aͤuſſern die Biſſe ver-
ſchiedener Thiere auch ſo verſchiedene Wuͤr-
ckungen in unſrer Sele und ihrem Koͤrper?
Die Leute, welche von tollen Hunden gebiſſen
worden, bellen oͤfters wie Hunde; da hinge-
gen der Biß von denen Katzen, die Leute da-
hin bringt, eine dem Katzengeſchrey aͤhnliche
Stimme an ſich zu nehmen. Man ſage mir,
warum tantzen eben die Patienten, welche eine
Tarantel geſtochen. Warum bellen dieſe nicht
wie ein Hund und iene tantzen? Es iſt wahr,
wenn wir gleich annehmen, daß der Koͤrper in
die Sele wuͤrcke, ſo koͤnnen wir dieſes dennoch
nicht erklaͤren. Allein es iſt auch dieſes nicht
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Unzer, Johann August: Gedanken vom Einfluß der Seele in ihren Körper. Halle (Saale), 1746, S. 106. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_gedanken_1746/136>, abgerufen am 22.07.2024.
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