nerven an, daß sich dabey die Bewegung des Magens umkehrt, und ein Brechen verursacht. Wenn ein Jüngling Convulsionen bekommt, wenn er mit iemand spricht ohne vorher ein paar Gläser Wein getruncken zu haben, so ist nichts gewisser, als daß seine Nerven zu sehr geschwächt sind, und daß dieselben die Zunge nicht eher in Bewegung setzen können, als bis sie durch zwey Gläser Wein gestärckt worden. Dieses alles ist gut. Man kan es verstehen und fast mit Händen greiffen. Aber nur eines ist da- bey zu bedauren. Die gantze Wahrheit ist ei- ne verlarvte Person. Niemand getrauet sich ihr die Maske vor den Gesicht hinweg zu rei- sen: denn dieses wäre gewiß ein Fehler wieder die heutige Höflichkeit.
§. 40.
Jch will nunmehro meinen Lesern Obser- vationen darlegen, woraus sie sich von der Würckung der Sele in ihren Körper auf das vollkommenste überführen können. Jch rech- ne hierin einen Schweitzerknaben, welcher alle- mal einen Anfall vom Fieber bekommt, wenn sich sein Stiefvater nahe bey ihm befindet. Das Artigste hierbey ist dieses, daß er ebenfalls das Fieber bekommt, ob er es gleich nicht weiß, daß sein Vater zugegen ist. Es kan seyn, daß er denselben an dem Geruche unterscheidet, aber sind die Ausdünstungen des Stiefvaters die Schuld vom Fieber, oder sind es gewisse Vor- stellungen, welche der Knabe allemal hat, so
bald
J
nerven an, daß ſich dabey die Bewegung des Magens umkehrt, und ein Brechen verurſacht. Wenn ein Juͤngling Convulſionen bekommt, wenn er mit iemand ſpricht ohne vorher ein paar Glaͤſer Wein getruncken zu haben, ſo iſt nichts gewiſſer, als daß ſeine Nerven zu ſehr geſchwaͤcht ſind, und daß dieſelben die Zunge nicht eher in Bewegung ſetzen koͤnnen, als bis ſie durch zwey Glaͤſer Wein geſtaͤrckt worden. Dieſes alles iſt gut. Man kan es verſtehen und faſt mit Haͤnden greiffen. Aber nur eines iſt da- bey zu bedauren. Die gantze Wahrheit iſt ei- ne verlarvte Perſon. Niemand getrauet ſich ihr die Maske vor den Geſicht hinweg zu rei- ſen: denn dieſes waͤre gewiß ein Fehler wieder die heutige Hoͤflichkeit.
§. 40.
Jch will nunmehro meinen Leſern Obſer- vationen darlegen, woraus ſie ſich von der Wuͤrckung der Sele in ihren Koͤrper auf das vollkommenſte uͤberfuͤhren koͤnnen. Jch rech- ne hierin einen Schweitzerknaben, welcher alle- mal einen Anfall vom Fieber bekommt, wenn ſich ſein Stiefvater nahe bey ihm befindet. Das Artigſte hierbey iſt dieſes, daß er ebenfalls das Fieber bekommt, ob er es gleich nicht weiß, daß ſein Vater zugegen iſt. Es kan ſeyn, daß er denſelben an dem Geruche unterſcheidet, aber ſind die Ausduͤnſtungen des Stiefvaters die Schuld vom Fieber, oder ſind es gewiſſe Vor- ſtellungen, welche der Knabe allemal hat, ſo
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nerven an, daß ſich dabey die Bewegung des
Magens umkehrt, und ein Brechen verurſacht.
Wenn ein Juͤngling Convulſionen bekommt,
wenn er mit iemand ſpricht ohne vorher ein paar
Glaͤſer Wein getruncken zu haben, ſo iſt nichts
gewiſſer, als daß ſeine Nerven zu ſehr geſchwaͤcht
ſind, und daß dieſelben die Zunge nicht eher
in Bewegung ſetzen koͤnnen, als bis ſie durch
zwey Glaͤſer Wein geſtaͤrckt worden. Dieſes
alles iſt gut. Man kan es verſtehen und faſt
mit Haͤnden greiffen. Aber nur eines iſt da-
bey zu bedauren. Die gantze Wahrheit iſt ei-
ne verlarvte Perſon. Niemand getrauet ſich
ihr die Maske vor den Geſicht hinweg zu rei-
ſen: denn dieſes waͤre gewiß ein Fehler wieder
die heutige Hoͤflichkeit.
§. 40.
Jch will nunmehro meinen Leſern Obſer-
vationen darlegen, woraus ſie ſich von der
Wuͤrckung der Sele in ihren Koͤrper auf das
vollkommenſte uͤberfuͤhren koͤnnen. Jch rech-
ne hierin einen Schweitzerknaben, welcher alle-
mal einen Anfall vom Fieber bekommt, wenn
ſich ſein Stiefvater nahe bey ihm befindet. Das
Artigſte hierbey iſt dieſes, daß er ebenfalls
das Fieber bekommt, ob er es gleich nicht weiß,
daß ſein Vater zugegen iſt. Es kan ſeyn, daß
er denſelben an dem Geruche unterſcheidet, aber
ſind die Ausduͤnſtungen des Stiefvaters die
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Unzer, Johann August: Gedanken vom Einfluß der Seele in ihren Körper. Halle (Saale), 1746, S. 103. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_gedanken_1746/133>, abgerufen am 03.03.2025.
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