bloße Veränderungen des Alters. H. P. §. 827. das weib- liche Thier verwandelt sich in dieser Periode auf eine eben so merkwürdige Weise. Der Lauf des ganzen Bluts wird durch einen frischen Antrieb beschleuniget, die Brüste schwel- len an, die Geschlechtstheile entwickeln sich und bluten, wel- ches bey dem menschlichen Geschlechte die ganze Periode der Fortpflanzung hindurch in regelmäßigen Zwischenzeiten ge- schieht. H. P. §. 853.
§. 655.
Es ist natürlich, daß bey so großen Veränderungen der ganzen Natur, im Anfange dieser Periode auch in den thierischen Maschinen neue Entwickelungen erfolgen müssen. Bey den Thieren, die zu solcher Zeit erst die Geschlechts- theile erhalten, §. 654. ist es offenbar, daß sich auch dann erst die Nerven in diesen Theilen entwickeln, die sie thie- risch regieren. Daß sich aber auch bey den übrigen, und insbesondre bey den beseelten Thieren, ob ihnen gleich die Geschlechtstheile mit angeboren worden, in den Nerven der- selben und auch sogar im Gehirne sehr wichtige Verände- rungen ereignen, wenn die Periode der Fortpflanzung ih- ren Anfang nimmt, läßt sich aufs deutlichste aus den ver- schiedenen neuen thierischen Kräften schließen, die sich zu der Zeit bey ihnen zuerst offenbaren. Die Nerven des ganzen Körpers und insbesondre der Geschlechtstheile wer- den alsdann neuer sinnlicher Eindrücke fähig, die in der ganzen vorigen Lebenszeit ihnen mangelten, und dieß geht bey den beseelten Thieren so weit, daß es den Anschein giebt, als ob sich in ihnen ein ganz neuer Sinn des Ge- fühls entwickelt hätte. Ein Anblick, ein Ton, ein Ge- ruch, oder Gefühl, den ein beseeltes Thier vor dieser Pe- riode seines Lebens tausendmal ohne alle andre Folgen, als die sonst jede äußere Empfindung von ähnlichen Eindrü- cken haben würde, erfahren hat, bringen in dieser Periode dem Thiere in der Empfindung selbst ein Merkmal mit bey, das in ihm den Trieb zur Begattung in Wirkung
setzet;
4 Kap. Das thieriſche Leben.
bloße Veraͤnderungen des Alters. H. P. §. 827. das weib- liche Thier verwandelt ſich in dieſer Periode auf eine eben ſo merkwuͤrdige Weiſe. Der Lauf des ganzen Bluts wird durch einen friſchen Antrieb beſchleuniget, die Bruͤſte ſchwel- len an, die Geſchlechtstheile entwickeln ſich und bluten, wel- ches bey dem menſchlichen Geſchlechte die ganze Periode der Fortpflanzung hindurch in regelmaͤßigen Zwiſchenzeiten ge- ſchieht. H. P. §. 853.
§. 655.
Es iſt natuͤrlich, daß bey ſo großen Veraͤnderungen der ganzen Natur, im Anfange dieſer Periode auch in den thieriſchen Maſchinen neue Entwickelungen erfolgen muͤſſen. Bey den Thieren, die zu ſolcher Zeit erſt die Geſchlechts- theile erhalten, §. 654. iſt es offenbar, daß ſich auch dann erſt die Nerven in dieſen Theilen entwickeln, die ſie thie- riſch regieren. Daß ſich aber auch bey den uͤbrigen, und insbeſondre bey den beſeelten Thieren, ob ihnen gleich die Geſchlechtstheile mit angeboren worden, in den Nerven der- ſelben und auch ſogar im Gehirne ſehr wichtige Veraͤnde- rungen ereignen, wenn die Periode der Fortpflanzung ih- ren Anfang nimmt, laͤßt ſich aufs deutlichſte aus den ver- ſchiedenen neuen thieriſchen Kraͤften ſchließen, die ſich zu der Zeit bey ihnen zuerſt offenbaren. Die Nerven des ganzen Koͤrpers und insbeſondre der Geſchlechtstheile wer- den alsdann neuer ſinnlicher Eindruͤcke faͤhig, die in der ganzen vorigen Lebenszeit ihnen mangelten, und dieß geht bey den beſeelten Thieren ſo weit, daß es den Anſchein giebt, als ob ſich in ihnen ein ganz neuer Sinn des Ge- fuͤhls entwickelt haͤtte. Ein Anblick, ein Ton, ein Ge- ruch, oder Gefuͤhl, den ein beſeeltes Thier vor dieſer Pe- riode ſeines Lebens tauſendmal ohne alle andre Folgen, als die ſonſt jede aͤußere Empfindung von aͤhnlichen Eindruͤ- cken haben wuͤrde, erfahren hat, bringen in dieſer Periode dem Thiere in der Empfindung ſelbſt ein Merkmal mit bey, das in ihm den Trieb zur Begattung in Wirkung
ſetzet;
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4 Kap. Das thieriſche Leben.
bloße Veraͤnderungen des Alters. H. P. §. 827. das weib-
liche Thier verwandelt ſich in dieſer Periode auf eine eben
ſo merkwuͤrdige Weiſe. Der Lauf des ganzen Bluts wird
durch einen friſchen Antrieb beſchleuniget, die Bruͤſte ſchwel-
len an, die Geſchlechtstheile entwickeln ſich und bluten, wel-
ches bey dem menſchlichen Geſchlechte die ganze Periode der
Fortpflanzung hindurch in regelmaͤßigen Zwiſchenzeiten ge-
ſchieht. H. P. §. 853.
§. 655.
Es iſt natuͤrlich, daß bey ſo großen Veraͤnderungen
der ganzen Natur, im Anfange dieſer Periode auch in den
thieriſchen Maſchinen neue Entwickelungen erfolgen muͤſſen.
Bey den Thieren, die zu ſolcher Zeit erſt die Geſchlechts-
theile erhalten, §. 654. iſt es offenbar, daß ſich auch dann
erſt die Nerven in dieſen Theilen entwickeln, die ſie thie-
riſch regieren. Daß ſich aber auch bey den uͤbrigen, und
insbeſondre bey den beſeelten Thieren, ob ihnen gleich die
Geſchlechtstheile mit angeboren worden, in den Nerven der-
ſelben und auch ſogar im Gehirne ſehr wichtige Veraͤnde-
rungen ereignen, wenn die Periode der Fortpflanzung ih-
ren Anfang nimmt, laͤßt ſich aufs deutlichſte aus den ver-
ſchiedenen neuen thieriſchen Kraͤften ſchließen, die ſich zu
der Zeit bey ihnen zuerſt offenbaren. Die Nerven des
ganzen Koͤrpers und insbeſondre der Geſchlechtstheile wer-
den alsdann neuer ſinnlicher Eindruͤcke faͤhig, die in der
ganzen vorigen Lebenszeit ihnen mangelten, und dieß geht
bey den beſeelten Thieren ſo weit, daß es den Anſchein
giebt, als ob ſich in ihnen ein ganz neuer Sinn des Ge-
fuͤhls entwickelt haͤtte. Ein Anblick, ein Ton, ein Ge-
ruch, oder Gefuͤhl, den ein beſeeltes Thier vor dieſer Pe-
riode ſeines Lebens tauſendmal ohne alle andre Folgen, als
die ſonſt jede aͤußere Empfindung von aͤhnlichen Eindruͤ-
cken haben wuͤrde, erfahren hat, bringen in dieſer Periode
dem Thiere in der Empfindung ſelbſt ein Merkmal mit
bey, das in ihm den Trieb zur Begattung in Wirkung
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Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771, S. 669. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_erstegruende_1771/693>, abgerufen am 21.11.2024.
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