man also durch die wirkliche Fortdauer der Gemeinschaft der Seele mit ihrem Körper erklären kann. §. 640. 641. Dieser zu enge Begriff gründet sich auf die falsche Vor- aussetzung, §. 622. daß jedes Thier beseelt sey, mithin schließt er das blos thierische Leben §. 639. vom eigentli- chen thierischen Leben aus, und man muß, um ihn zu er- gänzen, da doch unbeseelte Thiere möglich sind, §. 623. noch den Begriff vom blos thierischen Leben hinzunehmen, wofern man nicht genöthiget seyn will, offenbar irrige Sätze zu behaupten, z. E. daß enthauptete thierische Körper doch noch beseelt wären, (wider §. 10.) oder, daß die Seele im ganzen Körper ausgebreitet sey, (wider §. 597.) oder, daß ein beseelter thierischer Körper mehrere Seelen haben müßte, (wider B. M. §. 562.) oder, daß alle thierische Bewegungen Seelenwirkungen wären. (wider §. 594.) u. s. w.
§. 643.
Will man sich also an den Redegebrauch halten, so muß man die Erklärung des eigentlichen thierischen Lebens nur von den beseelten Thieren verstehen, §. 642. und so gilt davon das, was §. 640. 641. gelehret worden, in so fern es dem blos sinnlichen und dem geistigen thierischen Leben gemein ist. Man muß sich aber alsdann noch eine beson- dre Gattung von Thieren, oder Mittelgeschöpfen vorbehal- ten, welchen das blos thierische Leben zukömmt, das §. 639. beschrieben worden. Wir werden den Jnbegriff beyder, nämlich das eigentliche thierische und das blos thie- rische zusammengenommen, in beseelten Thieren, das ganze thierische Leben, oder die Fortdauer seiner gan- zen thierischen Natur §. 598. nennen; und ein Thier also seines ganzen thierischen Lebens nicht darum für verlustig erklären, weil es das eigentliche thierische Leben, die Ge- meinschaft Leibes und der Seele verloren hat, und keine Seelenwirkungen in seinem Körper mehr Statt finden, weil wir sonst genöthiget seyn würden, mit denen, die dieses
thun,
T t 2
4 Kap. Das thieriſche Leben.
man alſo durch die wirkliche Fortdauer der Gemeinſchaft der Seele mit ihrem Koͤrper erklaͤren kann. §. 640. 641. Dieſer zu enge Begriff gruͤndet ſich auf die falſche Vor- ausſetzung, §. 622. daß jedes Thier beſeelt ſey, mithin ſchließt er das blos thieriſche Leben §. 639. vom eigentli- chen thieriſchen Leben aus, und man muß, um ihn zu er- gaͤnzen, da doch unbeſeelte Thiere moͤglich ſind, §. 623. noch den Begriff vom blos thieriſchen Leben hinzunehmen, wofern man nicht genoͤthiget ſeyn will, offenbar irrige Saͤtze zu behaupten, z. E. daß enthauptete thieriſche Koͤrper doch noch beſeelt waͤren, (wider §. 10.) oder, daß die Seele im ganzen Koͤrper ausgebreitet ſey, (wider §. 597.) oder, daß ein beſeelter thieriſcher Koͤrper mehrere Seelen haben muͤßte, (wider B. M. §. 562.) oder, daß alle thieriſche Bewegungen Seelenwirkungen waͤren. (wider §. 594.) u. ſ. w.
§. 643.
Will man ſich alſo an den Redegebrauch halten, ſo muß man die Erklaͤrung des eigentlichen thieriſchen Lebens nur von den beſeelten Thieren verſtehen, §. 642. und ſo gilt davon das, was §. 640. 641. gelehret worden, in ſo fern es dem blos ſinnlichen und dem geiſtigen thieriſchen Leben gemein iſt. Man muß ſich aber alsdann noch eine beſon- dre Gattung von Thieren, oder Mittelgeſchoͤpfen vorbehal- ten, welchen das blos thieriſche Leben zukoͤmmt, das §. 639. beſchrieben worden. Wir werden den Jnbegriff beyder, naͤmlich das eigentliche thieriſche und das blos thie- riſche zuſammengenommen, in beſeelten Thieren, das ganze thieriſche Leben, oder die Fortdauer ſeiner gan- zen thieriſchen Natur §. 598. nennen; und ein Thier alſo ſeines ganzen thieriſchen Lebens nicht darum fuͤr verluſtig erklaͤren, weil es das eigentliche thieriſche Leben, die Ge- meinſchaft Leibes und der Seele verloren hat, und keine Seelenwirkungen in ſeinem Koͤrper mehr Statt finden, weil wir ſonſt genoͤthiget ſeyn wuͤrden, mit denen, die dieſes
thun,
T t 2
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0683"n="659"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">4 Kap. Das thieriſche Leben.</hi></fw><lb/>
man alſo durch die wirkliche Fortdauer der Gemeinſchaft<lb/>
der Seele mit ihrem Koͤrper erklaͤren kann. §. 640. 641.<lb/>
Dieſer zu enge Begriff gruͤndet ſich auf die falſche Vor-<lb/>
ausſetzung, §. 622. daß jedes Thier beſeelt ſey, mithin<lb/>ſchließt er das blos thieriſche Leben §. 639. vom eigentli-<lb/>
chen thieriſchen Leben aus, und man muß, um ihn zu er-<lb/>
gaͤnzen, da doch unbeſeelte Thiere moͤglich ſind, §. 623.<lb/>
noch den Begriff vom blos thieriſchen Leben hinzunehmen,<lb/>
wofern man nicht genoͤthiget ſeyn will, offenbar irrige Saͤtze<lb/>
zu behaupten, z. E. daß enthauptete thieriſche Koͤrper doch<lb/>
noch beſeelt waͤren, (wider §. 10.) oder, daß die Seele<lb/>
im ganzen Koͤrper ausgebreitet ſey, (wider §. 597.) oder,<lb/>
daß ein beſeelter thieriſcher Koͤrper mehrere Seelen haben<lb/>
muͤßte, (wider <hirendition="#aq">B. M.</hi> §. 562.) oder, daß alle thieriſche<lb/>
Bewegungen Seelenwirkungen waͤren. (wider §. 594.)<lb/>
u. ſ. w.</p></div><lb/><divn="3"><head>§. 643.</head><lb/><p>Will man ſich alſo an den Redegebrauch halten, ſo muß<lb/>
man die Erklaͤrung des eigentlichen thieriſchen Lebens nur<lb/>
von den beſeelten Thieren verſtehen, §. 642. und ſo gilt<lb/>
davon das, was §. 640. 641. gelehret worden, in ſo fern<lb/>
es dem blos ſinnlichen und dem geiſtigen thieriſchen Leben<lb/>
gemein iſt. Man muß ſich aber alsdann noch eine beſon-<lb/>
dre Gattung von Thieren, oder Mittelgeſchoͤpfen vorbehal-<lb/>
ten, welchen das blos thieriſche Leben zukoͤmmt, das §.<lb/>
639. beſchrieben worden. Wir werden den Jnbegriff<lb/>
beyder, naͤmlich das eigentliche thieriſche und das blos thie-<lb/>
riſche zuſammengenommen, in beſeelten Thieren, <hirendition="#fr">das<lb/>
ganze thieriſche Leben,</hi> oder die Fortdauer ſeiner gan-<lb/>
zen thieriſchen Natur §. 598. nennen; und ein Thier alſo<lb/>ſeines ganzen thieriſchen Lebens nicht darum fuͤr verluſtig<lb/>
erklaͤren, weil es das eigentliche thieriſche Leben, die Ge-<lb/>
meinſchaft Leibes und der Seele verloren hat, und keine<lb/>
Seelenwirkungen in ſeinem Koͤrper mehr Statt finden,<lb/>
weil wir ſonſt genoͤthiget ſeyn wuͤrden, mit denen, die dieſes<lb/><fwplace="bottom"type="sig">T t 2</fw><fwplace="bottom"type="catch">thun,</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[659/0683]
4 Kap. Das thieriſche Leben.
man alſo durch die wirkliche Fortdauer der Gemeinſchaft
der Seele mit ihrem Koͤrper erklaͤren kann. §. 640. 641.
Dieſer zu enge Begriff gruͤndet ſich auf die falſche Vor-
ausſetzung, §. 622. daß jedes Thier beſeelt ſey, mithin
ſchließt er das blos thieriſche Leben §. 639. vom eigentli-
chen thieriſchen Leben aus, und man muß, um ihn zu er-
gaͤnzen, da doch unbeſeelte Thiere moͤglich ſind, §. 623.
noch den Begriff vom blos thieriſchen Leben hinzunehmen,
wofern man nicht genoͤthiget ſeyn will, offenbar irrige Saͤtze
zu behaupten, z. E. daß enthauptete thieriſche Koͤrper doch
noch beſeelt waͤren, (wider §. 10.) oder, daß die Seele
im ganzen Koͤrper ausgebreitet ſey, (wider §. 597.) oder,
daß ein beſeelter thieriſcher Koͤrper mehrere Seelen haben
muͤßte, (wider B. M. §. 562.) oder, daß alle thieriſche
Bewegungen Seelenwirkungen waͤren. (wider §. 594.)
u. ſ. w.
§. 643.
Will man ſich alſo an den Redegebrauch halten, ſo muß
man die Erklaͤrung des eigentlichen thieriſchen Lebens nur
von den beſeelten Thieren verſtehen, §. 642. und ſo gilt
davon das, was §. 640. 641. gelehret worden, in ſo fern
es dem blos ſinnlichen und dem geiſtigen thieriſchen Leben
gemein iſt. Man muß ſich aber alsdann noch eine beſon-
dre Gattung von Thieren, oder Mittelgeſchoͤpfen vorbehal-
ten, welchen das blos thieriſche Leben zukoͤmmt, das §.
639. beſchrieben worden. Wir werden den Jnbegriff
beyder, naͤmlich das eigentliche thieriſche und das blos thie-
riſche zuſammengenommen, in beſeelten Thieren, das
ganze thieriſche Leben, oder die Fortdauer ſeiner gan-
zen thieriſchen Natur §. 598. nennen; und ein Thier alſo
ſeines ganzen thieriſchen Lebens nicht darum fuͤr verluſtig
erklaͤren, weil es das eigentliche thieriſche Leben, die Ge-
meinſchaft Leibes und der Seele verloren hat, und keine
Seelenwirkungen in ſeinem Koͤrper mehr Statt finden,
weil wir ſonſt genoͤthiget ſeyn wuͤrden, mit denen, die dieſes
thun,
T t 2
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771, S. 659. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_erstegruende_1771/683>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.