Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771.

Bild:
<< vorherige Seite

III Th. Natur der Thiere im Ganzen.
§. 638. 605. Die thierische Natur eines vernünftigen
Thieres setzet die thierische Natur der sinnlichen zum Vor-
aus. §. 617. Mithin ist die ganze Natur §. 598. eines
vernünftigen Thieres aus diesen beyden Naturen zusammen-
gesetzt. §. 613. Allein da das blos sinnliche Leben ohne
das geistige fortdauren kann, §. 620. so kann ein vernünf-
tiges Thier sein geistiges Leben verlieren, ohne aufzuhören
ein sinnliches Thier zu seyn, §. 603. d. i. es kann geistig
todt,
und doch belebt, beseelt, als blos sinnliches Thier
fortdauren. Es wird also zum eigentlichen geistigen Leben
eines Thieres nur die Fortdauer seiner höhern thierischen
Seelenkräfte gerechnet, §. 616. und so lange nur irgend
eine ihm natürliche höhere thierische Seelenkraft, auch nur
im geringsten Grade bey ihm wirksam bleibt; so lange be-
sitzt es noch sein geistiges Leben. Da auch die Natur ver-
nünftiger Thiere ohne die genaueste Gemeinschaft einer ver-
nünftigen Seele mit dem thierischen Körper nicht gedacht
werden kann, §. 603. 605. so dauret auch das geistige,
wie das sinnliche Leben, so lange fort, als die Seele eines
Thieres mit seinem Körper so in Gemeinschaft bleibt, daß
sie durch ihren Verstand oder Willen nur irgend eine seiner
thierischen Bewegungen als Seelenwirkungen wirket; und
wenn diese Gemeinschaft aufgehoben ist, d. i. wenn Ver-
nunft und Wille gänzlich zu wirken aufhören, so kann doch
das blos sinnliche Leben noch fortdauren. §. 620. 640.

§. 642.

Alle diese Unterschiede des Lebens der Thiere sind zwar
wirklich in der Natur, §. 638 -- 641. aber ihre Be-
nennungen stimmen mit dem eingeführten Redegebrauche
nicht überein, und daher dienen sie hier nur blos zur rich-
tigern Unterscheidung der Begriffe. Dem Redegebrauche
nach nennt man das sinnliche Leben bey blos sinnlichen Thie-
ren, und das sinnliche und geistige in Gemeinschaft bey den
vernünftigen, das eigentliche thierische Leben, oder
das Leben eines Thieres, B. M. §. 575. 576. welches

man

III Th. Natur der Thiere im Ganzen.
§. 638. 605. Die thieriſche Natur eines vernuͤnftigen
Thieres ſetzet die thieriſche Natur der ſinnlichen zum Vor-
aus. §. 617. Mithin iſt die ganze Natur §. 598. eines
vernuͤnftigen Thieres aus dieſen beyden Naturen zuſammen-
geſetzt. §. 613. Allein da das blos ſinnliche Leben ohne
das geiſtige fortdauren kann, §. 620. ſo kann ein vernuͤnf-
tiges Thier ſein geiſtiges Leben verlieren, ohne aufzuhoͤren
ein ſinnliches Thier zu ſeyn, §. 603. d. i. es kann geiſtig
todt,
und doch belebt, beſeelt, als blos ſinnliches Thier
fortdauren. Es wird alſo zum eigentlichen geiſtigen Leben
eines Thieres nur die Fortdauer ſeiner hoͤhern thieriſchen
Seelenkraͤfte gerechnet, §. 616. und ſo lange nur irgend
eine ihm natuͤrliche hoͤhere thieriſche Seelenkraft, auch nur
im geringſten Grade bey ihm wirkſam bleibt; ſo lange be-
ſitzt es noch ſein geiſtiges Leben. Da auch die Natur ver-
nuͤnftiger Thiere ohne die genaueſte Gemeinſchaft einer ver-
nuͤnftigen Seele mit dem thieriſchen Koͤrper nicht gedacht
werden kann, §. 603. 605. ſo dauret auch das geiſtige,
wie das ſinnliche Leben, ſo lange fort, als die Seele eines
Thieres mit ſeinem Koͤrper ſo in Gemeinſchaft bleibt, daß
ſie durch ihren Verſtand oder Willen nur irgend eine ſeiner
thieriſchen Bewegungen als Seelenwirkungen wirket; und
wenn dieſe Gemeinſchaft aufgehoben iſt, d. i. wenn Ver-
nunft und Wille gaͤnzlich zu wirken aufhoͤren, ſo kann doch
das blos ſinnliche Leben noch fortdauren. §. 620. 640.

§. 642.

Alle dieſe Unterſchiede des Lebens der Thiere ſind zwar
wirklich in der Natur, §. 638 — 641. aber ihre Be-
nennungen ſtimmen mit dem eingefuͤhrten Redegebrauche
nicht uͤberein, und daher dienen ſie hier nur blos zur rich-
tigern Unterſcheidung der Begriffe. Dem Redegebrauche
nach nennt man das ſinnliche Leben bey blos ſinnlichen Thie-
ren, und das ſinnliche und geiſtige in Gemeinſchaft bey den
vernuͤnftigen, das eigentliche thieriſche Leben, oder
das Leben eines Thieres, B. M. §. 575. 576. welches

man
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0682" n="658"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">III</hi> Th. Natur der Thiere im Ganzen.</hi></fw><lb/>
§. 638. 605. Die thieri&#x017F;che Natur eines vernu&#x0364;nftigen<lb/>
Thieres &#x017F;etzet die thieri&#x017F;che Natur der &#x017F;innlichen zum Vor-<lb/>
aus. §. 617. Mithin i&#x017F;t die ganze Natur §. 598. eines<lb/>
vernu&#x0364;nftigen Thieres aus die&#x017F;en beyden Naturen zu&#x017F;ammen-<lb/>
ge&#x017F;etzt. §. 613. Allein da das blos &#x017F;innliche Leben ohne<lb/>
das gei&#x017F;tige fortdauren kann, §. 620. &#x017F;o kann ein vernu&#x0364;nf-<lb/>
tiges Thier &#x017F;ein gei&#x017F;tiges Leben verlieren, ohne aufzuho&#x0364;ren<lb/>
ein &#x017F;innliches Thier zu &#x017F;eyn, §. 603. d. i. es kann <hi rendition="#fr">gei&#x017F;tig<lb/>
todt,</hi> und doch belebt, be&#x017F;eelt, als blos &#x017F;innliches Thier<lb/>
fortdauren. Es wird al&#x017F;o zum eigentlichen gei&#x017F;tigen Leben<lb/>
eines Thieres nur die Fortdauer &#x017F;einer ho&#x0364;hern thieri&#x017F;chen<lb/>
Seelenkra&#x0364;fte gerechnet, §. 616. und &#x017F;o lange nur irgend<lb/>
eine ihm natu&#x0364;rliche ho&#x0364;here thieri&#x017F;che Seelenkraft, auch nur<lb/>
im gering&#x017F;ten Grade bey ihm wirk&#x017F;am bleibt; &#x017F;o lange be-<lb/>
&#x017F;itzt es noch &#x017F;ein gei&#x017F;tiges Leben. Da auch die Natur ver-<lb/>
nu&#x0364;nftiger Thiere ohne die genaue&#x017F;te Gemein&#x017F;chaft einer ver-<lb/>
nu&#x0364;nftigen Seele mit dem thieri&#x017F;chen Ko&#x0364;rper nicht gedacht<lb/>
werden kann, §. 603. 605. &#x017F;o dauret auch das gei&#x017F;tige,<lb/>
wie das &#x017F;innliche Leben, &#x017F;o lange fort, als die Seele eines<lb/>
Thieres mit &#x017F;einem Ko&#x0364;rper &#x017F;o in Gemein&#x017F;chaft bleibt, daß<lb/>
&#x017F;ie durch ihren Ver&#x017F;tand oder Willen nur irgend eine &#x017F;einer<lb/>
thieri&#x017F;chen Bewegungen als Seelenwirkungen wirket; und<lb/>
wenn die&#x017F;e Gemein&#x017F;chaft aufgehoben i&#x017F;t, d. i. wenn Ver-<lb/>
nunft und Wille ga&#x0364;nzlich zu wirken aufho&#x0364;ren, &#x017F;o kann doch<lb/>
das blos &#x017F;innliche Leben noch fortdauren. §. 620. 640.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 642.</head><lb/>
            <p>Alle die&#x017F;e Unter&#x017F;chiede des Lebens der Thiere &#x017F;ind zwar<lb/>
wirklich in der Natur, §. 638 &#x2014; 641. aber ihre Be-<lb/>
nennungen &#x017F;timmen mit dem eingefu&#x0364;hrten Redegebrauche<lb/>
nicht u&#x0364;berein, und daher dienen &#x017F;ie hier nur blos zur rich-<lb/>
tigern Unter&#x017F;cheidung der Begriffe. Dem Redegebrauche<lb/>
nach nennt man das &#x017F;innliche Leben bey blos &#x017F;innlichen Thie-<lb/>
ren, und das &#x017F;innliche und gei&#x017F;tige in Gemein&#x017F;chaft bey den<lb/>
vernu&#x0364;nftigen, <hi rendition="#fr">das eigentliche thieri&#x017F;che Leben,</hi> oder<lb/><hi rendition="#fr">das Leben eines Thieres,</hi> <hi rendition="#aq">B. M.</hi> §. 575. 576. welches<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">man</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[658/0682] III Th. Natur der Thiere im Ganzen. §. 638. 605. Die thieriſche Natur eines vernuͤnftigen Thieres ſetzet die thieriſche Natur der ſinnlichen zum Vor- aus. §. 617. Mithin iſt die ganze Natur §. 598. eines vernuͤnftigen Thieres aus dieſen beyden Naturen zuſammen- geſetzt. §. 613. Allein da das blos ſinnliche Leben ohne das geiſtige fortdauren kann, §. 620. ſo kann ein vernuͤnf- tiges Thier ſein geiſtiges Leben verlieren, ohne aufzuhoͤren ein ſinnliches Thier zu ſeyn, §. 603. d. i. es kann geiſtig todt, und doch belebt, beſeelt, als blos ſinnliches Thier fortdauren. Es wird alſo zum eigentlichen geiſtigen Leben eines Thieres nur die Fortdauer ſeiner hoͤhern thieriſchen Seelenkraͤfte gerechnet, §. 616. und ſo lange nur irgend eine ihm natuͤrliche hoͤhere thieriſche Seelenkraft, auch nur im geringſten Grade bey ihm wirkſam bleibt; ſo lange be- ſitzt es noch ſein geiſtiges Leben. Da auch die Natur ver- nuͤnftiger Thiere ohne die genaueſte Gemeinſchaft einer ver- nuͤnftigen Seele mit dem thieriſchen Koͤrper nicht gedacht werden kann, §. 603. 605. ſo dauret auch das geiſtige, wie das ſinnliche Leben, ſo lange fort, als die Seele eines Thieres mit ſeinem Koͤrper ſo in Gemeinſchaft bleibt, daß ſie durch ihren Verſtand oder Willen nur irgend eine ſeiner thieriſchen Bewegungen als Seelenwirkungen wirket; und wenn dieſe Gemeinſchaft aufgehoben iſt, d. i. wenn Ver- nunft und Wille gaͤnzlich zu wirken aufhoͤren, ſo kann doch das blos ſinnliche Leben noch fortdauren. §. 620. 640. §. 642. Alle dieſe Unterſchiede des Lebens der Thiere ſind zwar wirklich in der Natur, §. 638 — 641. aber ihre Be- nennungen ſtimmen mit dem eingefuͤhrten Redegebrauche nicht uͤberein, und daher dienen ſie hier nur blos zur rich- tigern Unterſcheidung der Begriffe. Dem Redegebrauche nach nennt man das ſinnliche Leben bey blos ſinnlichen Thie- ren, und das ſinnliche und geiſtige in Gemeinſchaft bey den vernuͤnftigen, das eigentliche thieriſche Leben, oder das Leben eines Thieres, B. M. §. 575. 576. welches man

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_erstegruende_1771
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_erstegruende_1771/682
Zitationshilfe: Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771, S. 658. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_erstegruende_1771/682>, abgerufen am 25.11.2024.