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Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771.

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3 Kap. Ursprung der thierischen Natur.
fenheit der Säfte, die ihn durchfließen und nähren, ge-
waltsame Bewegungen derselben in der Frucht, gewaltthä-
tige äußere Ursachen, welche ihre Strucktur verletzen, oder
ihren Wachsthum zum Theil hindern, zween oder mehrere
zufälliger Weise unnatürlich verwachsene Keime, die sich
zugleich entwickeln, und viel andre ganz zufällige Ursachen,
können Misgeburten, unnatürliche Bildungen ge-
wisser Theile, Verstümmelungen, Doppelgeburten,
und Muttermäler
an den Früchten der Thiere erzeugen.
H. P. §. 887. op. min. T. 3. vom Anfange bis pag. 190.
Jn so fern die heftigsten äußern Empfindungen, andre äu-
ßerst lebhafte sinnliche Vorstellungen, Triebe, Leidenschaf-
ten, und selbst die freywilligen Handlungen der Mütter,
durch diese und dergleichen Ursachen in der Frucht wirken
können, ist allerdings ein Zusammenhang zwischen den
Seelenwirkungen dieser Vorstellungen im Körper der Mut-
ter mit diesen unnatürlichen Beschaffenheiten des Körpers
ihrer Frucht möglich. Allein eine Harmonie der Seelen-
wirkungen beyder ist erdichtet, §. 634. und die vorgebli-
chen Seelenwirkungen der Einbildungen, Triebe, etc. die
im Körper der Frucht sichtbare Spuren hinterlassen sollen,
die gleichwohl nimmermehr auch nur einigermaßen im Kör-
per der Mutter selbst davon entstehen, sind unerweisliche
Folgen dieser erdichteten Harmonie, die sich gemeiniglich
auf die unglaubwürdigsten Zeugnisse des Aberglaubens und
der Einfalt gründen.

§. 637.

Blos organische natürliche Körper können durch kei-
ne Entwickelung ihrer Strucktur thierische, auch nicht
einmal unbeseelte thierische Körper werden, ehe sich nicht
wenigstens Nerven mit Lebensgeistern ihnen einverleiben,
§. 628. und ein solcher Uebergang aus natürlichen blos
organischen Körpern in thierische, ist nirgends in der Na-
tur, §. 630. wie Needham irrig glaubet. Ein Thier
setzet einen thierischen Keim zu seiner Erzeugung voraus,

und

3 Kap. Urſprung der thieriſchen Natur.
fenheit der Saͤfte, die ihn durchfließen und naͤhren, ge-
waltſame Bewegungen derſelben in der Frucht, gewaltthaͤ-
tige aͤußere Urſachen, welche ihre Strucktur verletzen, oder
ihren Wachsthum zum Theil hindern, zween oder mehrere
zufaͤlliger Weiſe unnatuͤrlich verwachſene Keime, die ſich
zugleich entwickeln, und viel andre ganz zufaͤllige Urſachen,
koͤnnen Misgeburten, unnatuͤrliche Bildungen ge-
wiſſer Theile, Verſtuͤmmelungen, Doppelgeburten,
und Muttermaͤler
an den Fruͤchten der Thiere erzeugen.
H. P. §. 887. op. min. T. 3. vom Anfange bis pag. 190.
Jn ſo fern die heftigſten aͤußern Empfindungen, andre aͤu-
ßerſt lebhafte ſinnliche Vorſtellungen, Triebe, Leidenſchaf-
ten, und ſelbſt die freywilligen Handlungen der Muͤtter,
durch dieſe und dergleichen Urſachen in der Frucht wirken
koͤnnen, iſt allerdings ein Zuſammenhang zwiſchen den
Seelenwirkungen dieſer Vorſtellungen im Koͤrper der Mut-
ter mit dieſen unnatuͤrlichen Beſchaffenheiten des Koͤrpers
ihrer Frucht moͤglich. Allein eine Harmonie der Seelen-
wirkungen beyder iſt erdichtet, §. 634. und die vorgebli-
chen Seelenwirkungen der Einbildungen, Triebe, ꝛc. die
im Koͤrper der Frucht ſichtbare Spuren hinterlaſſen ſollen,
die gleichwohl nimmermehr auch nur einigermaßen im Koͤr-
per der Mutter ſelbſt davon entſtehen, ſind unerweisliche
Folgen dieſer erdichteten Harmonie, die ſich gemeiniglich
auf die unglaubwuͤrdigſten Zeugniſſe des Aberglaubens und
der Einfalt gruͤnden.

§. 637.

Blos organiſche natuͤrliche Koͤrper koͤnnen durch kei-
ne Entwickelung ihrer Strucktur thieriſche, auch nicht
einmal unbeſeelte thieriſche Koͤrper werden, ehe ſich nicht
wenigſtens Nerven mit Lebensgeiſtern ihnen einverleiben,
§. 628. und ein ſolcher Uebergang aus natuͤrlichen blos
organiſchen Koͤrpern in thieriſche, iſt nirgends in der Na-
tur, §. 630. wie Needham irrig glaubet. Ein Thier
ſetzet einen thieriſchen Keim zu ſeiner Erzeugung voraus,

und
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[655/0679] 3 Kap. Urſprung der thieriſchen Natur. fenheit der Saͤfte, die ihn durchfließen und naͤhren, ge- waltſame Bewegungen derſelben in der Frucht, gewaltthaͤ- tige aͤußere Urſachen, welche ihre Strucktur verletzen, oder ihren Wachsthum zum Theil hindern, zween oder mehrere zufaͤlliger Weiſe unnatuͤrlich verwachſene Keime, die ſich zugleich entwickeln, und viel andre ganz zufaͤllige Urſachen, koͤnnen Misgeburten, unnatuͤrliche Bildungen ge- wiſſer Theile, Verſtuͤmmelungen, Doppelgeburten, und Muttermaͤler an den Fruͤchten der Thiere erzeugen. H. P. §. 887. op. min. T. 3. vom Anfange bis pag. 190. Jn ſo fern die heftigſten aͤußern Empfindungen, andre aͤu- ßerſt lebhafte ſinnliche Vorſtellungen, Triebe, Leidenſchaf- ten, und ſelbſt die freywilligen Handlungen der Muͤtter, durch dieſe und dergleichen Urſachen in der Frucht wirken koͤnnen, iſt allerdings ein Zuſammenhang zwiſchen den Seelenwirkungen dieſer Vorſtellungen im Koͤrper der Mut- ter mit dieſen unnatuͤrlichen Beſchaffenheiten des Koͤrpers ihrer Frucht moͤglich. Allein eine Harmonie der Seelen- wirkungen beyder iſt erdichtet, §. 634. und die vorgebli- chen Seelenwirkungen der Einbildungen, Triebe, ꝛc. die im Koͤrper der Frucht ſichtbare Spuren hinterlaſſen ſollen, die gleichwohl nimmermehr auch nur einigermaßen im Koͤr- per der Mutter ſelbſt davon entſtehen, ſind unerweisliche Folgen dieſer erdichteten Harmonie, die ſich gemeiniglich auf die unglaubwuͤrdigſten Zeugniſſe des Aberglaubens und der Einfalt gruͤnden. §. 637. Blos organiſche natuͤrliche Koͤrper koͤnnen durch kei- ne Entwickelung ihrer Strucktur thieriſche, auch nicht einmal unbeſeelte thieriſche Koͤrper werden, ehe ſich nicht wenigſtens Nerven mit Lebensgeiſtern ihnen einverleiben, §. 628. und ein ſolcher Uebergang aus natuͤrlichen blos organiſchen Koͤrpern in thieriſche, iſt nirgends in der Na- tur, §. 630. wie Needham irrig glaubet. Ein Thier ſetzet einen thieriſchen Keim zu ſeiner Erzeugung voraus, und

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Zitationshilfe: Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771, S. 655. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_erstegruende_1771/679>, abgerufen am 22.11.2024.