Thiere herzuleiten, da es doch nur in der Vorherbestim- mung der Natur zu suchen ist.
7. Eine andre Einwendung gegen die unbeseelten Thie- re ist gemein, trifft aber unser System nicht. "Da man "doch keine einzige Pflanze, oder andre mechanische Ma- "schine auf Erden findet, die solche Verrichtungen, wie ir- "gend ein dergleichen für unbeseelt gehaltenes Thier leisten "sollte, und diese Verrichtungen blos mit denen von beseel- "ten Thieren übereinstimmen; so ist es natürlich, auch diese "für beseelt zu halten." Nein! Es folget daraus nichts mehr, als daß es natürlich sey, sie nicht für blos physische Körper, nicht für blos mechanische Maschinen, nicht für blos organische Körper, wie Cartesius irrig gethan, son- dern für belebte Thiere zu halten, die entweder beseelt seyn können, oder nicht. §. 600. 603. Diese werden beyde durch thierische Kräfte beweget, welches von keinen unter jenen gesaget werden kann, §. 6. und die unbeseelten unter diesen sind die einzigen, welche solcher thierischer Verrich- tungen fähig sind, die mit denen von beseelten Thieren über- einstimmen. §. 611. Ein unbeseeltes Thier ist nichts weni- ger als eine blos mechanische Maschine. §. 366.
8. "Es ist doch möglich und natürlicher, daß alle diese "zweydeutigen Thiere, ob sie gleich keine Spur von klaren "Empfindungen oder andern Vorstellungen äußern, noch "sich jemals bewußt sind, nur durch sehr dunkle Empfin- "dungen ihrer äußern sinnlichen Eindrücke thierisch regieret "werden." Wollte man aber gleich diese umsonst ange- nommene Meynung für natürlicher halten, das sie doch nicht ist, weil es eben so verschiedene Arten von Thieren, als von andern Geschöpfen in der Natur geben kann; (S. §. 627.) so ist sie doch unwahrscheinlicher, weil die thieri- schen Handlungen solcher Thiere eben dieselben sind, welche enthauptete beseelte, worinn auch keine dunkle Vorstellun- gen mehr möglich sind, durch die bloßen Nervenkräfte ver- richten.
§. 626.
III Th. Natur der Thiere im Ganzen.
Thiere herzuleiten, da es doch nur in der Vorherbeſtim- mung der Natur zu ſuchen iſt.
7. Eine andre Einwendung gegen die unbeſeelten Thie- re iſt gemein, trifft aber unſer Syſtem nicht. „Da man „doch keine einzige Pflanze, oder andre mechaniſche Ma- „ſchine auf Erden findet, die ſolche Verrichtungen, wie ir- „gend ein dergleichen fuͤr unbeſeelt gehaltenes Thier leiſten „ſollte, und dieſe Verrichtungen blos mit denen von beſeel- „ten Thieren uͤbereinſtimmen; ſo iſt es natuͤrlich, auch dieſe „fuͤr beſeelt zu halten.“ Nein! Es folget daraus nichts mehr, als daß es natuͤrlich ſey, ſie nicht fuͤr blos phyſiſche Koͤrper, nicht fuͤr blos mechaniſche Maſchinen, nicht fuͤr blos organiſche Koͤrper, wie Carteſius irrig gethan, ſon- dern fuͤr belebte Thiere zu halten, die entweder beſeelt ſeyn koͤnnen, oder nicht. §. 600. 603. Dieſe werden beyde durch thieriſche Kraͤfte beweget, welches von keinen unter jenen geſaget werden kann, §. 6. und die unbeſeelten unter dieſen ſind die einzigen, welche ſolcher thieriſcher Verrich- tungen faͤhig ſind, die mit denen von beſeelten Thieren uͤber- einſtimmen. §. 611. Ein unbeſeeltes Thier iſt nichts weni- ger als eine blos mechaniſche Maſchine. §. 366.
8. „Es iſt doch moͤglich und natuͤrlicher, daß alle dieſe „zweydeutigen Thiere, ob ſie gleich keine Spur von klaren „Empfindungen oder andern Vorſtellungen aͤußern, noch „ſich jemals bewußt ſind, nur durch ſehr dunkle Empfin- „dungen ihrer aͤußern ſinnlichen Eindruͤcke thieriſch regieret „werden.“ Wollte man aber gleich dieſe umſonſt ange- nommene Meynung fuͤr natuͤrlicher halten, das ſie doch nicht iſt, weil es eben ſo verſchiedene Arten von Thieren, als von andern Geſchoͤpfen in der Natur geben kann; (S. §. 627.) ſo iſt ſie doch unwahrſcheinlicher, weil die thieri- ſchen Handlungen ſolcher Thiere eben dieſelben ſind, welche enthauptete beſeelte, worinn auch keine dunkle Vorſtellun- gen mehr moͤglich ſind, durch die bloßen Nervenkraͤfte ver- richten.
§. 626.
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III Th. Natur der Thiere im Ganzen.
Thiere herzuleiten, da es doch nur in der Vorherbeſtim-
mung der Natur zu ſuchen iſt.
7. Eine andre Einwendung gegen die unbeſeelten Thie-
re iſt gemein, trifft aber unſer Syſtem nicht. „Da man
„doch keine einzige Pflanze, oder andre mechaniſche Ma-
„ſchine auf Erden findet, die ſolche Verrichtungen, wie ir-
„gend ein dergleichen fuͤr unbeſeelt gehaltenes Thier leiſten
„ſollte, und dieſe Verrichtungen blos mit denen von beſeel-
„ten Thieren uͤbereinſtimmen; ſo iſt es natuͤrlich, auch dieſe
„fuͤr beſeelt zu halten.“ Nein! Es folget daraus nichts
mehr, als daß es natuͤrlich ſey, ſie nicht fuͤr blos phyſiſche
Koͤrper, nicht fuͤr blos mechaniſche Maſchinen, nicht fuͤr
blos organiſche Koͤrper, wie Carteſius irrig gethan, ſon-
dern fuͤr belebte Thiere zu halten, die entweder beſeelt ſeyn
koͤnnen, oder nicht. §. 600. 603. Dieſe werden beyde
durch thieriſche Kraͤfte beweget, welches von keinen unter
jenen geſaget werden kann, §. 6. und die unbeſeelten unter
dieſen ſind die einzigen, welche ſolcher thieriſcher Verrich-
tungen faͤhig ſind, die mit denen von beſeelten Thieren uͤber-
einſtimmen. §. 611. Ein unbeſeeltes Thier iſt nichts weni-
ger als eine blos mechaniſche Maſchine. §. 366.
8. „Es iſt doch moͤglich und natuͤrlicher, daß alle dieſe
„zweydeutigen Thiere, ob ſie gleich keine Spur von klaren
„Empfindungen oder andern Vorſtellungen aͤußern, noch
„ſich jemals bewußt ſind, nur durch ſehr dunkle Empfin-
„dungen ihrer aͤußern ſinnlichen Eindruͤcke thieriſch regieret
„werden.“ Wollte man aber gleich dieſe umſonſt ange-
nommene Meynung fuͤr natuͤrlicher halten, das ſie doch
nicht iſt, weil es eben ſo verſchiedene Arten von Thieren,
als von andern Geſchoͤpfen in der Natur geben kann; (S.
§. 627.) ſo iſt ſie doch unwahrſcheinlicher, weil die thieri-
ſchen Handlungen ſolcher Thiere eben dieſelben ſind, welche
enthauptete beſeelte, worinn auch keine dunkle Vorſtellun-
gen mehr moͤglich ſind, durch die bloßen Nervenkraͤfte ver-
richten.
§. 626.
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Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771, S. 642. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_erstegruende_1771/666>, abgerufen am 03.02.2025.
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