Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771.III Th. Natur der Thiere im Ganzen. mithin können selbst die geselligen Handlungen der Jnsekten,ob sie gleich beseelt wären, durch die bloßen Nervenkräfte der äußern sinnlichen Eindrücke bewerkstelliget werden; und daß dieses sogar bey andern, unstreitig denkenden Thieren oft wirklich geschehe, lehren unläugbare Erfahrungen. §. 555 -- 557. 625. N. 4. Mit welchem Grunde kann man also wohl von den geselligen Handlungen dieser Thiere auf ihre Beseelung schließen? Wenn die Handlungen der Thiere in einer gewissen bestimmten Verbindung unterein- ander selbst, oder mit den Handlungen anderer erfolgen sollen, so müssen nur die sinnlichen Eindrücke, die sie wir- ken, in dieser Ordnung erreget werden, und so können sie erfolgen, es mögen diese sinnlichen Eindrücke empfunden, oder von Vorstellungen verursachet werden, oder nicht. Welchen Weg von diesen die Natur bey den geselligen Jn- sekten gewählet habe, das muß man aus den Gründen der Wahrscheinlichkeit, ob dieselben beseelt seyn können, oder nicht? schließen: aber verkehrt würde es seyn, daraus, weil es auf zweyerley Weise möglich war, zu beweisen, daß es durch die Beseelung geschehen sey. Die Wahrscheinlich- keit ist bey den Jnsekten wider die Beseelung, weil sie ent- weder gar kein, oder doch kein so beschaffenes Gehirn ha- ben, wie die unstreitig beseelten Thiere. §. 624. N. 3. 4. Wollte man einwenden, daß gleichwohl die Bienen und Ameisen ihre gesellige Lebensart nicht mehr fortsetzen, nach- dem sie der Köpfe und ihres Gehirns beraubet worden sind, so muß man bedenken, daß ihnen hierdurch das vornehm- ste Werkzeug genommen worden sey, wodurch sie die äu- ßern sinnlichen Eindrücke empfangen müssen, die ihre ge- selligen Handlungen veranlassen und zweckmäßig bestim- men: denn ihre Köpfe sind mit Augen versehen, wodurch viele Bewegungen der andern ihnen äußere sinnliche Ein- drücke geben, und Nervenwirkungen verursachen, die es sonst nicht thun würden, §. 625. N. 3. und alle diese ge- hen ihnen mit dem Haupte verloren. Wenn ein Thier dem andern begegnet, und ihm ausweicht, wenn es ein ihm feindli-
III Th. Natur der Thiere im Ganzen. mithin koͤnnen ſelbſt die geſelligen Handlungen der Jnſekten,ob ſie gleich beſeelt waͤren, durch die bloßen Nervenkraͤfte der aͤußern ſinnlichen Eindruͤcke bewerkſtelliget werden; und daß dieſes ſogar bey andern, unſtreitig denkenden Thieren oft wirklich geſchehe, lehren unlaͤugbare Erfahrungen. §. 555 — 557. 625. N. 4. Mit welchem Grunde kann man alſo wohl von den geſelligen Handlungen dieſer Thiere auf ihre Beſeelung ſchließen? Wenn die Handlungen der Thiere in einer gewiſſen beſtimmten Verbindung unterein- ander ſelbſt, oder mit den Handlungen anderer erfolgen ſollen, ſo muͤſſen nur die ſinnlichen Eindruͤcke, die ſie wir- ken, in dieſer Ordnung erreget werden, und ſo koͤnnen ſie erfolgen, es moͤgen dieſe ſinnlichen Eindruͤcke empfunden, oder von Vorſtellungen verurſachet werden, oder nicht. Welchen Weg von dieſen die Natur bey den geſelligen Jn- ſekten gewaͤhlet habe, das muß man aus den Gruͤnden der Wahrſcheinlichkeit, ob dieſelben beſeelt ſeyn koͤnnen, oder nicht? ſchließen: aber verkehrt wuͤrde es ſeyn, daraus, weil es auf zweyerley Weiſe moͤglich war, zu beweiſen, daß es durch die Beſeelung geſchehen ſey. Die Wahrſcheinlich- keit iſt bey den Jnſekten wider die Beſeelung, weil ſie ent- weder gar kein, oder doch kein ſo beſchaffenes Gehirn ha- ben, wie die unſtreitig beſeelten Thiere. §. 624. N. 3. 4. Wollte man einwenden, daß gleichwohl die Bienen und Ameiſen ihre geſellige Lebensart nicht mehr fortſetzen, nach- dem ſie der Koͤpfe und ihres Gehirns beraubet worden ſind, ſo muß man bedenken, daß ihnen hierdurch das vornehm- ſte Werkzeug genommen worden ſey, wodurch ſie die aͤu- ßern ſinnlichen Eindruͤcke empfangen muͤſſen, die ihre ge- ſelligen Handlungen veranlaſſen und zweckmaͤßig beſtim- men: denn ihre Koͤpfe ſind mit Augen verſehen, wodurch viele Bewegungen der andern ihnen aͤußere ſinnliche Ein- druͤcke geben, und Nervenwirkungen verurſachen, die es ſonſt nicht thun wuͤrden, §. 625. N. 3. und alle dieſe ge- hen ihnen mit dem Haupte verloren. Wenn ein Thier dem andern begegnet, und ihm ausweicht, wenn es ein ihm feindli-
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0664" n="640"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">III</hi> Th. Natur der Thiere im Ganzen.</hi></fw><lb/> mithin koͤnnen ſelbſt die geſelligen Handlungen der Jnſekten,<lb/> ob ſie gleich beſeelt waͤren, durch die bloßen Nervenkraͤfte<lb/> der aͤußern ſinnlichen Eindruͤcke bewerkſtelliget werden; und<lb/> daß dieſes ſogar bey andern, unſtreitig denkenden Thieren<lb/> oft wirklich geſchehe, lehren unlaͤugbare Erfahrungen. §.<lb/> 555 — 557. 625. <hi rendition="#aq">N.</hi> 4. Mit welchem Grunde kann<lb/> man alſo wohl von den geſelligen Handlungen dieſer Thiere<lb/> auf ihre Beſeelung ſchließen? Wenn die Handlungen der<lb/> Thiere in einer gewiſſen beſtimmten Verbindung unterein-<lb/> ander ſelbſt, oder mit den Handlungen anderer erfolgen<lb/> ſollen, ſo muͤſſen nur die ſinnlichen Eindruͤcke, die ſie wir-<lb/> ken, in dieſer Ordnung erreget werden, und ſo koͤnnen ſie<lb/> erfolgen, es moͤgen dieſe ſinnlichen Eindruͤcke empfunden,<lb/> oder von Vorſtellungen verurſachet werden, oder nicht.<lb/> Welchen Weg von dieſen die Natur bey den geſelligen Jn-<lb/> ſekten gewaͤhlet habe, das muß man aus den Gruͤnden der<lb/> Wahrſcheinlichkeit, ob dieſelben beſeelt ſeyn koͤnnen, oder<lb/> nicht? ſchließen: aber verkehrt wuͤrde es ſeyn, daraus, weil<lb/> es auf zweyerley Weiſe moͤglich war, zu beweiſen, daß es<lb/> durch die Beſeelung geſchehen ſey. Die Wahrſcheinlich-<lb/> keit iſt bey den Jnſekten wider die Beſeelung, weil ſie ent-<lb/> weder gar kein, oder doch kein ſo beſchaffenes Gehirn ha-<lb/> ben, wie die unſtreitig beſeelten Thiere. §. 624. <hi rendition="#aq">N.</hi> 3. 4.<lb/> Wollte man einwenden, daß gleichwohl die Bienen und<lb/> Ameiſen ihre geſellige Lebensart nicht mehr fortſetzen, nach-<lb/> dem ſie der Koͤpfe und ihres Gehirns beraubet worden ſind,<lb/> ſo muß man bedenken, daß ihnen hierdurch das vornehm-<lb/> ſte Werkzeug genommen worden ſey, wodurch ſie die aͤu-<lb/> ßern ſinnlichen Eindruͤcke empfangen muͤſſen, die ihre ge-<lb/> ſelligen Handlungen veranlaſſen und zweckmaͤßig beſtim-<lb/> men: denn ihre Koͤpfe ſind mit Augen verſehen, wodurch<lb/> viele Bewegungen der andern ihnen aͤußere ſinnliche Ein-<lb/> druͤcke geben, und Nervenwirkungen verurſachen, die es<lb/> ſonſt nicht thun wuͤrden, §. 625. <hi rendition="#aq">N.</hi> 3. und alle dieſe ge-<lb/> hen ihnen mit dem Haupte verloren. Wenn ein Thier dem<lb/> andern begegnet, und ihm ausweicht, wenn es ein ihm<lb/> <fw place="bottom" type="catch">feindli-</fw><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [640/0664]
III Th. Natur der Thiere im Ganzen.
mithin koͤnnen ſelbſt die geſelligen Handlungen der Jnſekten,
ob ſie gleich beſeelt waͤren, durch die bloßen Nervenkraͤfte
der aͤußern ſinnlichen Eindruͤcke bewerkſtelliget werden; und
daß dieſes ſogar bey andern, unſtreitig denkenden Thieren
oft wirklich geſchehe, lehren unlaͤugbare Erfahrungen. §.
555 — 557. 625. N. 4. Mit welchem Grunde kann
man alſo wohl von den geſelligen Handlungen dieſer Thiere
auf ihre Beſeelung ſchließen? Wenn die Handlungen der
Thiere in einer gewiſſen beſtimmten Verbindung unterein-
ander ſelbſt, oder mit den Handlungen anderer erfolgen
ſollen, ſo muͤſſen nur die ſinnlichen Eindruͤcke, die ſie wir-
ken, in dieſer Ordnung erreget werden, und ſo koͤnnen ſie
erfolgen, es moͤgen dieſe ſinnlichen Eindruͤcke empfunden,
oder von Vorſtellungen verurſachet werden, oder nicht.
Welchen Weg von dieſen die Natur bey den geſelligen Jn-
ſekten gewaͤhlet habe, das muß man aus den Gruͤnden der
Wahrſcheinlichkeit, ob dieſelben beſeelt ſeyn koͤnnen, oder
nicht? ſchließen: aber verkehrt wuͤrde es ſeyn, daraus, weil
es auf zweyerley Weiſe moͤglich war, zu beweiſen, daß es
durch die Beſeelung geſchehen ſey. Die Wahrſcheinlich-
keit iſt bey den Jnſekten wider die Beſeelung, weil ſie ent-
weder gar kein, oder doch kein ſo beſchaffenes Gehirn ha-
ben, wie die unſtreitig beſeelten Thiere. §. 624. N. 3. 4.
Wollte man einwenden, daß gleichwohl die Bienen und
Ameiſen ihre geſellige Lebensart nicht mehr fortſetzen, nach-
dem ſie der Koͤpfe und ihres Gehirns beraubet worden ſind,
ſo muß man bedenken, daß ihnen hierdurch das vornehm-
ſte Werkzeug genommen worden ſey, wodurch ſie die aͤu-
ßern ſinnlichen Eindruͤcke empfangen muͤſſen, die ihre ge-
ſelligen Handlungen veranlaſſen und zweckmaͤßig beſtim-
men: denn ihre Koͤpfe ſind mit Augen verſehen, wodurch
viele Bewegungen der andern ihnen aͤußere ſinnliche Ein-
druͤcke geben, und Nervenwirkungen verurſachen, die es
ſonſt nicht thun wuͤrden, §. 625. N. 3. und alle dieſe ge-
hen ihnen mit dem Haupte verloren. Wenn ein Thier dem
andern begegnet, und ihm ausweicht, wenn es ein ihm
feindli-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |