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Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771.

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1 Kap. Die thierische Natur überhaupt.
eher genauer bestimmen, als bis wir die Gesetze der thieri-
schen bewegenden Kräfte kennen gelernet haben. Wenn
Einige die Pflanzen von den Thieren durch die willkührli-
chen Bewegungen, Andre durch die Wirkungen der Leiden-
schaften, und andrer Vorstellungen in den Körper, Andre
durch die äußern Empfindungen unterscheiden, so läuft die-
ses Alles im Grunde auf den obigen Unterschied hinaus:
denn sie erkennen eine bewegende Kraft in solchen Körpern,
die sich in ihren Wirkungen von den physischen und mecha-
nischen durch ganz andre Gesetze ihrer Wirkung unterschei-
det. Weil aber diese Unterschiede insgesammt nur von den
thierischen Seelenkräften des Gehirns hergenommen sind,
gleichwohl aber die Nerven an sich auch noch besondre thie-
rische Kräfte besitzen, die sich auf diesen zu engen Unter-
schied nicht passen; so wissen die, die ihn für allgemein hal-
ten, sich nicht zu helfen, wenn sie entscheiden sollen, ob
ein gewisser organischer Körper, dem sie unmöglich thieri-
sche Seelenkräfte beylegen können, eine Pflanze oder ein
Thier sey? Daher verwirren alle die Versuche mit ent-
haupteten Thieren, die sich gleichwohl durch die bloßen
Nervenkräfte thierisch bewegen, die ohne Kopf lebendig
gebornen Misgeburten, die Thiere, die von Natur ohne
Kopf und Gehirn leben und keine Spur von Vorstellun-
gen äußern, etc. ihre Begriffe völlig und sie sind außer
Stande ein Urtheil von ihnen zu fällen. Hingegen ist in
diesen Fällen gar keine Schwierigkeit zur Entscheidung,
wenn man den obigen allgemeinern Unterschied zum Grun-
de leget: denn ohngeachtet des gänzlichen Mangels aller
Vorstellungen, bewegen sich doch alle diese organischen
Körper von einem äußern sinnlichen Eindrucke auf eine
ganz andre Art und nach ganz andern Gesetzen, als es
eine Pflanze, oder irgend ein andrer physischer oder mecha-
nischer Körper von eben derselben Berührung thun würde.
Jtzt, da wir die Nervenkräfte der äußern sinnlichen Ein-
drücke in thierischen Maschinen kennen, und wissen, daß
sie den beseelten Thieren eigen sind, und in ihnen eben die-

selben
Q q 2

1 Kap. Die thieriſche Natur uͤberhaupt.
eher genauer beſtimmen, als bis wir die Geſetze der thieri-
ſchen bewegenden Kraͤfte kennen gelernet haben. Wenn
Einige die Pflanzen von den Thieren durch die willkuͤhrli-
chen Bewegungen, Andre durch die Wirkungen der Leiden-
ſchaften, und andrer Vorſtellungen in den Koͤrper, Andre
durch die aͤußern Empfindungen unterſcheiden, ſo laͤuft die-
ſes Alles im Grunde auf den obigen Unterſchied hinaus:
denn ſie erkennen eine bewegende Kraft in ſolchen Koͤrpern,
die ſich in ihren Wirkungen von den phyſiſchen und mecha-
niſchen durch ganz andre Geſetze ihrer Wirkung unterſchei-
det. Weil aber dieſe Unterſchiede insgeſammt nur von den
thieriſchen Seelenkraͤften des Gehirns hergenommen ſind,
gleichwohl aber die Nerven an ſich auch noch beſondre thie-
riſche Kraͤfte beſitzen, die ſich auf dieſen zu engen Unter-
ſchied nicht paſſen; ſo wiſſen die, die ihn fuͤr allgemein hal-
ten, ſich nicht zu helfen, wenn ſie entſcheiden ſollen, ob
ein gewiſſer organiſcher Koͤrper, dem ſie unmoͤglich thieri-
ſche Seelenkraͤfte beylegen koͤnnen, eine Pflanze oder ein
Thier ſey? Daher verwirren alle die Verſuche mit ent-
haupteten Thieren, die ſich gleichwohl durch die bloßen
Nervenkraͤfte thieriſch bewegen, die ohne Kopf lebendig
gebornen Misgeburten, die Thiere, die von Natur ohne
Kopf und Gehirn leben und keine Spur von Vorſtellun-
gen aͤußern, ꝛc. ihre Begriffe voͤllig und ſie ſind außer
Stande ein Urtheil von ihnen zu faͤllen. Hingegen iſt in
dieſen Faͤllen gar keine Schwierigkeit zur Entſcheidung,
wenn man den obigen allgemeinern Unterſchied zum Grun-
de leget: denn ohngeachtet des gaͤnzlichen Mangels aller
Vorſtellungen, bewegen ſich doch alle dieſe organiſchen
Koͤrper von einem aͤußern ſinnlichen Eindrucke auf eine
ganz andre Art und nach ganz andern Geſetzen, als es
eine Pflanze, oder irgend ein andrer phyſiſcher oder mecha-
niſcher Koͤrper von eben derſelben Beruͤhrung thun wuͤrde.
Jtzt, da wir die Nervenkraͤfte der aͤußern ſinnlichen Ein-
druͤcke in thieriſchen Maſchinen kennen, und wiſſen, daß
ſie den beſeelten Thieren eigen ſind, und in ihnen eben die-

ſelben
Q q 2
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[611/0635] 1 Kap. Die thieriſche Natur uͤberhaupt. eher genauer beſtimmen, als bis wir die Geſetze der thieri- ſchen bewegenden Kraͤfte kennen gelernet haben. Wenn Einige die Pflanzen von den Thieren durch die willkuͤhrli- chen Bewegungen, Andre durch die Wirkungen der Leiden- ſchaften, und andrer Vorſtellungen in den Koͤrper, Andre durch die aͤußern Empfindungen unterſcheiden, ſo laͤuft die- ſes Alles im Grunde auf den obigen Unterſchied hinaus: denn ſie erkennen eine bewegende Kraft in ſolchen Koͤrpern, die ſich in ihren Wirkungen von den phyſiſchen und mecha- niſchen durch ganz andre Geſetze ihrer Wirkung unterſchei- det. Weil aber dieſe Unterſchiede insgeſammt nur von den thieriſchen Seelenkraͤften des Gehirns hergenommen ſind, gleichwohl aber die Nerven an ſich auch noch beſondre thie- riſche Kraͤfte beſitzen, die ſich auf dieſen zu engen Unter- ſchied nicht paſſen; ſo wiſſen die, die ihn fuͤr allgemein hal- ten, ſich nicht zu helfen, wenn ſie entſcheiden ſollen, ob ein gewiſſer organiſcher Koͤrper, dem ſie unmoͤglich thieri- ſche Seelenkraͤfte beylegen koͤnnen, eine Pflanze oder ein Thier ſey? Daher verwirren alle die Verſuche mit ent- haupteten Thieren, die ſich gleichwohl durch die bloßen Nervenkraͤfte thieriſch bewegen, die ohne Kopf lebendig gebornen Misgeburten, die Thiere, die von Natur ohne Kopf und Gehirn leben und keine Spur von Vorſtellun- gen aͤußern, ꝛc. ihre Begriffe voͤllig und ſie ſind außer Stande ein Urtheil von ihnen zu faͤllen. Hingegen iſt in dieſen Faͤllen gar keine Schwierigkeit zur Entſcheidung, wenn man den obigen allgemeinern Unterſchied zum Grun- de leget: denn ohngeachtet des gaͤnzlichen Mangels aller Vorſtellungen, bewegen ſich doch alle dieſe organiſchen Koͤrper von einem aͤußern ſinnlichen Eindrucke auf eine ganz andre Art und nach ganz andern Geſetzen, als es eine Pflanze, oder irgend ein andrer phyſiſcher oder mecha- niſcher Koͤrper von eben derſelben Beruͤhrung thun wuͤrde. Jtzt, da wir die Nervenkraͤfte der aͤußern ſinnlichen Ein- druͤcke in thieriſchen Maſchinen kennen, und wiſſen, daß ſie den beſeelten Thieren eigen ſind, und in ihnen eben die- ſelben Q q 2

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Zitationshilfe: Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771, S. 611. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_erstegruende_1771/635>, abgerufen am 24.11.2024.