Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771.2 Abschn. Ersetz. der Nervenw. durch Seelenw. Empfindungen dieser äußern sinnlichen Eindrücke dieselbenBewegungen vollständig als Seelenwirkungen ihrer äu- ßern Empfindung an der berührten Stelle mitgewirket wer- den müssen, zumal da sie im natürlichen Zustande bey der Empfindung nie außen bleiben, welches doch möglich seyn würde, wenn sie stets nur allein Nervenwirkungen der äu- ßern sinnlichen Eindrücke wären. Nun lehret aber die tägliche Erfahrung, daß jenes geschehe: also kann man auch die Folge nicht miskennen. Wenn uns ein Brech- mittel durch eine unmittelbare Nervenwirkung in den Ma- gen ein Erbrechen verursachet, und die Einbildung, daß wir ein solches Mittel verschlungen hätten, oder die Vor- hersehung, daß wirs wieder verschlängen, erreget uns ein Würgen und Erbrechen, so ists natürlich zu schließen, daß ein äußerer sinnlicher Eindruck von einem solchen Brech- mittel im Magen, den, oder dessen Nervenwirkungen wir empfinden, §. 443. eben dieselbe thierische Bewegung, das Erbrechen, als eine Seelenwirkung der äußern Em- pfindung davon an der berührten Stelle mitwirken müsse, die derselbe äußere sinnliche Eindruck zugleich als unmittel- bare Nervenwirkung daselbst erreget hat. Eben so sind die Fälle, wenn eine nur im Traume genommene Purganz dennoch ihre Wirkung thut, wenn uns von der Einbil- dung eines großen Frostes die Haut schaudert, wenn ein eingebildeter heftiger Schmerz in einem Muskel Zuckungen an derselben Stelle verursachet, wo man sich ihn einbil- det; wenn von einer im Traume eingebildeten Quetschung, von einem Schlage oder Stoße, von einem Drucke oder Kneipen, etc. Unterlaufungen und blaue Flecken an der Stelle erscheinen, wenn ein Hund, der vor Kälte zittert, sich Abends in den Schein eines Lichts leget, und nun sei- ne Haut und Glieder still hält, als ob er die Empfindung der Wärme fühlete, weil er sich einbildet, im Sonnen- scheine zu liegen etc. §. 588. P p 3
2 Abſchn. Erſetz. der Nervenw. durch Seelenw. Empfindungen dieſer aͤußern ſinnlichen Eindruͤcke dieſelbenBewegungen vollſtaͤndig als Seelenwirkungen ihrer aͤu- ßern Empfindung an der beruͤhrten Stelle mitgewirket wer- den muͤſſen, zumal da ſie im natuͤrlichen Zuſtande bey der Empfindung nie außen bleiben, welches doch moͤglich ſeyn wuͤrde, wenn ſie ſtets nur allein Nervenwirkungen der aͤu- ßern ſinnlichen Eindruͤcke waͤren. Nun lehret aber die taͤgliche Erfahrung, daß jenes geſchehe: alſo kann man auch die Folge nicht miskennen. Wenn uns ein Brech- mittel durch eine unmittelbare Nervenwirkung in den Ma- gen ein Erbrechen verurſachet, und die Einbildung, daß wir ein ſolches Mittel verſchlungen haͤtten, oder die Vor- herſehung, daß wirs wieder verſchlaͤngen, erreget uns ein Wuͤrgen und Erbrechen, ſo iſts natuͤrlich zu ſchließen, daß ein aͤußerer ſinnlicher Eindruck von einem ſolchen Brech- mittel im Magen, den, oder deſſen Nervenwirkungen wir empfinden, §. 443. eben dieſelbe thieriſche Bewegung, das Erbrechen, als eine Seelenwirkung der aͤußern Em- pfindung davon an der beruͤhrten Stelle mitwirken muͤſſe, die derſelbe aͤußere ſinnliche Eindruck zugleich als unmittel- bare Nervenwirkung daſelbſt erreget hat. Eben ſo ſind die Faͤlle, wenn eine nur im Traume genommene Purganz dennoch ihre Wirkung thut, wenn uns von der Einbil- dung eines großen Froſtes die Haut ſchaudert, wenn ein eingebildeter heftiger Schmerz in einem Muskel Zuckungen an derſelben Stelle verurſachet, wo man ſich ihn einbil- det; wenn von einer im Traume eingebildeten Quetſchung, von einem Schlage oder Stoße, von einem Drucke oder Kneipen, ꝛc. Unterlaufungen und blaue Flecken an der Stelle erſcheinen, wenn ein Hund, der vor Kaͤlte zittert, ſich Abends in den Schein eines Lichts leget, und nun ſei- ne Haut und Glieder ſtill haͤlt, als ob er die Empfindung der Waͤrme fuͤhlete, weil er ſich einbildet, im Sonnen- ſcheine zu liegen ꝛc. §. 588. P p 3
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2 Abſchn. Erſetz. der Nervenw. durch Seelenw.
Empfindungen dieſer aͤußern ſinnlichen Eindruͤcke dieſelben
Bewegungen vollſtaͤndig als Seelenwirkungen ihrer aͤu-
ßern Empfindung an der beruͤhrten Stelle mitgewirket wer-
den muͤſſen, zumal da ſie im natuͤrlichen Zuſtande bey der
Empfindung nie außen bleiben, welches doch moͤglich ſeyn
wuͤrde, wenn ſie ſtets nur allein Nervenwirkungen der aͤu-
ßern ſinnlichen Eindruͤcke waͤren. Nun lehret aber die
taͤgliche Erfahrung, daß jenes geſchehe: alſo kann man
auch die Folge nicht miskennen. Wenn uns ein Brech-
mittel durch eine unmittelbare Nervenwirkung in den Ma-
gen ein Erbrechen verurſachet, und die Einbildung, daß
wir ein ſolches Mittel verſchlungen haͤtten, oder die Vor-
herſehung, daß wirs wieder verſchlaͤngen, erreget uns ein
Wuͤrgen und Erbrechen, ſo iſts natuͤrlich zu ſchließen, daß
ein aͤußerer ſinnlicher Eindruck von einem ſolchen Brech-
mittel im Magen, den, oder deſſen Nervenwirkungen wir
empfinden, §. 443. eben dieſelbe thieriſche Bewegung,
das Erbrechen, als eine Seelenwirkung der aͤußern Em-
pfindung davon an der beruͤhrten Stelle mitwirken muͤſſe,
die derſelbe aͤußere ſinnliche Eindruck zugleich als unmittel-
bare Nervenwirkung daſelbſt erreget hat. Eben ſo ſind
die Faͤlle, wenn eine nur im Traume genommene Purganz
dennoch ihre Wirkung thut, wenn uns von der Einbil-
dung eines großen Froſtes die Haut ſchaudert, wenn ein
eingebildeter heftiger Schmerz in einem Muskel Zuckungen
an derſelben Stelle verurſachet, wo man ſich ihn einbil-
det; wenn von einer im Traume eingebildeten Quetſchung,
von einem Schlage oder Stoße, von einem Drucke oder
Kneipen, ꝛc. Unterlaufungen und blaue Flecken an der
Stelle erſcheinen, wenn ein Hund, der vor Kaͤlte zittert,
ſich Abends in den Schein eines Lichts leget, und nun ſei-
ne Haut und Glieder ſtill haͤlt, als ob er die Empfindung
der Waͤrme fuͤhlete, weil er ſich einbildet, im Sonnen-
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§. 588.
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