Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771.

Bild:
<< vorherige Seite

II Th. Nervenkr. 4 K. Verh. zu den th. Seelenkr.
bloße mittelbare Nervenwirkungen ihres äußern sinnlichen
Eindrucks seyn, da sich enthauptete Thiere von derglei-
chen äußern sinnlichen Eindrücken begatten. Ein Mensch,
dem ein Bein abgenommen worden, bildet sich ein, daß
er in diesem Beine Schmerz empfinde, und zucket mit
dem Schenkel und greift nach dem Beine. Diese will-
kührliche Bewegung ist die Seelenwirkung der eingebil-
deten Empfindung und kann eine bloße mittelbare Ner-
venwirkung ihres äußern sinnlichen Eindrucks seyn, weil
ein enthauptetes Thier von einem solchen äußern sinnli-
chen Eindrucke auch willkührlich scheinende Bewegungen
unternimmt. §. 555. Aus allen diesen und so viel
andern Erfahrungen erhellet genugsam, daß die mittel-
baren Nervenwirkungen der äußern sinnlichen Eindrücke,
wenn die letztern zugleich empfunden werden, im natür-
lichen Zustande allerdings zugleich wahre unmittelbare
oder zufällige Seelenwirkungen der Empfindung eben
derselben äußern sinnlichen Eindrücke sind, und daß also
das Empfinden derselben zur Erzeugung derjenigen thie-
rischen Bewegungen nichts Ueberflüssiges sey, die sie als
mittelbare Nervenwirkungen ohnehin hervorbringen
würden.

§. 585.

Die unmittelbaren Nervenwirkungen eines äu-
ßern sinnlichen Eindrucks,
das ist, die Wirkungen
der Reizbarkeit, §. 432. können überhaupt durch See-
lenwirkungen ersetzet werden. Denn da sie hauptsäch-
lich nur durch die Muskelfaser geschehen, §. 445.
welche alle thierische Seelenkräfte, von den äußern Em-
pfindungen an bis auf die freywilligen Handlungen,
thierisch bewegen können, die thierischen Bewegungen
der Muskeln aber eben dieselben sind, sie mögen See-
lenwirkungen oder Nervenwirkungen seyn; §. 161. 162.
so läßt sich keine Wirkung der Reizbarkeit gedenken, die

nicht

II Th. Nervenkr. 4 K. Verh. zu den th. Seelenkr.
bloße mittelbare Nervenwirkungen ihres aͤußern ſinnlichen
Eindrucks ſeyn, da ſich enthauptete Thiere von derglei-
chen aͤußern ſinnlichen Eindruͤcken begatten. Ein Menſch,
dem ein Bein abgenommen worden, bildet ſich ein, daß
er in dieſem Beine Schmerz empfinde, und zucket mit
dem Schenkel und greift nach dem Beine. Dieſe will-
kuͤhrliche Bewegung iſt die Seelenwirkung der eingebil-
deten Empfindung und kann eine bloße mittelbare Ner-
venwirkung ihres aͤußern ſinnlichen Eindrucks ſeyn, weil
ein enthauptetes Thier von einem ſolchen aͤußern ſinnli-
chen Eindrucke auch willkuͤhrlich ſcheinende Bewegungen
unternimmt. §. 555. Aus allen dieſen und ſo viel
andern Erfahrungen erhellet genugſam, daß die mittel-
baren Nervenwirkungen der aͤußern ſinnlichen Eindruͤcke,
wenn die letztern zugleich empfunden werden, im natuͤr-
lichen Zuſtande allerdings zugleich wahre unmittelbare
oder zufaͤllige Seelenwirkungen der Empfindung eben
derſelben aͤußern ſinnlichen Eindruͤcke ſind, und daß alſo
das Empfinden derſelben zur Erzeugung derjenigen thie-
riſchen Bewegungen nichts Ueberfluͤſſiges ſey, die ſie als
mittelbare Nervenwirkungen ohnehin hervorbringen
wuͤrden.

§. 585.

Die unmittelbaren Nervenwirkungen eines aͤu-
ßern ſinnlichen Eindrucks,
das iſt, die Wirkungen
der Reizbarkeit, §. 432. koͤnnen uͤberhaupt durch See-
lenwirkungen erſetzet werden. Denn da ſie hauptſaͤch-
lich nur durch die Muskelfaſer geſchehen, §. 445.
welche alle thieriſche Seelenkraͤfte, von den aͤußern Em-
pfindungen an bis auf die freywilligen Handlungen,
thieriſch bewegen koͤnnen, die thieriſchen Bewegungen
der Muskeln aber eben dieſelben ſind, ſie moͤgen See-
lenwirkungen oder Nervenwirkungen ſeyn; §. 161. 162.
ſo laͤßt ſich keine Wirkung der Reizbarkeit gedenken, die

nicht
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0618" n="594"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">II</hi> Th. Nervenkr. 4 K. Verh. zu den th. Seelenkr.</hi></fw><lb/>
bloße mittelbare Nervenwirkungen ihres a&#x0364;ußern &#x017F;innlichen<lb/>
Eindrucks &#x017F;eyn, da &#x017F;ich enthauptete Thiere von derglei-<lb/>
chen a&#x0364;ußern &#x017F;innlichen Eindru&#x0364;cken begatten. Ein Men&#x017F;ch,<lb/>
dem ein Bein abgenommen worden, bildet &#x017F;ich ein, daß<lb/>
er in die&#x017F;em Beine Schmerz empfinde, und zucket mit<lb/>
dem Schenkel und greift nach dem Beine. Die&#x017F;e will-<lb/>
ku&#x0364;hrliche Bewegung i&#x017F;t die Seelenwirkung der eingebil-<lb/>
deten Empfindung und kann eine bloße mittelbare Ner-<lb/>
venwirkung ihres a&#x0364;ußern &#x017F;innlichen Eindrucks &#x017F;eyn, weil<lb/>
ein enthauptetes Thier von einem &#x017F;olchen a&#x0364;ußern &#x017F;innli-<lb/>
chen Eindrucke auch willku&#x0364;hrlich &#x017F;cheinende Bewegungen<lb/>
unternimmt. §. 555. Aus allen die&#x017F;en und &#x017F;o viel<lb/>
andern Erfahrungen erhellet genug&#x017F;am, daß die mittel-<lb/>
baren Nervenwirkungen der a&#x0364;ußern &#x017F;innlichen Eindru&#x0364;cke,<lb/>
wenn die letztern zugleich empfunden werden, im natu&#x0364;r-<lb/>
lichen Zu&#x017F;tande allerdings zugleich wahre unmittelbare<lb/>
oder zufa&#x0364;llige Seelenwirkungen der Empfindung eben<lb/>
der&#x017F;elben a&#x0364;ußern &#x017F;innlichen Eindru&#x0364;cke &#x017F;ind, und daß al&#x017F;o<lb/>
das Empfinden der&#x017F;elben zur Erzeugung derjenigen thie-<lb/>
ri&#x017F;chen Bewegungen nichts Ueberflu&#x0364;&#x017F;&#x017F;iges &#x017F;ey, die &#x017F;ie als<lb/>
mittelbare Nervenwirkungen ohnehin hervorbringen<lb/>
wu&#x0364;rden.</p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head>§. 585.</head><lb/>
              <p>Die <hi rendition="#fr">unmittelbaren Nervenwirkungen eines a&#x0364;u-<lb/>
ßern &#x017F;innlichen Eindrucks,</hi> das i&#x017F;t, die Wirkungen<lb/>
der Reizbarkeit, §. 432. ko&#x0364;nnen u&#x0364;berhaupt durch See-<lb/>
lenwirkungen er&#x017F;etzet werden. Denn da &#x017F;ie haupt&#x017F;a&#x0364;ch-<lb/>
lich nur durch die Muskelfa&#x017F;er ge&#x017F;chehen, §. 445.<lb/>
welche alle thieri&#x017F;che Seelenkra&#x0364;fte, von den a&#x0364;ußern Em-<lb/>
pfindungen an bis auf die freywilligen Handlungen,<lb/>
thieri&#x017F;ch bewegen ko&#x0364;nnen, die thieri&#x017F;chen Bewegungen<lb/>
der Muskeln aber eben die&#x017F;elben &#x017F;ind, &#x017F;ie mo&#x0364;gen See-<lb/>
lenwirkungen oder Nervenwirkungen &#x017F;eyn; §. 161. 162.<lb/>
&#x017F;o la&#x0364;ßt &#x017F;ich keine Wirkung der Reizbarkeit gedenken, die<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">nicht</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[594/0618] II Th. Nervenkr. 4 K. Verh. zu den th. Seelenkr. bloße mittelbare Nervenwirkungen ihres aͤußern ſinnlichen Eindrucks ſeyn, da ſich enthauptete Thiere von derglei- chen aͤußern ſinnlichen Eindruͤcken begatten. Ein Menſch, dem ein Bein abgenommen worden, bildet ſich ein, daß er in dieſem Beine Schmerz empfinde, und zucket mit dem Schenkel und greift nach dem Beine. Dieſe will- kuͤhrliche Bewegung iſt die Seelenwirkung der eingebil- deten Empfindung und kann eine bloße mittelbare Ner- venwirkung ihres aͤußern ſinnlichen Eindrucks ſeyn, weil ein enthauptetes Thier von einem ſolchen aͤußern ſinnli- chen Eindrucke auch willkuͤhrlich ſcheinende Bewegungen unternimmt. §. 555. Aus allen dieſen und ſo viel andern Erfahrungen erhellet genugſam, daß die mittel- baren Nervenwirkungen der aͤußern ſinnlichen Eindruͤcke, wenn die letztern zugleich empfunden werden, im natuͤr- lichen Zuſtande allerdings zugleich wahre unmittelbare oder zufaͤllige Seelenwirkungen der Empfindung eben derſelben aͤußern ſinnlichen Eindruͤcke ſind, und daß alſo das Empfinden derſelben zur Erzeugung derjenigen thie- riſchen Bewegungen nichts Ueberfluͤſſiges ſey, die ſie als mittelbare Nervenwirkungen ohnehin hervorbringen wuͤrden. §. 585. Die unmittelbaren Nervenwirkungen eines aͤu- ßern ſinnlichen Eindrucks, das iſt, die Wirkungen der Reizbarkeit, §. 432. koͤnnen uͤberhaupt durch See- lenwirkungen erſetzet werden. Denn da ſie hauptſaͤch- lich nur durch die Muskelfaſer geſchehen, §. 445. welche alle thieriſche Seelenkraͤfte, von den aͤußern Em- pfindungen an bis auf die freywilligen Handlungen, thieriſch bewegen koͤnnen, die thieriſchen Bewegungen der Muskeln aber eben dieſelben ſind, ſie moͤgen See- lenwirkungen oder Nervenwirkungen ſeyn; §. 161. 162. ſo laͤßt ſich keine Wirkung der Reizbarkeit gedenken, die nicht

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_erstegruende_1771
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_erstegruende_1771/618
Zitationshilfe: Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771, S. 594. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_erstegruende_1771/618>, abgerufen am 24.11.2024.