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Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771.

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1 Abschn. Ersetz. der Seelenw. durch Nervenw.
beziehen. §. 66. Daher sind auch die Seelenwirkungen
der Einbildungen, Vorhersehungen, und ihrer sinnlichen
Reizungen, als solcher, keine andern, als die von den äu-
ßern Empfindungen, worauf sie sich beziehen, §. 237.
247. und können als solche ebenfalls, wie die Erfahrung
lehret, durch die Nervenkraft der äußern sinnlichen Eindrü-
cke, als Nervenwirkungen ersetzet werden. §. 545. 547.
Unter allen sinnlichen Vorstellungen, Reizungen und Be-
gierden, die durch die Nerven in den mechanischen Ma-
schinen Seelenwirkungen äußern, sind also nur die höhern
Leidenschaften und die ihnen ähnlichen sinnlichen Begierden
und Verabscheuungen, die sich nicht nach Art der Triebe
formiren und entwickeln, von dem Zwange der äußern
sinnlichen Eindrücke, die sie in der Seele veranlassen, so
weit entfernet, daß ihre Seelenwirkungen sich merklich
mehr nach den psychologischen Gesetzen der Vorstellungs-
kraft formiren und einander folgen, §. 108. als nach den
Gesetzen der Nervenkraft der sie veranlassenden äußern sinn-
lichen Eindrücke, §. 568. und daß daher auch, wie die
Erfahrung lehret, ihre Seelenwirkungen in den mechani-
schen Maschinen durch die Nervenkräfte der sie veranlas-
senden äußern sinnlichen Eindrücke, nicht als Nervenwir-
kungen ersetzet werden können. §. 573.

2. Andre, nämlich die verständigen Vorstellungen,
schaffet sich die Seele nach den psychologischen Gesetzen der
Vorstellungskraft, ohne auf nähere Weise §. 65. durch
äußere sinnliche Eindrücke und Empfindungen dazu veran-
lasset zu werden, und verknüpfet dieselben auch ohne diesen
Zwang völlig auf ihre Manier. §. 109. 110. Diese ver-
ständigen Vorstellungen sind die nicht sinnlichen Erkennt-
nisse, die Bewegungsgründe in ihnen und die Begierden,
Verabscheuungen und Befriedigungen des Willens. Die
materiellen Jdeen derselben werden blos nach den Gesetzen
der Vorstellungskraft im Gehirne formiret und unterein-
ander verbunden, und eben so folgen und entwickeln sich
auch ihre Seelenwirkungen durch die Nerven in den mecha-

nischen
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1 Abſchn. Erſetz. der Seelenw. durch Nervenw.
beziehen. §. 66. Daher ſind auch die Seelenwirkungen
der Einbildungen, Vorherſehungen, und ihrer ſinnlichen
Reizungen, als ſolcher, keine andern, als die von den aͤu-
ßern Empfindungen, worauf ſie ſich beziehen, §. 237.
247. und koͤnnen als ſolche ebenfalls, wie die Erfahrung
lehret, durch die Nervenkraft der aͤußern ſinnlichen Eindruͤ-
cke, als Nervenwirkungen erſetzet werden. §. 545. 547.
Unter allen ſinnlichen Vorſtellungen, Reizungen und Be-
gierden, die durch die Nerven in den mechaniſchen Ma-
ſchinen Seelenwirkungen aͤußern, ſind alſo nur die hoͤhern
Leidenſchaften und die ihnen aͤhnlichen ſinnlichen Begierden
und Verabſcheuungen, die ſich nicht nach Art der Triebe
formiren und entwickeln, von dem Zwange der aͤußern
ſinnlichen Eindruͤcke, die ſie in der Seele veranlaſſen, ſo
weit entfernet, daß ihre Seelenwirkungen ſich merklich
mehr nach den pſychologiſchen Geſetzen der Vorſtellungs-
kraft formiren und einander folgen, §. 108. als nach den
Geſetzen der Nervenkraft der ſie veranlaſſenden aͤußern ſinn-
lichen Eindruͤcke, §. 568. und daß daher auch, wie die
Erfahrung lehret, ihre Seelenwirkungen in den mechani-
ſchen Maſchinen durch die Nervenkraͤfte der ſie veranlaſ-
ſenden aͤußern ſinnlichen Eindruͤcke, nicht als Nervenwir-
kungen erſetzet werden koͤnnen. §. 573.

2. Andre, naͤmlich die verſtaͤndigen Vorſtellungen,
ſchaffet ſich die Seele nach den pſychologiſchen Geſetzen der
Vorſtellungskraft, ohne auf naͤhere Weiſe §. 65. durch
aͤußere ſinnliche Eindruͤcke und Empfindungen dazu veran-
laſſet zu werden, und verknuͤpfet dieſelben auch ohne dieſen
Zwang voͤllig auf ihre Manier. §. 109. 110. Dieſe ver-
ſtaͤndigen Vorſtellungen ſind die nicht ſinnlichen Erkennt-
niſſe, die Bewegungsgruͤnde in ihnen und die Begierden,
Verabſcheuungen und Befriedigungen des Willens. Die
materiellen Jdeen derſelben werden blos nach den Geſetzen
der Vorſtellungskraft im Gehirne formiret und unterein-
ander verbunden, und eben ſo folgen und entwickeln ſich
auch ihre Seelenwirkungen durch die Nerven in den mecha-

niſchen
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[585/0609] 1 Abſchn. Erſetz. der Seelenw. durch Nervenw. beziehen. §. 66. Daher ſind auch die Seelenwirkungen der Einbildungen, Vorherſehungen, und ihrer ſinnlichen Reizungen, als ſolcher, keine andern, als die von den aͤu- ßern Empfindungen, worauf ſie ſich beziehen, §. 237. 247. und koͤnnen als ſolche ebenfalls, wie die Erfahrung lehret, durch die Nervenkraft der aͤußern ſinnlichen Eindruͤ- cke, als Nervenwirkungen erſetzet werden. §. 545. 547. Unter allen ſinnlichen Vorſtellungen, Reizungen und Be- gierden, die durch die Nerven in den mechaniſchen Ma- ſchinen Seelenwirkungen aͤußern, ſind alſo nur die hoͤhern Leidenſchaften und die ihnen aͤhnlichen ſinnlichen Begierden und Verabſcheuungen, die ſich nicht nach Art der Triebe formiren und entwickeln, von dem Zwange der aͤußern ſinnlichen Eindruͤcke, die ſie in der Seele veranlaſſen, ſo weit entfernet, daß ihre Seelenwirkungen ſich merklich mehr nach den pſychologiſchen Geſetzen der Vorſtellungs- kraft formiren und einander folgen, §. 108. als nach den Geſetzen der Nervenkraft der ſie veranlaſſenden aͤußern ſinn- lichen Eindruͤcke, §. 568. und daß daher auch, wie die Erfahrung lehret, ihre Seelenwirkungen in den mechani- ſchen Maſchinen durch die Nervenkraͤfte der ſie veranlaſ- ſenden aͤußern ſinnlichen Eindruͤcke, nicht als Nervenwir- kungen erſetzet werden koͤnnen. §. 573. 2. Andre, naͤmlich die verſtaͤndigen Vorſtellungen, ſchaffet ſich die Seele nach den pſychologiſchen Geſetzen der Vorſtellungskraft, ohne auf naͤhere Weiſe §. 65. durch aͤußere ſinnliche Eindruͤcke und Empfindungen dazu veran- laſſet zu werden, und verknuͤpfet dieſelben auch ohne dieſen Zwang voͤllig auf ihre Manier. §. 109. 110. Dieſe ver- ſtaͤndigen Vorſtellungen ſind die nicht ſinnlichen Erkennt- niſſe, die Bewegungsgruͤnde in ihnen und die Begierden, Verabſcheuungen und Befriedigungen des Willens. Die materiellen Jdeen derſelben werden blos nach den Geſetzen der Vorſtellungskraft im Gehirne formiret und unterein- ander verbunden, und eben ſo folgen und entwickeln ſich auch ihre Seelenwirkungen durch die Nerven in den mecha- niſchen O o 5

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Zitationshilfe: Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771, S. 585. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_erstegruende_1771/609>, abgerufen am 24.11.2024.