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Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771.

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1 Abschn. Ersetz. der Seelenw. durch Nervenw.
gungen in der Ordnung, wie sie daraus Seelenwirkungen
des Zorns oder der Rachgier werden, nebst allen ihren na-
türlichen Folgen in der thierischen Oeconomie, z. E. den
heftigen Bluttrieb, die häufigere Absonderung und Ergie-
ßung der Galle, Erhitzung der Leber und Galle, Vergif-
tung des Speichels, u. s. w. auf eben die Weise wie bey
den Trieben, herzuleiten, so findet man in der Natur da-
von keine Beyspiele, außer in den Fällen, wo diese Leiden-
schaften sich nach Art eines Triebes zur Nothwehr, aufs
nächste aus den äußern Empfindungen dieser äußern sinnli-
chen Eindrücke entwickeln; z. E. wenn ein enthauptetes
Thier von einem heftigen äußern sinnlichen Eindrucke, der
ihm etwa schmerzhaft seyn könnte, um sich schlägt, sticht,
kneipt, oder sich seiner natürlichen Waffen so bedienet, als
es von der äußern Empfindung desselben durch den Wehr-
trieb etwa thun möchte. §. 326.

§. 573.

Die Seelenwirkungen aller übrigen Leidenschaften, und
andrer Begierden oder Verabscheuungen, die sich entweder
allezeit, oder in so fern sie sich in manchen Fällen durch die
Zwischenwirkungen zu vieler oder fremder, blos nach psy-
chologischen Gesetzen verknüpfter sinnlicher Vorstellungen
zu weit von der sie veranlassenden äußern Empfindung ent-
fernen, folgen nicht in der Ordnung, wie sie die Leiden-
schaft wirket, aus den bloßen Nervenkräften dieser äußern
Empfindung; sondern man muß, um ihre Folge zu erklä-
ren, die zwischenwirkenden materiellen Jdeen aller dieser
willkührlichen sinnlichen Vorstellungen mit betrachten; §.
108. das ist, sie sind nur als Seelenwirkungen in dieser
Folge möglich und leiden nur eine psychologische Erklä-
rungsart. §. 111. 563. N. 2. 3. So wird man nie in
einem enthaupteten, oder durch einen Zufall plötzlich des
Lebens beraubten Thiere oder Menschen, nie in einem noch
nicht recht aufgelebten neugebornen Kinde, nie in einer le-
benden Misgeburt ohne Kopf, auch nie in irgend einem

Thiere,
O o

1 Abſchn. Erſetz. der Seelenw. durch Nervenw.
gungen in der Ordnung, wie ſie daraus Seelenwirkungen
des Zorns oder der Rachgier werden, nebſt allen ihren na-
tuͤrlichen Folgen in der thieriſchen Oeconomie, z. E. den
heftigen Bluttrieb, die haͤufigere Abſonderung und Ergie-
ßung der Galle, Erhitzung der Leber und Galle, Vergif-
tung des Speichels, u. ſ. w. auf eben die Weiſe wie bey
den Trieben, herzuleiten, ſo findet man in der Natur da-
von keine Beyſpiele, außer in den Faͤllen, wo dieſe Leiden-
ſchaften ſich nach Art eines Triebes zur Nothwehr, aufs
naͤchſte aus den aͤußern Empfindungen dieſer aͤußern ſinnli-
chen Eindruͤcke entwickeln; z. E. wenn ein enthauptetes
Thier von einem heftigen aͤußern ſinnlichen Eindrucke, der
ihm etwa ſchmerzhaft ſeyn koͤnnte, um ſich ſchlaͤgt, ſticht,
kneipt, oder ſich ſeiner natuͤrlichen Waffen ſo bedienet, als
es von der aͤußern Empfindung deſſelben durch den Wehr-
trieb etwa thun moͤchte. §. 326.

§. 573.

Die Seelenwirkungen aller uͤbrigen Leidenſchaften, und
andrer Begierden oder Verabſcheuungen, die ſich entweder
allezeit, oder in ſo fern ſie ſich in manchen Faͤllen durch die
Zwiſchenwirkungen zu vieler oder fremder, blos nach pſy-
chologiſchen Geſetzen verknuͤpfter ſinnlicher Vorſtellungen
zu weit von der ſie veranlaſſenden aͤußern Empfindung ent-
fernen, folgen nicht in der Ordnung, wie ſie die Leiden-
ſchaft wirket, aus den bloßen Nervenkraͤften dieſer aͤußern
Empfindung; ſondern man muß, um ihre Folge zu erklaͤ-
ren, die zwiſchenwirkenden materiellen Jdeen aller dieſer
willkuͤhrlichen ſinnlichen Vorſtellungen mit betrachten; §.
108. das iſt, ſie ſind nur als Seelenwirkungen in dieſer
Folge moͤglich und leiden nur eine pſychologiſche Erklaͤ-
rungsart. §. 111. 563. N. 2. 3. So wird man nie in
einem enthaupteten, oder durch einen Zufall ploͤtzlich des
Lebens beraubten Thiere oder Menſchen, nie in einem noch
nicht recht aufgelebten neugebornen Kinde, nie in einer le-
benden Misgeburt ohne Kopf, auch nie in irgend einem

Thiere,
O o
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[577/0601] 1 Abſchn. Erſetz. der Seelenw. durch Nervenw. gungen in der Ordnung, wie ſie daraus Seelenwirkungen des Zorns oder der Rachgier werden, nebſt allen ihren na- tuͤrlichen Folgen in der thieriſchen Oeconomie, z. E. den heftigen Bluttrieb, die haͤufigere Abſonderung und Ergie- ßung der Galle, Erhitzung der Leber und Galle, Vergif- tung des Speichels, u. ſ. w. auf eben die Weiſe wie bey den Trieben, herzuleiten, ſo findet man in der Natur da- von keine Beyſpiele, außer in den Faͤllen, wo dieſe Leiden- ſchaften ſich nach Art eines Triebes zur Nothwehr, aufs naͤchſte aus den aͤußern Empfindungen dieſer aͤußern ſinnli- chen Eindruͤcke entwickeln; z. E. wenn ein enthauptetes Thier von einem heftigen aͤußern ſinnlichen Eindrucke, der ihm etwa ſchmerzhaft ſeyn koͤnnte, um ſich ſchlaͤgt, ſticht, kneipt, oder ſich ſeiner natuͤrlichen Waffen ſo bedienet, als es von der aͤußern Empfindung deſſelben durch den Wehr- trieb etwa thun moͤchte. §. 326. §. 573. Die Seelenwirkungen aller uͤbrigen Leidenſchaften, und andrer Begierden oder Verabſcheuungen, die ſich entweder allezeit, oder in ſo fern ſie ſich in manchen Faͤllen durch die Zwiſchenwirkungen zu vieler oder fremder, blos nach pſy- chologiſchen Geſetzen verknuͤpfter ſinnlicher Vorſtellungen zu weit von der ſie veranlaſſenden aͤußern Empfindung ent- fernen, folgen nicht in der Ordnung, wie ſie die Leiden- ſchaft wirket, aus den bloßen Nervenkraͤften dieſer aͤußern Empfindung; ſondern man muß, um ihre Folge zu erklaͤ- ren, die zwiſchenwirkenden materiellen Jdeen aller dieſer willkuͤhrlichen ſinnlichen Vorſtellungen mit betrachten; §. 108. das iſt, ſie ſind nur als Seelenwirkungen in dieſer Folge moͤglich und leiden nur eine pſychologiſche Erklaͤ- rungsart. §. 111. 563. N. 2. 3. So wird man nie in einem enthaupteten, oder durch einen Zufall ploͤtzlich des Lebens beraubten Thiere oder Menſchen, nie in einem noch nicht recht aufgelebten neugebornen Kinde, nie in einer le- benden Misgeburt ohne Kopf, auch nie in irgend einem Thiere, O o

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Zitationshilfe: Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771, S. 577. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_erstegruende_1771/601>, abgerufen am 21.11.2024.