Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771.II Th. Nervenkr. 4 K. Verh. zu den th. Seelenkr. von Statten, wenn ihrer Natur durch die Enthauptungso große Gewalt geschehen; ja können noch dann verschie- dene auf einander folgende äußere sinnliche Eindrücke ihre willkührlichen Bewegungen eben so verändern und bestim- men, als ob sie empfunden würden und neue Triebe in Wir- kung setzeten: §. 555. 556. so wäre es ja ein ganz grund- loser Gedanke, aus willkührlich scheinenden Bewegungen mancher Thiere, deren ganze Vorstellungskraft noch zwei- felhaft ist, zu schließen, daß sie bey ihnen Seelenwirkun- gen wahrer Triebe, und Folgen äußerer Empfindungen seyn müßten, oder gar dieß für den einzigen entscheidenden Be- weis anzunehmen, daß sie Vorstellungen besäßen. So sorgfältig, wie die Natur bey den anscheinenden Trieben der Thiere dafür gesorget hat, daß ihnen die äußern sinn- lichen Eindrücke in der gehörigen Ordnung und Stärke beygebracht würden, um sie in gleicher Ordnung und Maaße zu den willkührlichen Bewegungen zu reizen, die wir für Seelenwirkungen ihrer Triebe halten, §. 265. und so nahe wie sich dieselben auf die gewöhnlichen Nervenwir- kungen dieser äußern sinnlichen Eindrücke beziehen; §. 272. 542. 543. kann man es kaum mehr für etwas Wunder- bares halten, daß sie eben so zweckmäßig, §. 266. und or- dentlich erfolgen, als wenn sie es wirklich wären. Wir ha- ben, wie schon oben erwähnet worden, den Grund des Wunderbaren hierbey größtentheils in einem irrigen Schlusse zu suchen, den wir von uns auf andre Thiere machen. §. 438. Jst das, was ein Wurm ohne Kopf und Gehirn, ein Jnsekt, oder ein andres Thier, dessen Strucktur von der bey denkenden Thieren wesentlich abweicht, das, woraus man bey einigen kaum ein Pflanzenleben schließen möchte, und was andre willkührlich, zweckmäßig und in gewisser Ordnung zu verrichten scheinen, ist das ganze thierische Le- ben einer Auster, eines Seewurms, eines Polypen, einer Schnecke, einer Spinne, einer Laus, eines Flohes, einer Ameise, einer Biene; etc. ist dieser ganze Jnbegriff ihrer Handlungen, oder jede einzelne derselben, nicht oft, selbst bey
II Th. Nervenkr. 4 K. Verh. zu den th. Seelenkr. von Statten, wenn ihrer Natur durch die Enthauptungſo große Gewalt geſchehen; ja koͤnnen noch dann verſchie- dene auf einander folgende aͤußere ſinnliche Eindruͤcke ihre willkuͤhrlichen Bewegungen eben ſo veraͤndern und beſtim- men, als ob ſie empfunden wuͤrden und neue Triebe in Wir- kung ſetzeten: §. 555. 556. ſo waͤre es ja ein ganz grund- loſer Gedanke, aus willkuͤhrlich ſcheinenden Bewegungen mancher Thiere, deren ganze Vorſtellungskraft noch zwei- felhaft iſt, zu ſchließen, daß ſie bey ihnen Seelenwirkun- gen wahrer Triebe, und Folgen aͤußerer Empfindungen ſeyn muͤßten, oder gar dieß fuͤr den einzigen entſcheidenden Be- weis anzunehmen, daß ſie Vorſtellungen beſaͤßen. So ſorgfaͤltig, wie die Natur bey den anſcheinenden Trieben der Thiere dafuͤr geſorget hat, daß ihnen die aͤußern ſinn- lichen Eindruͤcke in der gehoͤrigen Ordnung und Staͤrke beygebracht wuͤrden, um ſie in gleicher Ordnung und Maaße zu den willkuͤhrlichen Bewegungen zu reizen, die wir fuͤr Seelenwirkungen ihrer Triebe halten, §. 265. und ſo nahe wie ſich dieſelben auf die gewoͤhnlichen Nervenwir- kungen dieſer aͤußern ſinnlichen Eindruͤcke beziehen; §. 272. 542. 543. kann man es kaum mehr fuͤr etwas Wunder- bares halten, daß ſie eben ſo zweckmaͤßig, §. 266. und or- dentlich erfolgen, als wenn ſie es wirklich waͤren. Wir ha- ben, wie ſchon oben erwaͤhnet worden, den Grund des Wunderbaren hierbey groͤßtentheils in einem irrigen Schluſſe zu ſuchen, den wir von uns auf andre Thiere machen. §. 438. Jſt das, was ein Wurm ohne Kopf und Gehirn, ein Jnſekt, oder ein andres Thier, deſſen Strucktur von der bey denkenden Thieren weſentlich abweicht, das, woraus man bey einigen kaum ein Pflanzenleben ſchließen moͤchte, und was andre willkuͤhrlich, zweckmaͤßig und in gewiſſer Ordnung zu verrichten ſcheinen, iſt das ganze thieriſche Le- ben einer Auſter, eines Seewurms, eines Polypen, einer Schnecke, einer Spinne, einer Laus, eines Flohes, einer Ameiſe, einer Biene; ꝛc. iſt dieſer ganze Jnbegriff ihrer Handlungen, oder jede einzelne derſelben, nicht oft, ſelbſt bey
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II Th. Nervenkr. 4 K. Verh. zu den th. Seelenkr.
von Statten, wenn ihrer Natur durch die Enthauptung
ſo große Gewalt geſchehen; ja koͤnnen noch dann verſchie-
dene auf einander folgende aͤußere ſinnliche Eindruͤcke ihre
willkuͤhrlichen Bewegungen eben ſo veraͤndern und beſtim-
men, als ob ſie empfunden wuͤrden und neue Triebe in Wir-
kung ſetzeten: §. 555. 556. ſo waͤre es ja ein ganz grund-
loſer Gedanke, aus willkuͤhrlich ſcheinenden Bewegungen
mancher Thiere, deren ganze Vorſtellungskraft noch zwei-
felhaft iſt, zu ſchließen, daß ſie bey ihnen Seelenwirkun-
gen wahrer Triebe, und Folgen aͤußerer Empfindungen ſeyn
muͤßten, oder gar dieß fuͤr den einzigen entſcheidenden Be-
weis anzunehmen, daß ſie Vorſtellungen beſaͤßen. So
ſorgfaͤltig, wie die Natur bey den anſcheinenden Trieben
der Thiere dafuͤr geſorget hat, daß ihnen die aͤußern ſinn-
lichen Eindruͤcke in der gehoͤrigen Ordnung und Staͤrke
beygebracht wuͤrden, um ſie in gleicher Ordnung und
Maaße zu den willkuͤhrlichen Bewegungen zu reizen, die
wir fuͤr Seelenwirkungen ihrer Triebe halten, §. 265. und
ſo nahe wie ſich dieſelben auf die gewoͤhnlichen Nervenwir-
kungen dieſer aͤußern ſinnlichen Eindruͤcke beziehen; §. 272.
542. 543. kann man es kaum mehr fuͤr etwas Wunder-
bares halten, daß ſie eben ſo zweckmaͤßig, §. 266. und or-
dentlich erfolgen, als wenn ſie es wirklich waͤren. Wir ha-
ben, wie ſchon oben erwaͤhnet worden, den Grund des
Wunderbaren hierbey groͤßtentheils in einem irrigen Schluſſe
zu ſuchen, den wir von uns auf andre Thiere machen. §.
438. Jſt das, was ein Wurm ohne Kopf und Gehirn,
ein Jnſekt, oder ein andres Thier, deſſen Strucktur von
der bey denkenden Thieren weſentlich abweicht, das, woraus
man bey einigen kaum ein Pflanzenleben ſchließen moͤchte,
und was andre willkuͤhrlich, zweckmaͤßig und in gewiſſer
Ordnung zu verrichten ſcheinen, iſt das ganze thieriſche Le-
ben einer Auſter, eines Seewurms, eines Polypen, einer
Schnecke, einer Spinne, einer Laus, eines Flohes, einer
Ameiſe, einer Biene; ꝛc. iſt dieſer ganze Jnbegriff ihrer
Handlungen, oder jede einzelne derſelben, nicht oft, ſelbſt
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