thierischen Bewegungen oft Nerven- und Seelenwirkungen zugleich sind, und eine doppelte wirkende Ursache haben, da doch nur die bloßen sinnlichen Eindrücke allein, ohne Mitwirkung des Gehirns und der Seele, zu allen thieri- schen Verrichtungen, wie bey den hirnlosen Thieren, §. 366. hinreichend seyn könnten. Obgleich diese Frage schon §. 184. N. 2. zum Theil beantwortet worden, so ist es doch hier der Ort, sie genauer zu erwägen.
§. 370.
Dadurch, daß der äußere sinnliche Eindruck empfun- den wird, wird er im Gehirne zu einem innern sinnlichen Eindrucke. §. 121. 129. Dieses könnte nun zwar durch Nervenknoten, oder auf irgend eine andre Weise, die bey Thieren gewöhnlich oder möglich wäre, ebenfalls geschehen: allein alsdann würde der äußere sinnliche Eindruck keine andre Zurückwirkung in die mechanischen Maschinen ha- ben, als wozu er, vermöge seiner blos thierischen Kraft, die er rückwärts in die Bewegungsnerven reflektiret, ver- mögend wäre, §. 364. N. 2. und diese ganze Wirkung ist blos natürlich nothwendig, läßt sich nicht willkührlich ver- ändern, nicht beliebig hervorbringen, erweitern, einschrän- ken, oder sonst vom Thiere zweckmäßig bestimmen. Wird hingegen der äußere sinnliche Eindruck zugleich vorgestel- let; so verbindet die Seele, nach ihren psychologischen Ge- setzen mancherley andre Vorstellungen und willkührlich da- mit, §. 219 -- 224. deren innere sinnliche Eindrücke ins Gehirn solche Seelenwirkungen durch die Bewegungsner- ven äußern können, welche derselbe äußere sinnliche Ein- druck, unempfunden, entweder gar nicht, oder doch nicht nach dem Belieben des Thieres geäußert hätte. Daher sieht man in der Erfahrung, daß Thiere, die kein Gehirn, noch entscheidende Spuren einer Vorstellungskraft haben, nur sehr weniger Arten von thierischen Bewegungen fähig sind, daß sie dieselben auf eine natürlich nothwendige Wei- se von den äußern sinnlichen Eindrücken annehmen, und
die
II Th. Nervenkraͤfte.
thieriſchen Bewegungen oft Nerven- und Seelenwirkungen zugleich ſind, und eine doppelte wirkende Urſache haben, da doch nur die bloßen ſinnlichen Eindruͤcke allein, ohne Mitwirkung des Gehirns und der Seele, zu allen thieri- ſchen Verrichtungen, wie bey den hirnloſen Thieren, §. 366. hinreichend ſeyn koͤnnten. Obgleich dieſe Frage ſchon §. 184. N. 2. zum Theil beantwortet worden, ſo iſt es doch hier der Ort, ſie genauer zu erwaͤgen.
§. 370.
Dadurch, daß der aͤußere ſinnliche Eindruck empfun- den wird, wird er im Gehirne zu einem innern ſinnlichen Eindrucke. §. 121. 129. Dieſes koͤnnte nun zwar durch Nervenknoten, oder auf irgend eine andre Weiſe, die bey Thieren gewoͤhnlich oder moͤglich waͤre, ebenfalls geſchehen: allein alsdann wuͤrde der aͤußere ſinnliche Eindruck keine andre Zuruͤckwirkung in die mechaniſchen Maſchinen ha- ben, als wozu er, vermoͤge ſeiner blos thieriſchen Kraft, die er ruͤckwaͤrts in die Bewegungsnerven reflektiret, ver- moͤgend waͤre, §. 364. N. 2. und dieſe ganze Wirkung iſt blos natuͤrlich nothwendig, laͤßt ſich nicht willkuͤhrlich ver- aͤndern, nicht beliebig hervorbringen, erweitern, einſchraͤn- ken, oder ſonſt vom Thiere zweckmaͤßig beſtimmen. Wird hingegen der aͤußere ſinnliche Eindruck zugleich vorgeſtel- let; ſo verbindet die Seele, nach ihren pſychologiſchen Ge- ſetzen mancherley andre Vorſtellungen und willkuͤhrlich da- mit, §. 219 — 224. deren innere ſinnliche Eindruͤcke ins Gehirn ſolche Seelenwirkungen durch die Bewegungsner- ven aͤußern koͤnnen, welche derſelbe aͤußere ſinnliche Ein- druck, unempfunden, entweder gar nicht, oder doch nicht nach dem Belieben des Thieres geaͤußert haͤtte. Daher ſieht man in der Erfahrung, daß Thiere, die kein Gehirn, noch entſcheidende Spuren einer Vorſtellungskraft haben, nur ſehr weniger Arten von thieriſchen Bewegungen faͤhig ſind, daß ſie dieſelben auf eine natuͤrlich nothwendige Wei- ſe von den aͤußern ſinnlichen Eindruͤcken annehmen, und
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II Th. Nervenkraͤfte.
thieriſchen Bewegungen oft Nerven- und Seelenwirkungen
zugleich ſind, und eine doppelte wirkende Urſache haben,
da doch nur die bloßen ſinnlichen Eindruͤcke allein, ohne
Mitwirkung des Gehirns und der Seele, zu allen thieri-
ſchen Verrichtungen, wie bey den hirnloſen Thieren, §. 366.
hinreichend ſeyn koͤnnten. Obgleich dieſe Frage ſchon §.
184. N. 2. zum Theil beantwortet worden, ſo iſt es doch
hier der Ort, ſie genauer zu erwaͤgen.
§. 370.
Dadurch, daß der aͤußere ſinnliche Eindruck empfun-
den wird, wird er im Gehirne zu einem innern ſinnlichen
Eindrucke. §. 121. 129. Dieſes koͤnnte nun zwar durch
Nervenknoten, oder auf irgend eine andre Weiſe, die bey
Thieren gewoͤhnlich oder moͤglich waͤre, ebenfalls geſchehen:
allein alsdann wuͤrde der aͤußere ſinnliche Eindruck keine
andre Zuruͤckwirkung in die mechaniſchen Maſchinen ha-
ben, als wozu er, vermoͤge ſeiner blos thieriſchen Kraft,
die er ruͤckwaͤrts in die Bewegungsnerven reflektiret, ver-
moͤgend waͤre, §. 364. N. 2. und dieſe ganze Wirkung iſt
blos natuͤrlich nothwendig, laͤßt ſich nicht willkuͤhrlich ver-
aͤndern, nicht beliebig hervorbringen, erweitern, einſchraͤn-
ken, oder ſonſt vom Thiere zweckmaͤßig beſtimmen. Wird
hingegen der aͤußere ſinnliche Eindruck zugleich vorgeſtel-
let; ſo verbindet die Seele, nach ihren pſychologiſchen Ge-
ſetzen mancherley andre Vorſtellungen und willkuͤhrlich da-
mit, §. 219 — 224. deren innere ſinnliche Eindruͤcke ins
Gehirn ſolche Seelenwirkungen durch die Bewegungsner-
ven aͤußern koͤnnen, welche derſelbe aͤußere ſinnliche Ein-
druck, unempfunden, entweder gar nicht, oder doch nicht
nach dem Belieben des Thieres geaͤußert haͤtte. Daher
ſieht man in der Erfahrung, daß Thiere, die kein Gehirn,
noch entſcheidende Spuren einer Vorſtellungskraft haben,
nur ſehr weniger Arten von thieriſchen Bewegungen faͤhig
ſind, daß ſie dieſelben auf eine natuͤrlich nothwendige Wei-
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Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771, S. 366. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_erstegruende_1771/390>, abgerufen am 22.11.2024.
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