Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771.

Bild:
<< vorherige Seite

1 Kap. Die Nervenkräfte überhaupt.
162. Sie kann also in manchen Fällen beydes zugleich
seyn. Solchergestalt würde man falsche Schlüsse machen,
wenn man behaupten wollte: 1. Welche thierische Wirkun-
gen aus dem Gehirne, von materiellen Jdeen, und von Vor-
stellungen herrühren, mithin Seelenwirkungen sind, die kön-
nen nie, oder nicht zugleich Nervenwirkungen seyn; und
umgekehrt: Welche thierische Wirkungen nicht aus dem
Gehirne, nicht von materiellen Jdeen, nicht von Vorstel-
lungen herrühren, mithin Nervenwirkungen sind, die kön-
nen nie, oder nicht zugleich Seelenwirkungen seyn. 2. Wel-
che äußere sinnliche Eindrücke wirklich empfunden werden,
deren Wirkungen sind nur Seelenwirkungen und können
nie, oder nicht zugleich Nervenwirkungen seyn; und umge-
kehrt. (Vergl. §. 183.) 3. Welche Bewegungen von in-
nern sinnlichen Eindrücken der Vorstellungen entstehen, die
können nie, oder nicht zugleich Nervenwirkungen andrer
innerer sinnlicher Eindrücke seyn, die nicht von Vorstellun-
gen erreget worden sind; und umgekehrt.

§. 364.

Man kann die Möglichkeit, wie Nervenwirkungen zu-
gleich Seelenwirkungen seyn können, aus der Natur der
Sache selbst, aufs deutlichste zeigen.

1. Alle thierische Bewegungen der mechanischen Ma-
schinen außerhalb dem Gehirne werden durch die Nerven
gewirket: §. 7. also auch alle Seelenwirkungen und alle
Nervenwirkungen in denselben. Diese Wirkung wird in
jedem Falle durch einen sinnlichen Eindruck veranlasset. §.
356. Wenn ein innerer sinnlicher Eindruck von Vorstel-
lungen eine thierische Bewegung in einer mechanischen Ma-
schine außerhalb dem Gehirne, als eine Seelenwirkung,
wirket, so muß die materielle Jdee derselben Vorstellung
im Ursprunge des Nerven im Gehirne, der zu dieser Ma-
schine hingeht, diejenigen Faden reizen, die den innern sinn-
lichen Eindruck bis zu ihr ableiten, §. 130. und dieser Reiz
zwingt die mechanische Maschine zu derjenigen Bewegung,

deren
Z 3

1 Kap. Die Nervenkraͤfte uͤberhaupt.
162. Sie kann alſo in manchen Faͤllen beydes zugleich
ſeyn. Solchergeſtalt wuͤrde man falſche Schluͤſſe machen,
wenn man behaupten wollte: 1. Welche thieriſche Wirkun-
gen aus dem Gehirne, von materiellen Jdeen, und von Vor-
ſtellungen herruͤhren, mithin Seelenwirkungen ſind, die koͤn-
nen nie, oder nicht zugleich Nervenwirkungen ſeyn; und
umgekehrt: Welche thieriſche Wirkungen nicht aus dem
Gehirne, nicht von materiellen Jdeen, nicht von Vorſtel-
lungen herruͤhren, mithin Nervenwirkungen ſind, die koͤn-
nen nie, oder nicht zugleich Seelenwirkungen ſeyn. 2. Wel-
che aͤußere ſinnliche Eindruͤcke wirklich empfunden werden,
deren Wirkungen ſind nur Seelenwirkungen und koͤnnen
nie, oder nicht zugleich Nervenwirkungen ſeyn; und umge-
kehrt. (Vergl. §. 183.) 3. Welche Bewegungen von in-
nern ſinnlichen Eindruͤcken der Vorſtellungen entſtehen, die
koͤnnen nie, oder nicht zugleich Nervenwirkungen andrer
innerer ſinnlicher Eindruͤcke ſeyn, die nicht von Vorſtellun-
gen erreget worden ſind; und umgekehrt.

§. 364.

Man kann die Moͤglichkeit, wie Nervenwirkungen zu-
gleich Seelenwirkungen ſeyn koͤnnen, aus der Natur der
Sache ſelbſt, aufs deutlichſte zeigen.

1. Alle thieriſche Bewegungen der mechaniſchen Ma-
ſchinen außerhalb dem Gehirne werden durch die Nerven
gewirket: §. 7. alſo auch alle Seelenwirkungen und alle
Nervenwirkungen in denſelben. Dieſe Wirkung wird in
jedem Falle durch einen ſinnlichen Eindruck veranlaſſet. §.
356. Wenn ein innerer ſinnlicher Eindruck von Vorſtel-
lungen eine thieriſche Bewegung in einer mechaniſchen Ma-
ſchine außerhalb dem Gehirne, als eine Seelenwirkung,
wirket, ſo muß die materielle Jdee derſelben Vorſtellung
im Urſprunge des Nerven im Gehirne, der zu dieſer Ma-
ſchine hingeht, diejenigen Faden reizen, die den innern ſinn-
lichen Eindruck bis zu ihr ableiten, §. 130. und dieſer Reiz
zwingt die mechaniſche Maſchine zu derjenigen Bewegung,

deren
Z 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0381" n="357"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">1 Kap. Die Nervenkra&#x0364;fte u&#x0364;berhaupt.</hi></fw><lb/>
162. Sie kann al&#x017F;o in manchen Fa&#x0364;llen beydes zugleich<lb/>
&#x017F;eyn. Solcherge&#x017F;talt wu&#x0364;rde man fal&#x017F;che Schlu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e machen,<lb/>
wenn man behaupten wollte: 1. Welche thieri&#x017F;che Wirkun-<lb/>
gen aus dem Gehirne, von materiellen Jdeen, und von Vor-<lb/>
&#x017F;tellungen herru&#x0364;hren, mithin Seelenwirkungen &#x017F;ind, die ko&#x0364;n-<lb/>
nen nie, oder nicht zugleich Nervenwirkungen &#x017F;eyn; und<lb/>
umgekehrt: Welche thieri&#x017F;che Wirkungen nicht aus dem<lb/>
Gehirne, nicht von materiellen Jdeen, nicht von Vor&#x017F;tel-<lb/>
lungen herru&#x0364;hren, mithin Nervenwirkungen &#x017F;ind, die ko&#x0364;n-<lb/>
nen nie, oder nicht zugleich Seelenwirkungen &#x017F;eyn. 2. Wel-<lb/>
che a&#x0364;ußere &#x017F;innliche Eindru&#x0364;cke wirklich empfunden werden,<lb/>
deren Wirkungen &#x017F;ind nur Seelenwirkungen und ko&#x0364;nnen<lb/>
nie, oder nicht zugleich Nervenwirkungen &#x017F;eyn; und umge-<lb/>
kehrt. (Vergl. §. 183.) 3. Welche Bewegungen von in-<lb/>
nern &#x017F;innlichen Eindru&#x0364;cken der Vor&#x017F;tellungen ent&#x017F;tehen, die<lb/>
ko&#x0364;nnen nie, oder nicht zugleich Nervenwirkungen andrer<lb/>
innerer &#x017F;innlicher Eindru&#x0364;cke &#x017F;eyn, die nicht von Vor&#x017F;tellun-<lb/>
gen erreget worden &#x017F;ind; und umgekehrt.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 364.</head><lb/>
            <p>Man kann die Mo&#x0364;glichkeit, wie Nervenwirkungen zu-<lb/>
gleich Seelenwirkungen &#x017F;eyn ko&#x0364;nnen, aus der Natur der<lb/>
Sache &#x017F;elb&#x017F;t, aufs deutlich&#x017F;te zeigen.</p><lb/>
            <p>1. Alle thieri&#x017F;che Bewegungen der mechani&#x017F;chen Ma-<lb/>
&#x017F;chinen außerhalb dem Gehirne werden durch die Nerven<lb/>
gewirket: §. 7. al&#x017F;o auch alle Seelenwirkungen und alle<lb/>
Nervenwirkungen in den&#x017F;elben. Die&#x017F;e Wirkung wird in<lb/>
jedem Falle durch einen &#x017F;innlichen Eindruck veranla&#x017F;&#x017F;et. §.<lb/>
356. Wenn ein innerer &#x017F;innlicher Eindruck von Vor&#x017F;tel-<lb/>
lungen eine thieri&#x017F;che Bewegung in einer mechani&#x017F;chen Ma-<lb/>
&#x017F;chine außerhalb dem Gehirne, als eine Seelenwirkung,<lb/>
wirket, &#x017F;o muß die materielle Jdee der&#x017F;elben Vor&#x017F;tellung<lb/>
im Ur&#x017F;prunge des Nerven im Gehirne, der zu die&#x017F;er Ma-<lb/>
&#x017F;chine hingeht, diejenigen Faden reizen, die den innern &#x017F;inn-<lb/>
lichen Eindruck bis zu ihr ableiten, §. 130. und die&#x017F;er Reiz<lb/>
zwingt die mechani&#x017F;che Ma&#x017F;chine zu derjenigen Bewegung,<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Z 3</fw><fw place="bottom" type="catch">deren</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[357/0381] 1 Kap. Die Nervenkraͤfte uͤberhaupt. 162. Sie kann alſo in manchen Faͤllen beydes zugleich ſeyn. Solchergeſtalt wuͤrde man falſche Schluͤſſe machen, wenn man behaupten wollte: 1. Welche thieriſche Wirkun- gen aus dem Gehirne, von materiellen Jdeen, und von Vor- ſtellungen herruͤhren, mithin Seelenwirkungen ſind, die koͤn- nen nie, oder nicht zugleich Nervenwirkungen ſeyn; und umgekehrt: Welche thieriſche Wirkungen nicht aus dem Gehirne, nicht von materiellen Jdeen, nicht von Vorſtel- lungen herruͤhren, mithin Nervenwirkungen ſind, die koͤn- nen nie, oder nicht zugleich Seelenwirkungen ſeyn. 2. Wel- che aͤußere ſinnliche Eindruͤcke wirklich empfunden werden, deren Wirkungen ſind nur Seelenwirkungen und koͤnnen nie, oder nicht zugleich Nervenwirkungen ſeyn; und umge- kehrt. (Vergl. §. 183.) 3. Welche Bewegungen von in- nern ſinnlichen Eindruͤcken der Vorſtellungen entſtehen, die koͤnnen nie, oder nicht zugleich Nervenwirkungen andrer innerer ſinnlicher Eindruͤcke ſeyn, die nicht von Vorſtellun- gen erreget worden ſind; und umgekehrt. §. 364. Man kann die Moͤglichkeit, wie Nervenwirkungen zu- gleich Seelenwirkungen ſeyn koͤnnen, aus der Natur der Sache ſelbſt, aufs deutlichſte zeigen. 1. Alle thieriſche Bewegungen der mechaniſchen Ma- ſchinen außerhalb dem Gehirne werden durch die Nerven gewirket: §. 7. alſo auch alle Seelenwirkungen und alle Nervenwirkungen in denſelben. Dieſe Wirkung wird in jedem Falle durch einen ſinnlichen Eindruck veranlaſſet. §. 356. Wenn ein innerer ſinnlicher Eindruck von Vorſtel- lungen eine thieriſche Bewegung in einer mechaniſchen Ma- ſchine außerhalb dem Gehirne, als eine Seelenwirkung, wirket, ſo muß die materielle Jdee derſelben Vorſtellung im Urſprunge des Nerven im Gehirne, der zu dieſer Ma- ſchine hingeht, diejenigen Faden reizen, die den innern ſinn- lichen Eindruck bis zu ihr ableiten, §. 130. und dieſer Reiz zwingt die mechaniſche Maſchine zu derjenigen Bewegung, deren Z 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_erstegruende_1771
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_erstegruende_1771/381
Zitationshilfe: Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771, S. 357. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_erstegruende_1771/381>, abgerufen am 22.11.2024.