Hundes, eines Ochsen, ja wie man bey Enthauptungen sieht, auch der Körper eines Menschen die heftigsten sonst willkührlichen Bewegungen, wenn man sein Rückenmark durchschneidet, und wenn man das Rückenmark nur unter- wärts reizet, so erstrecket sich die Bewegung nur auf die Füße, oberwärts aber erfolget ein Keichen, Herzklopfen, Schlucken und Erbrechen, und wenn ein Reiz des Rücken- marks am ganzen Körper krampfhafte Verzuckungen her- vorbringt, vorher aber noch etwa ein besondrer Nerve zu- gleich zerschnitten worden, so wird dieses Glied allein keine Krämpfe ausstehen, dessen Nerve durchschnitten ist, weil sich der Reiz nicht bis in dasselbe fortpflanzen kann; so steht auch ein enthaupteter Frosch auf und springt fort, fängt auch, sobald er ins Wasser kömmt, an zu schwimmen, als ob er wüßte, was er zu thun hätte, nachdem man sein Rückenmark am Halse mit einer Nadel gereizet hat, und Bilguer erzählet etwas dem Aehnliches, da man eine ge- wisse Stelle am Halse, wo Eiter verborgen war, berührete, und der Kranke wider seinen Willen auf die Beine aufste- hen mußte, u. s. w.
Anmerkung. Will man diese und dergleichen Ver- suche in größter Mannichfaltigkeit und hinlänglich autori- siret lesen, so kann man sie in Herrn v. Hallers gr. Phy- siologie, 4 Th. 10 B. 7 Abschn. §. 24 -- 39. bis zum Ueberflusse finden. Daselbst werden die Versuche, die ich etwa im Folgenden, mit Anführung des gegenwärtigen §. als bekannt und eingestanden erwähne, ob sie gleich hier nicht beschrieben worden, größtentheils anzutreffen seyn. Vergl. Hall. op. min. T. 1. p. 358. u. f.
§. 360.
Der innere sinnliche Eindruck in die Nerven kann also, ob er gleich nicht von Vorstellungen, ja wenn er gleich nicht im Gehirne selbst gemachet wird, eben dieselben thierischen Bewegungen im Körper hervorbringen, wie die Vorstellungen der
Seele
1 Kap. Die Nervenkraͤfte uͤberhaupt.
Hundes, eines Ochſen, ja wie man bey Enthauptungen ſieht, auch der Koͤrper eines Menſchen die heftigſten ſonſt willkuͤhrlichen Bewegungen, wenn man ſein Ruͤckenmark durchſchneidet, und wenn man das Ruͤckenmark nur unter- waͤrts reizet, ſo erſtrecket ſich die Bewegung nur auf die Fuͤße, oberwaͤrts aber erfolget ein Keichen, Herzklopfen, Schlucken und Erbrechen, und wenn ein Reiz des Ruͤcken- marks am ganzen Koͤrper krampfhafte Verzuckungen her- vorbringt, vorher aber noch etwa ein beſondrer Nerve zu- gleich zerſchnitten worden, ſo wird dieſes Glied allein keine Kraͤmpfe ausſtehen, deſſen Nerve durchſchnitten iſt, weil ſich der Reiz nicht bis in daſſelbe fortpflanzen kann; ſo ſteht auch ein enthaupteter Froſch auf und ſpringt fort, faͤngt auch, ſobald er ins Waſſer koͤmmt, an zu ſchwimmen, als ob er wuͤßte, was er zu thun haͤtte, nachdem man ſein Ruͤckenmark am Halſe mit einer Nadel gereizet hat, und Bilguer erzaͤhlet etwas dem Aehnliches, da man eine ge- wiſſe Stelle am Halſe, wo Eiter verborgen war, beruͤhrete, und der Kranke wider ſeinen Willen auf die Beine aufſte- hen mußte, u. ſ. w.
Anmerkung. Will man dieſe und dergleichen Ver- ſuche in groͤßter Mannichfaltigkeit und hinlaͤnglich autori- ſiret leſen, ſo kann man ſie in Herrn v. Hallers gr. Phy- ſiologie, 4 Th. 10 B. 7 Abſchn. §. 24 — 39. bis zum Ueberfluſſe finden. Daſelbſt werden die Verſuche, die ich etwa im Folgenden, mit Anfuͤhrung des gegenwaͤrtigen §. als bekannt und eingeſtanden erwaͤhne, ob ſie gleich hier nicht beſchrieben worden, groͤßtentheils anzutreffen ſeyn. Vergl. Hall. op. min. T. 1. p. 358. u. f.
§. 360.
Der innere ſinnliche Eindruck in die Nerven kann alſo, ob er gleich nicht von Vorſtellungen, ja wenn er gleich nicht im Gehirne ſelbſt gemachet wird, eben dieſelben thieriſchen Bewegungen im Koͤrper hervorbringen, wie die Vorſtellungen der
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1 Kap. Die Nervenkraͤfte uͤberhaupt.
Hundes, eines Ochſen, ja wie man bey Enthauptungen
ſieht, auch der Koͤrper eines Menſchen die heftigſten ſonſt
willkuͤhrlichen Bewegungen, wenn man ſein Ruͤckenmark
durchſchneidet, und wenn man das Ruͤckenmark nur unter-
waͤrts reizet, ſo erſtrecket ſich die Bewegung nur auf die
Fuͤße, oberwaͤrts aber erfolget ein Keichen, Herzklopfen,
Schlucken und Erbrechen, und wenn ein Reiz des Ruͤcken-
marks am ganzen Koͤrper krampfhafte Verzuckungen her-
vorbringt, vorher aber noch etwa ein beſondrer Nerve zu-
gleich zerſchnitten worden, ſo wird dieſes Glied allein keine
Kraͤmpfe ausſtehen, deſſen Nerve durchſchnitten iſt, weil
ſich der Reiz nicht bis in daſſelbe fortpflanzen kann; ſo ſteht
auch ein enthaupteter Froſch auf und ſpringt fort, faͤngt
auch, ſobald er ins Waſſer koͤmmt, an zu ſchwimmen, als
ob er wuͤßte, was er zu thun haͤtte, nachdem man ſein
Ruͤckenmark am Halſe mit einer Nadel gereizet hat, und
Bilguer erzaͤhlet etwas dem Aehnliches, da man eine ge-
wiſſe Stelle am Halſe, wo Eiter verborgen war, beruͤhrete,
und der Kranke wider ſeinen Willen auf die Beine aufſte-
hen mußte, u. ſ. w.
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ſuche in groͤßter Mannichfaltigkeit und hinlaͤnglich autori-
ſiret leſen, ſo kann man ſie in Herrn v. Hallers gr. Phy-
ſiologie, 4 Th. 10 B. 7 Abſchn. §. 24 — 39. bis zum
Ueberfluſſe finden. Daſelbſt werden die Verſuche, die ich
etwa im Folgenden, mit Anfuͤhrung des gegenwaͤrtigen §.
als bekannt und eingeſtanden erwaͤhne, ob ſie gleich hier
nicht beſchrieben worden, groͤßtentheils anzutreffen ſeyn.
Vergl. Hall. op. min. T. 1. p. 358. u. f.
§. 360.
Der innere ſinnliche Eindruck in die Nerven
kann alſo, ob er gleich nicht von Vorſtellungen, ja
wenn er gleich nicht im Gehirne ſelbſt gemachet
wird, eben dieſelben thieriſchen Bewegungen im
Koͤrper hervorbringen, wie die Vorſtellungen der
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Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771, S. 351. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_erstegruende_1771/375>, abgerufen am 22.11.2024.
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