des Herzens seine Bewegungen bald übertreibt, bald wie- der bis zur Ohnmacht ermatten läßt, wie solches schon oben §. 310. gelehret worden, auch durch die Erfahrung genug bestätiget wird, da man zwischen dem Zustande einer bloßen Schwachheit, und der wahren Leidenschaften der Furcht, Angst, Verzweifelung, einen handgreiflichen Unterschied in den Lebensbewegungen wahrnimmt, wenn man nur einen langwierigen stillen Gram und anhaltende nagende Sorgen von den wahren Leidenschaften des Grams und der Arten der Furcht unterscheidet. Durch den natürlichen physischen, mechanischen und thierischen Zusammenhang dieser so wi- dernatürlich veränderten Lebenskräfte mit den übrigen, ent- stehen in der thierischen Oeconomie von diesen Leidenschaf- ten ähnliche Erscheinungen mit denen von der Traurigkeit, nämlich die Herzensangst, die Todtenblässe, der kleine be- bende Puls, das heftige Herzklopfen, die unterbrochene Aus- dünstung, und die vermehrte Eindünstung der Haut, wo- durch, außer vielen von unterbrochener Ausdünstung her- rührenden widernatürlichen Zufällen, auch die Gefahr der Zurückführung schädlicher Dünste ins Blut und in die Ein- geweide veranlasset wird, weshalb es so gefährlich ist, bey Pestzeiten und ansteckenden Krankheiten sich der Besorgniß, Furcht, Angst, dem Grame, und überhaupt allen betrüb- ten Leidenschaften zu überlassen. §. 311. Uebrigens haben auch diese Leidenschaften zuweilen Krankheiten theils verur- sachet, theils curiret, welches aber von allen gesaget werden kann. §. 311. 259.
§. 315.
Die Seelenwirkungen, die eigentlich von der Vorher- sehung in diesen Leidenschaften herrühren, und wodurch sie sich von allen übrigen Arten der Betrübniß am deutlichsten unterscheiden, drücken den Zustand des Körpers unvoll- ständig aus, worinn er sich bey der Erfüllung der Vorher- sehung befinden würde. § 257. Ein Furchtsamer verab- scheuet aufs heftigste den Zustand, den er vorhersieht: da- her gesellet sich zu seiner Leidenschaft gemeiniglich der Ne-
bentrieb
I Th. Th. Seel. 3 Kap. Jhr Einfl. in den Mechan.
des Herzens ſeine Bewegungen bald uͤbertreibt, bald wie- der bis zur Ohnmacht ermatten laͤßt, wie ſolches ſchon oben §. 310. gelehret worden, auch durch die Erfahrung genug beſtaͤtiget wird, da man zwiſchen dem Zuſtande einer bloßen Schwachheit, und der wahren Leidenſchaften der Furcht, Angſt, Verzweifelung, einen handgreiflichen Unterſchied in den Lebensbewegungen wahrnimmt, wenn man nur einen langwierigen ſtillen Gram und anhaltende nagende Sorgen von den wahren Leidenſchaften des Grams und der Arten der Furcht unterſcheidet. Durch den natuͤrlichen phyſiſchen, mechaniſchen und thieriſchen Zuſammenhang dieſer ſo wi- dernatuͤrlich veraͤnderten Lebenskraͤfte mit den uͤbrigen, ent- ſtehen in der thieriſchen Oeconomie von dieſen Leidenſchaf- ten aͤhnliche Erſcheinungen mit denen von der Traurigkeit, naͤmlich die Herzensangſt, die Todtenblaͤſſe, der kleine be- bende Puls, das heftige Herzklopfen, die unterbrochene Aus- duͤnſtung, und die vermehrte Einduͤnſtung der Haut, wo- durch, außer vielen von unterbrochener Ausduͤnſtung her- ruͤhrenden widernatuͤrlichen Zufaͤllen, auch die Gefahr der Zuruͤckfuͤhrung ſchaͤdlicher Duͤnſte ins Blut und in die Ein- geweide veranlaſſet wird, weshalb es ſo gefaͤhrlich iſt, bey Peſtzeiten und anſteckenden Krankheiten ſich der Beſorgniß, Furcht, Angſt, dem Grame, und uͤberhaupt allen betruͤb- ten Leidenſchaften zu uͤberlaſſen. §. 311. Uebrigens haben auch dieſe Leidenſchaften zuweilen Krankheiten theils verur- ſachet, theils curiret, welches aber von allen geſaget werden kann. §. 311. 259.
§. 315.
Die Seelenwirkungen, die eigentlich von der Vorher- ſehung in dieſen Leidenſchaften herruͤhren, und wodurch ſie ſich von allen uͤbrigen Arten der Betruͤbniß am deutlichſten unterſcheiden, druͤcken den Zuſtand des Koͤrpers unvoll- ſtaͤndig aus, worinn er ſich bey der Erfuͤllung der Vorher- ſehung befinden wuͤrde. § 257. Ein Furchtſamer verab- ſcheuet aufs heftigſte den Zuſtand, den er vorherſieht: da- her geſellet ſich zu ſeiner Leidenſchaft gemeiniglich der Ne-
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I Th. Th. Seel. 3 Kap. Jhr Einfl. in den Mechan.
des Herzens ſeine Bewegungen bald uͤbertreibt, bald wie-
der bis zur Ohnmacht ermatten laͤßt, wie ſolches ſchon oben
§. 310. gelehret worden, auch durch die Erfahrung genug
beſtaͤtiget wird, da man zwiſchen dem Zuſtande einer bloßen
Schwachheit, und der wahren Leidenſchaften der Furcht,
Angſt, Verzweifelung, einen handgreiflichen Unterſchied in
den Lebensbewegungen wahrnimmt, wenn man nur einen
langwierigen ſtillen Gram und anhaltende nagende Sorgen
von den wahren Leidenſchaften des Grams und der Arten
der Furcht unterſcheidet. Durch den natuͤrlichen phyſiſchen,
mechaniſchen und thieriſchen Zuſammenhang dieſer ſo wi-
dernatuͤrlich veraͤnderten Lebenskraͤfte mit den uͤbrigen, ent-
ſtehen in der thieriſchen Oeconomie von dieſen Leidenſchaf-
ten aͤhnliche Erſcheinungen mit denen von der Traurigkeit,
naͤmlich die Herzensangſt, die Todtenblaͤſſe, der kleine be-
bende Puls, das heftige Herzklopfen, die unterbrochene Aus-
duͤnſtung, und die vermehrte Einduͤnſtung der Haut, wo-
durch, außer vielen von unterbrochener Ausduͤnſtung her-
ruͤhrenden widernatuͤrlichen Zufaͤllen, auch die Gefahr der
Zuruͤckfuͤhrung ſchaͤdlicher Duͤnſte ins Blut und in die Ein-
geweide veranlaſſet wird, weshalb es ſo gefaͤhrlich iſt, bey
Peſtzeiten und anſteckenden Krankheiten ſich der Beſorgniß,
Furcht, Angſt, dem Grame, und uͤberhaupt allen betruͤb-
ten Leidenſchaften zu uͤberlaſſen. §. 311. Uebrigens haben
auch dieſe Leidenſchaften zuweilen Krankheiten theils verur-
ſachet, theils curiret, welches aber von allen geſaget werden
kann. §. 311. 259.
§. 315.
Die Seelenwirkungen, die eigentlich von der Vorher-
ſehung in dieſen Leidenſchaften herruͤhren, und wodurch ſie
ſich von allen uͤbrigen Arten der Betruͤbniß am deutlichſten
unterſcheiden, druͤcken den Zuſtand des Koͤrpers unvoll-
ſtaͤndig aus, worinn er ſich bey der Erfuͤllung der Vorher-
ſehung befinden wuͤrde. § 257. Ein Furchtſamer verab-
ſcheuet aufs heftigſte den Zuſtand, den er vorherſieht: da-
her geſellet ſich zu ſeiner Leidenſchaft gemeiniglich der Ne-
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Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771, S. 310. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_erstegruende_1771/334>, abgerufen am 22.02.2025.
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