heben oder erleichtern, es sey nun durch ihre unmittelbaren, oder durch die Seelenwirkungen der Nebenvorstellungen.
§. 312.
Die Seelenwirkungen der Traurigkeit, die von der Vor- hersehung ihres Gegenstandes herrühren, und den Zustand ihrer Erfüllung unvollkommen ausdrücken, §. 257. sind mit denen von einer Einbildung vergesellschaftet, weil die Traurigkeit eine Betrübniß über etwas Vergangenes ist, §. 309. 67. und diese Einbildung ist oft so lebhaft, daß sie zur unächten Empfindung wird. §. 148. So schwebet oft den über den Tod einer geliebten Person Traurigen ihr Bild stets vor Augen und begleitet sie allenthalben; sie han- deln dieser unächten Empfindung gemäß, §. 150. sprechen laut mit dem Todten und liebkosen seinen Schatten. Da die Vorhersehungen nicht leicht so lebhaft werden, so ge- schieht es öfters, daß sich bey dieser, wie bey allen Leiden- schaften über etwas Vergangenes, z. E. der Zufriedenheit, Reue, u. s. f. ihre Seelenwirkungen mehr als unvollständi- ge Ausdrücke einer vergangenen, als einer zukünftigen Em- pfindung äußern. Allein wenn man die Sache genau un- tersuchet, oder die Fälle betrachtet, wo die Vorhersehung in der Leidenschaft ebenfalls sehr stark ist, so findet man den unvollständigen Ausdruck der erfüllten Vorhersehung der Leidenschaft deutlich genug. Wenn z. E. die Traurigkeit über das Außenbleiben eines verreiseten geliebten Freundes, um der Vermuthung willen, eine böse Nachricht von einem ihm widerfahrenen Unglücke zu erhalten, ihre Seelenwir- kungen im Körper äußert, so sind die Seelenwirkungen von der Erwartung (Vorhersehung) einer schrecklichen Nach- richt, mit den Seelenwirkungen einer Erinnerung des liebreichen Abschiedes und der letzten Handlungen des Ent- fernten in der Leidenschaft deutlich verknüpfet, und der Trau- rige wiederholet die Worte, die Geberden, die Seufzer und Thränen beym Abschiede, indem ihn zugleich die Erwar- tung trauriger Nachrichten alle Wirkungen einer zagenden Furcht empfinden läßt. Alles, was die Einbildungen von
trauri-
I Th. Th. Seel. 3 Kap. Jhr Einfl. in den Mechan.
heben oder erleichtern, es ſey nun durch ihre unmittelbaren, oder durch die Seelenwirkungen der Nebenvorſtellungen.
§. 312.
Die Seelenwirkungen der Traurigkeit, die von der Vor- herſehung ihres Gegenſtandes herruͤhren, und den Zuſtand ihrer Erfuͤllung unvollkommen ausdruͤcken, §. 257. ſind mit denen von einer Einbildung vergeſellſchaftet, weil die Traurigkeit eine Betruͤbniß uͤber etwas Vergangenes iſt, §. 309. 67. und dieſe Einbildung iſt oft ſo lebhaft, daß ſie zur unaͤchten Empfindung wird. §. 148. So ſchwebet oft den uͤber den Tod einer geliebten Perſon Traurigen ihr Bild ſtets vor Augen und begleitet ſie allenthalben; ſie han- deln dieſer unaͤchten Empfindung gemaͤß, §. 150. ſprechen laut mit dem Todten und liebkoſen ſeinen Schatten. Da die Vorherſehungen nicht leicht ſo lebhaft werden, ſo ge- ſchieht es oͤfters, daß ſich bey dieſer, wie bey allen Leiden- ſchaften uͤber etwas Vergangenes, z. E. der Zufriedenheit, Reue, u. ſ. f. ihre Seelenwirkungen mehr als unvollſtaͤndi- ge Ausdruͤcke einer vergangenen, als einer zukuͤnftigen Em- pfindung aͤußern. Allein wenn man die Sache genau un- terſuchet, oder die Faͤlle betrachtet, wo die Vorherſehung in der Leidenſchaft ebenfalls ſehr ſtark iſt, ſo findet man den unvollſtaͤndigen Ausdruck der erfuͤllten Vorherſehung der Leidenſchaft deutlich genug. Wenn z. E. die Traurigkeit uͤber das Außenbleiben eines verreiſeten geliebten Freundes, um der Vermuthung willen, eine boͤſe Nachricht von einem ihm widerfahrenen Ungluͤcke zu erhalten, ihre Seelenwir- kungen im Koͤrper aͤußert, ſo ſind die Seelenwirkungen von der Erwartung (Vorherſehung) einer ſchrecklichen Nach- richt, mit den Seelenwirkungen einer Erinnerung des liebreichen Abſchiedes und der letzten Handlungen des Ent- fernten in der Leidenſchaft deutlich verknuͤpfet, und der Trau- rige wiederholet die Worte, die Geberden, die Seufzer und Thraͤnen beym Abſchiede, indem ihn zugleich die Erwar- tung trauriger Nachrichten alle Wirkungen einer zagenden Furcht empfinden laͤßt. Alles, was die Einbildungen von
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I Th. Th. Seel. 3 Kap. Jhr Einfl. in den Mechan.
heben oder erleichtern, es ſey nun durch ihre unmittelbaren,
oder durch die Seelenwirkungen der Nebenvorſtellungen.
§. 312.
Die Seelenwirkungen der Traurigkeit, die von der Vor-
herſehung ihres Gegenſtandes herruͤhren, und den Zuſtand
ihrer Erfuͤllung unvollkommen ausdruͤcken, §. 257. ſind
mit denen von einer Einbildung vergeſellſchaftet, weil die
Traurigkeit eine Betruͤbniß uͤber etwas Vergangenes iſt, §.
309. 67. und dieſe Einbildung iſt oft ſo lebhaft, daß ſie
zur unaͤchten Empfindung wird. §. 148. So ſchwebet oft
den uͤber den Tod einer geliebten Perſon Traurigen ihr
Bild ſtets vor Augen und begleitet ſie allenthalben; ſie han-
deln dieſer unaͤchten Empfindung gemaͤß, §. 150. ſprechen
laut mit dem Todten und liebkoſen ſeinen Schatten. Da
die Vorherſehungen nicht leicht ſo lebhaft werden, ſo ge-
ſchieht es oͤfters, daß ſich bey dieſer, wie bey allen Leiden-
ſchaften uͤber etwas Vergangenes, z. E. der Zufriedenheit,
Reue, u. ſ. f. ihre Seelenwirkungen mehr als unvollſtaͤndi-
ge Ausdruͤcke einer vergangenen, als einer zukuͤnftigen Em-
pfindung aͤußern. Allein wenn man die Sache genau un-
terſuchet, oder die Faͤlle betrachtet, wo die Vorherſehung in
der Leidenſchaft ebenfalls ſehr ſtark iſt, ſo findet man den
unvollſtaͤndigen Ausdruck der erfuͤllten Vorherſehung der
Leidenſchaft deutlich genug. Wenn z. E. die Traurigkeit
uͤber das Außenbleiben eines verreiſeten geliebten Freundes,
um der Vermuthung willen, eine boͤſe Nachricht von einem
ihm widerfahrenen Ungluͤcke zu erhalten, ihre Seelenwir-
kungen im Koͤrper aͤußert, ſo ſind die Seelenwirkungen von
der Erwartung (Vorherſehung) einer ſchrecklichen Nach-
richt, mit den Seelenwirkungen einer Erinnerung des
liebreichen Abſchiedes und der letzten Handlungen des Ent-
fernten in der Leidenſchaft deutlich verknuͤpfet, und der Trau-
rige wiederholet die Worte, die Geberden, die Seufzer und
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Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771, S. 308. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_erstegruende_1771/332>, abgerufen am 25.11.2024.
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