kungen in den mechanischen Maschinen nothwendig auch seyn. Alles dieses bestätiget die Erfahrung. Eine sinn- liche Vorhersehung bringt in eben den mechanischen Ma- schinen eben solche Seelenwirkungen hervor, wie die künf- tige äußere Empfindung hervorbringen wird. Die Träu- me eines Verliebten, daß er erhöret werden soll, bringen ihn fast dahin, wo er in dem Augenblicke der Erhörung seyn wird. Wenn man einen andern speisen sieht, und selbst auch zu speisen gedenkt, so reizet diese Vorhersehung mit der ihr anhängenden Begierde, die Speicheldrüsen so, wie es das Speisen selbst thun wird. Die Vorhersehung eines Falles von einer Höhe zwingt uns, auch wider Wil- len und Vorsatz, uns anzuhalten, wie es beym Fallen selbst geschehen würde. Wenn man träumet, daß man die Urin- blase entledigen wolle, so geschieht es oft wirklich. Die Erwartung der Wirkung einer Arzney machet, daß wir diese Wirkung schon im Voraus erfahren. Selbst das Gähnen, wenn man andre gähnen sieht, scheint zuweilen davon herzurühren, daß man die Bewegung der Kinnla- de nachzuahmen anfängt, weil uns der Anblick des andern erinnert, wie wir das anfangen, wenn wir es selbst thun, woraus die Vorhersehung entsteht, wie wir es anfangen werden. Jnzwischen lehret auch die tägliche Erfahrung, daß die Bewegungen, welche die gemeinen Vorhersehun- gen, die nicht besonders stark sind, hervorbringen, das nur sehr mangelhaft, schwach und zerstückt ausdrücken, was wir beym wirklichen Empfinden thun werden. Vergl. d. A. 2 B. 85 St.
§. 241.
Das Ganze einer Vorhersehung ist aus nur einigen Theilen einer künftigen äußern Empfindung zusammenge- setzet, §. 239 und so auch ihre materiellen Jdeen oder sinnliche Eindrücke in die Ursprünge der Nerven im Gehir- ne, welche die mechanischen Maschinen außerhalb demsel- ben in Wirkung setzen. §. 239. 121. Welche Theile ei-
ner
I Th. Th. Seel. 3 Kap. Jhr Einfl. in den Mechan.
kungen in den mechaniſchen Maſchinen nothwendig auch ſeyn. Alles dieſes beſtaͤtiget die Erfahrung. Eine ſinn- liche Vorherſehung bringt in eben den mechaniſchen Ma- ſchinen eben ſolche Seelenwirkungen hervor, wie die kuͤnf- tige aͤußere Empfindung hervorbringen wird. Die Traͤu- me eines Verliebten, daß er erhoͤret werden ſoll, bringen ihn faſt dahin, wo er in dem Augenblicke der Erhoͤrung ſeyn wird. Wenn man einen andern ſpeiſen ſieht, und ſelbſt auch zu ſpeiſen gedenkt, ſo reizet dieſe Vorherſehung mit der ihr anhaͤngenden Begierde, die Speicheldruͤſen ſo, wie es das Speiſen ſelbſt thun wird. Die Vorherſehung eines Falles von einer Hoͤhe zwingt uns, auch wider Wil- len und Vorſatz, uns anzuhalten, wie es beym Fallen ſelbſt geſchehen wuͤrde. Wenn man traͤumet, daß man die Urin- blaſe entledigen wolle, ſo geſchieht es oft wirklich. Die Erwartung der Wirkung einer Arzney machet, daß wir dieſe Wirkung ſchon im Voraus erfahren. Selbſt das Gaͤhnen, wenn man andre gaͤhnen ſieht, ſcheint zuweilen davon herzuruͤhren, daß man die Bewegung der Kinnla- de nachzuahmen anfaͤngt, weil uns der Anblick des andern erinnert, wie wir das anfangen, wenn wir es ſelbſt thun, woraus die Vorherſehung entſteht, wie wir es anfangen werden. Jnzwiſchen lehret auch die taͤgliche Erfahrung, daß die Bewegungen, welche die gemeinen Vorherſehun- gen, die nicht beſonders ſtark ſind, hervorbringen, das nur ſehr mangelhaft, ſchwach und zerſtuͤckt ausdruͤcken, was wir beym wirklichen Empfinden thun werden. Vergl. d. A. 2 B. 85 St.
§. 241.
Das Ganze einer Vorherſehung iſt aus nur einigen Theilen einer kuͤnftigen aͤußern Empfindung zuſammenge- ſetzet, §. 239 und ſo auch ihre materiellen Jdeen oder ſinnliche Eindruͤcke in die Urſpruͤnge der Nerven im Gehir- ne, welche die mechaniſchen Maſchinen außerhalb demſel- ben in Wirkung ſetzen. §. 239. 121. Welche Theile ei-
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I Th. Th. Seel. 3 Kap. Jhr Einfl. in den Mechan.
kungen in den mechaniſchen Maſchinen nothwendig auch
ſeyn. Alles dieſes beſtaͤtiget die Erfahrung. Eine ſinn-
liche Vorherſehung bringt in eben den mechaniſchen Ma-
ſchinen eben ſolche Seelenwirkungen hervor, wie die kuͤnf-
tige aͤußere Empfindung hervorbringen wird. Die Traͤu-
me eines Verliebten, daß er erhoͤret werden ſoll, bringen
ihn faſt dahin, wo er in dem Augenblicke der Erhoͤrung
ſeyn wird. Wenn man einen andern ſpeiſen ſieht, und
ſelbſt auch zu ſpeiſen gedenkt, ſo reizet dieſe Vorherſehung
mit der ihr anhaͤngenden Begierde, die Speicheldruͤſen ſo,
wie es das Speiſen ſelbſt thun wird. Die Vorherſehung
eines Falles von einer Hoͤhe zwingt uns, auch wider Wil-
len und Vorſatz, uns anzuhalten, wie es beym Fallen ſelbſt
geſchehen wuͤrde. Wenn man traͤumet, daß man die Urin-
blaſe entledigen wolle, ſo geſchieht es oft wirklich. Die
Erwartung der Wirkung einer Arzney machet, daß wir
dieſe Wirkung ſchon im Voraus erfahren. Selbſt das
Gaͤhnen, wenn man andre gaͤhnen ſieht, ſcheint zuweilen
davon herzuruͤhren, daß man die Bewegung der Kinnla-
de nachzuahmen anfaͤngt, weil uns der Anblick des andern
erinnert, wie wir das anfangen, wenn wir es ſelbſt thun,
woraus die Vorherſehung entſteht, wie wir es anfangen
werden. Jnzwiſchen lehret auch die taͤgliche Erfahrung,
daß die Bewegungen, welche die gemeinen Vorherſehun-
gen, die nicht beſonders ſtark ſind, hervorbringen, das nur
ſehr mangelhaft, ſchwach und zerſtuͤckt ausdruͤcken, was
wir beym wirklichen Empfinden thun werden. Vergl. d. A.
2 B. 85 St.
§. 241.
Das Ganze einer Vorherſehung iſt aus nur einigen
Theilen einer kuͤnftigen aͤußern Empfindung zuſammenge-
ſetzet, §. 239 und ſo auch ihre materiellen Jdeen oder
ſinnliche Eindruͤcke in die Urſpruͤnge der Nerven im Gehir-
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ben in Wirkung ſetzen. §. 239. 121. Welche Theile ei-
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Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771, S. 220. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_erstegruende_1771/244>, abgerufen am 16.02.2025.
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