die Einbildungen, als solche, thun. Man sieht ein Ge- sicht, und erschrickt, daß man blaß wird. Es ist das ähn- liche Gesicht einer Person, mit der man vor langer Zeit bit- tern Verdruß gehabt hat. Das Erblassen erfolget schon ehe wir uns erinnern, wem dieses Gesicht ähnlich sey, al- so blos durch die wiederholte äußere Empfindung, (Einbil- dung,) ohne die Wiedererinnerung; denn wie oft höret man nicht in solchen Fällen sagen: "Dieser Anblick schreckt, "rühret, erheitert mich, ohne daß ich weiß warum? Es "muß ein Nebenbegriff daran Schuld seyn, dessen ich mich "aber nicht erinnere." Wenn uns beym Anblicke dieses ähnlichen Gesichts auch gleich die Person wieder einfällt, mit der wir den Verdruß gehabt haben, so erfolget doch, wie es scheint, keine andre Seelenwirkung davon, als eben die vorige. Wir erblassen eben so, wie vorhin, nur wissen wir itzt warum? Es ist also immer nur die Seelenwirkung der Einbildung, die sich in der Maschine wahrnehmen läßt, und die Erinnerung derselben scheint sie in Nichts zu verändern, das ist: das eigentliche Erinnern der Seele ge- höret unter diejenigen Arten ihrer Vorstellungen, deren Seelenwirkungen nur im Gehirne bleiben, und nur mate- rielle Jdeen der andern Art erzeugen, §. 119. dahingegen die Vorstellungen, deren man sich wieder erinnert, ohne Beziehung hierauf, ihre gewöhnlichen Seelenwirkungen in den mechanischen Maschinen hervorbringen. Die mei- sten Philosophen und Aerzte halten die Seelenwirkungen der Vorstellungen des Gedächtnißes für hieroglyphische Bilder der Vorstellungen im Gehirne, wovon aber §. 71.
Wirkungen der sinnlichen Vorhersehungen durch die Nerven in die mechanischen Maschinen.
§. 239.
Die sinnlichen Vorbersehungen sind künftige äuße- re Empfindungen, denen der äußere sinnliche Eindruck das Wahre der äußern Empfindungen geben müßte. §. 73.
Es
I Th. Th. Seel. 3 Kap. Jhr Einfl. in den Mechan.
die Einbildungen, als ſolche, thun. Man ſieht ein Ge- ſicht, und erſchrickt, daß man blaß wird. Es iſt das aͤhn- liche Geſicht einer Perſon, mit der man vor langer Zeit bit- tern Verdruß gehabt hat. Das Erblaſſen erfolget ſchon ehe wir uns erinnern, wem dieſes Geſicht aͤhnlich ſey, al- ſo blos durch die wiederholte aͤußere Empfindung, (Einbil- dung,) ohne die Wiedererinnerung; denn wie oft hoͤret man nicht in ſolchen Faͤllen ſagen: „Dieſer Anblick ſchreckt, „ruͤhret, erheitert mich, ohne daß ich weiß warum? Es „muß ein Nebenbegriff daran Schuld ſeyn, deſſen ich mich „aber nicht erinnere.“ Wenn uns beym Anblicke dieſes aͤhnlichen Geſichts auch gleich die Perſon wieder einfaͤllt, mit der wir den Verdruß gehabt haben, ſo erfolget doch, wie es ſcheint, keine andre Seelenwirkung davon, als eben die vorige. Wir erblaſſen eben ſo, wie vorhin, nur wiſſen wir itzt warum? Es iſt alſo immer nur die Seelenwirkung der Einbildung, die ſich in der Maſchine wahrnehmen laͤßt, und die Erinnerung derſelben ſcheint ſie in Nichts zu veraͤndern, das iſt: das eigentliche Erinnern der Seele ge- hoͤret unter diejenigen Arten ihrer Vorſtellungen, deren Seelenwirkungen nur im Gehirne bleiben, und nur mate- rielle Jdeen der andern Art erzeugen, §. 119. dahingegen die Vorſtellungen, deren man ſich wieder erinnert, ohne Beziehung hierauf, ihre gewoͤhnlichen Seelenwirkungen in den mechaniſchen Maſchinen hervorbringen. Die mei- ſten Philoſophen und Aerzte halten die Seelenwirkungen der Vorſtellungen des Gedaͤchtnißes fuͤr hieroglyphiſche Bilder der Vorſtellungen im Gehirne, wovon aber §. 71.
Wirkungen der ſinnlichen Vorherſehungen durch die Nerven in die mechaniſchen Maſchinen.
§. 239.
Die ſinnlichen Vorberſehungen ſind kuͤnftige aͤuße- re Empfindungen, denen der aͤußere ſinnliche Eindruck das Wahre der aͤußern Empfindungen geben muͤßte. §. 73.
Es
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I Th. Th. Seel. 3 Kap. Jhr Einfl. in den Mechan.
die Einbildungen, als ſolche, thun. Man ſieht ein Ge-
ſicht, und erſchrickt, daß man blaß wird. Es iſt das aͤhn-
liche Geſicht einer Perſon, mit der man vor langer Zeit bit-
tern Verdruß gehabt hat. Das Erblaſſen erfolget ſchon
ehe wir uns erinnern, wem dieſes Geſicht aͤhnlich ſey, al-
ſo blos durch die wiederholte aͤußere Empfindung, (Einbil-
dung,) ohne die Wiedererinnerung; denn wie oft hoͤret man
nicht in ſolchen Faͤllen ſagen: „Dieſer Anblick ſchreckt,
„ruͤhret, erheitert mich, ohne daß ich weiß warum? Es
„muß ein Nebenbegriff daran Schuld ſeyn, deſſen ich mich
„aber nicht erinnere.“ Wenn uns beym Anblicke dieſes
aͤhnlichen Geſichts auch gleich die Perſon wieder einfaͤllt,
mit der wir den Verdruß gehabt haben, ſo erfolget doch,
wie es ſcheint, keine andre Seelenwirkung davon, als eben
die vorige. Wir erblaſſen eben ſo, wie vorhin, nur wiſſen
wir itzt warum? Es iſt alſo immer nur die Seelenwirkung
der Einbildung, die ſich in der Maſchine wahrnehmen
laͤßt, und die Erinnerung derſelben ſcheint ſie in Nichts zu
veraͤndern, das iſt: das eigentliche Erinnern der Seele ge-
hoͤret unter diejenigen Arten ihrer Vorſtellungen, deren
Seelenwirkungen nur im Gehirne bleiben, und nur mate-
rielle Jdeen der andern Art erzeugen, §. 119. dahingegen
die Vorſtellungen, deren man ſich wieder erinnert, ohne
Beziehung hierauf, ihre gewoͤhnlichen Seelenwirkungen
in den mechaniſchen Maſchinen hervorbringen. Die mei-
ſten Philoſophen und Aerzte halten die Seelenwirkungen
der Vorſtellungen des Gedaͤchtnißes fuͤr hieroglyphiſche
Bilder der Vorſtellungen im Gehirne, wovon aber §. 71.
Wirkungen der ſinnlichen Vorherſehungen durch
die Nerven in die mechaniſchen Maſchinen.
§. 239.
Die ſinnlichen Vorberſehungen ſind kuͤnftige aͤuße-
re Empfindungen, denen der aͤußere ſinnliche Eindruck das
Wahre der aͤußern Empfindungen geben muͤßte. §. 73.
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Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771, S. 218. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_erstegruende_1771/242>, abgerufen am 22.02.2025.
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