wünschte, daß er wüßte, was ich dabey denke. Warum soll nicht ein Jeder die Freyheit haben, einen Andern, so wie es ihm beliebt, zu beurthei- len, wenn er ihn dazu merkwürdig genug fin- det; und warum soll der Andre verbunden seyn das zu beantworten, wenn es ihm nicht wich- tig genug scheint, das Publicum mit seiner Recht- fertigung zu unterhalten? Gar selten haben die Wissenschaften von Streitschriften einen erhebli- chen Nutzen. Bey einer neuangelegten Wissen- schaft aber, wovon nur der kurze Abriß der er- sten Gründe, ohne alle Erläuterung, ohne alle Vortheile eines einnehmenden Vortrags, und mit dem Nachtheile ungewöhnlicher Redensarten und Ausdrücke, die anfänglich immer Neben- begriffe bey sich führen, welche den Leser vom Sinne des Verfassers ableiten, im Publico er- scheint, können Erläuterungen nöthig seyn, die man nicht zurückhalten dürfte, ohne der Aufnah- me der Wissenschaft selbst zu schaden.
Wegen eben dieser ungewöhnlichen Redens- arten und Ausdrücke muß ich die Leser noch be- sonders um Vergebung bitten. Man wird fin- den, daß sie unentbehrlich waren, wenn man Unterschiede in den Begriffen festsetzen wollte, ohne welche es ganz unmöglich gewesen wäre, der Physiologie der thierischen Natur auch nur die- sen ersten Grad der Güte zu geben, den sie itzt hat. Jch bin sonst nicht dazu geneigt, un- gewöhnliche Ausdrücke zu suchen, und als ich vor zwey Jahren, in einer kleinen Schrift von der Sinnlichkeit thierischer Körper, mich des Wortes Gefühl, aus gleicher Nothwendigkeit,
in
Vorrede.
wuͤnſchte, daß er wuͤßte, was ich dabey denke. Warum ſoll nicht ein Jeder die Freyheit haben, einen Andern, ſo wie es ihm beliebt, zu beurthei- len, wenn er ihn dazu merkwuͤrdig genug fin- det; und warum ſoll der Andre verbunden ſeyn das zu beantworten, wenn es ihm nicht wich- tig genug ſcheint, das Publicum mit ſeiner Recht- fertigung zu unterhalten? Gar ſelten haben die Wiſſenſchaften von Streitſchriften einen erhebli- chen Nutzen. Bey einer neuangelegten Wiſſen- ſchaft aber, wovon nur der kurze Abriß der er- ſten Gruͤnde, ohne alle Erlaͤuterung, ohne alle Vortheile eines einnehmenden Vortrags, und mit dem Nachtheile ungewoͤhnlicher Redensarten und Ausdruͤcke, die anfaͤnglich immer Neben- begriffe bey ſich fuͤhren, welche den Leſer vom Sinne des Verfaſſers ableiten, im Publico er- ſcheint, koͤnnen Erlaͤuterungen noͤthig ſeyn, die man nicht zuruͤckhalten duͤrfte, ohne der Aufnah- me der Wiſſenſchaft ſelbſt zu ſchaden.
Wegen eben dieſer ungewoͤhnlichen Redens- arten und Ausdruͤcke muß ich die Leſer noch be- ſonders um Vergebung bitten. Man wird fin- den, daß ſie unentbehrlich waren, wenn man Unterſchiede in den Begriffen feſtſetzen wollte, ohne welche es ganz unmoͤglich geweſen waͤre, der Phyſiologie der thieriſchen Natur auch nur die- ſen erſten Grad der Guͤte zu geben, den ſie itzt hat. Jch bin ſonſt nicht dazu geneigt, un- gewoͤhnliche Ausdruͤcke zu ſuchen, und als ich vor zwey Jahren, in einer kleinen Schrift von der Sinnlichkeit thieriſcher Koͤrper, mich des Wortes Gefuͤhl, aus gleicher Nothwendigkeit,
in
<TEI><text><front><divn="1"><p><pbfacs="#f0020"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b"><hirendition="#g">Vorrede.</hi></hi></fw><lb/>
wuͤnſchte, daß er wuͤßte, was ich dabey denke.<lb/>
Warum ſoll nicht ein Jeder die Freyheit haben,<lb/>
einen Andern, ſo wie es ihm beliebt, zu beurthei-<lb/>
len, wenn er ihn dazu merkwuͤrdig genug fin-<lb/>
det; und warum ſoll der Andre verbunden ſeyn<lb/>
das zu beantworten, wenn es ihm nicht wich-<lb/>
tig genug ſcheint, das Publicum mit ſeiner Recht-<lb/>
fertigung zu unterhalten? Gar ſelten haben die<lb/>
Wiſſenſchaften von Streitſchriften einen erhebli-<lb/>
chen Nutzen. Bey einer neuangelegten Wiſſen-<lb/>ſchaft aber, wovon nur der kurze Abriß der er-<lb/>ſten Gruͤnde, ohne alle Erlaͤuterung, ohne alle<lb/>
Vortheile eines einnehmenden Vortrags, und<lb/>
mit dem Nachtheile ungewoͤhnlicher Redensarten<lb/>
und Ausdruͤcke, die anfaͤnglich immer Neben-<lb/>
begriffe bey ſich fuͤhren, welche den Leſer vom<lb/>
Sinne des Verfaſſers ableiten, im Publico er-<lb/>ſcheint, koͤnnen Erlaͤuterungen noͤthig ſeyn, die<lb/>
man nicht zuruͤckhalten duͤrfte, ohne der Aufnah-<lb/>
me der Wiſſenſchaft ſelbſt zu ſchaden.</p><lb/><p>Wegen eben dieſer ungewoͤhnlichen Redens-<lb/>
arten und Ausdruͤcke muß ich die Leſer noch be-<lb/>ſonders um Vergebung bitten. Man wird fin-<lb/>
den, daß ſie unentbehrlich waren, wenn man<lb/>
Unterſchiede in den Begriffen feſtſetzen wollte,<lb/>
ohne welche es ganz unmoͤglich geweſen waͤre, der<lb/>
Phyſiologie der thieriſchen Natur auch nur die-<lb/>ſen erſten Grad der Guͤte zu geben, den ſie<lb/>
itzt hat. Jch bin ſonſt nicht dazu geneigt, un-<lb/>
gewoͤhnliche Ausdruͤcke zu ſuchen, und als ich<lb/>
vor zwey Jahren, in einer kleinen Schrift <hirendition="#fr">von<lb/>
der Sinnlichkeit thieriſcher Koͤrper,</hi> mich des<lb/>
Wortes <hirendition="#fr">Gefuͤhl,</hi> aus gleicher Nothwendigkeit,<lb/><fwplace="bottom"type="catch">in</fw><lb/></p></div></front></text></TEI>
[0020]
Vorrede.
wuͤnſchte, daß er wuͤßte, was ich dabey denke.
Warum ſoll nicht ein Jeder die Freyheit haben,
einen Andern, ſo wie es ihm beliebt, zu beurthei-
len, wenn er ihn dazu merkwuͤrdig genug fin-
det; und warum ſoll der Andre verbunden ſeyn
das zu beantworten, wenn es ihm nicht wich-
tig genug ſcheint, das Publicum mit ſeiner Recht-
fertigung zu unterhalten? Gar ſelten haben die
Wiſſenſchaften von Streitſchriften einen erhebli-
chen Nutzen. Bey einer neuangelegten Wiſſen-
ſchaft aber, wovon nur der kurze Abriß der er-
ſten Gruͤnde, ohne alle Erlaͤuterung, ohne alle
Vortheile eines einnehmenden Vortrags, und
mit dem Nachtheile ungewoͤhnlicher Redensarten
und Ausdruͤcke, die anfaͤnglich immer Neben-
begriffe bey ſich fuͤhren, welche den Leſer vom
Sinne des Verfaſſers ableiten, im Publico er-
ſcheint, koͤnnen Erlaͤuterungen noͤthig ſeyn, die
man nicht zuruͤckhalten duͤrfte, ohne der Aufnah-
me der Wiſſenſchaft ſelbſt zu ſchaden.
Wegen eben dieſer ungewoͤhnlichen Redens-
arten und Ausdruͤcke muß ich die Leſer noch be-
ſonders um Vergebung bitten. Man wird fin-
den, daß ſie unentbehrlich waren, wenn man
Unterſchiede in den Begriffen feſtſetzen wollte,
ohne welche es ganz unmoͤglich geweſen waͤre, der
Phyſiologie der thieriſchen Natur auch nur die-
ſen erſten Grad der Guͤte zu geben, den ſie
itzt hat. Jch bin ſonſt nicht dazu geneigt, un-
gewoͤhnliche Ausdruͤcke zu ſuchen, und als ich
vor zwey Jahren, in einer kleinen Schrift von
der Sinnlichkeit thieriſcher Koͤrper, mich des
Wortes Gefuͤhl, aus gleicher Nothwendigkeit,
in
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_erstegruende_1771/20>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.