Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771.

Bild:
<< vorherige Seite

Vorrede.
wünschte, daß er wüßte, was ich dabey denke.
Warum soll nicht ein Jeder die Freyheit haben,
einen Andern, so wie es ihm beliebt, zu beurthei-
len, wenn er ihn dazu merkwürdig genug fin-
det; und warum soll der Andre verbunden seyn
das zu beantworten, wenn es ihm nicht wich-
tig genug scheint, das Publicum mit seiner Recht-
fertigung zu unterhalten? Gar selten haben die
Wissenschaften von Streitschriften einen erhebli-
chen Nutzen. Bey einer neuangelegten Wissen-
schaft aber, wovon nur der kurze Abriß der er-
sten Gründe, ohne alle Erläuterung, ohne alle
Vortheile eines einnehmenden Vortrags, und
mit dem Nachtheile ungewöhnlicher Redensarten
und Ausdrücke, die anfänglich immer Neben-
begriffe bey sich führen, welche den Leser vom
Sinne des Verfassers ableiten, im Publico er-
scheint, können Erläuterungen nöthig seyn, die
man nicht zurückhalten dürfte, ohne der Aufnah-
me der Wissenschaft selbst zu schaden.

Wegen eben dieser ungewöhnlichen Redens-
arten und Ausdrücke muß ich die Leser noch be-
sonders um Vergebung bitten. Man wird fin-
den, daß sie unentbehrlich waren, wenn man
Unterschiede in den Begriffen festsetzen wollte,
ohne welche es ganz unmöglich gewesen wäre, der
Physiologie der thierischen Natur auch nur die-
sen ersten Grad der Güte zu geben, den sie
itzt hat. Jch bin sonst nicht dazu geneigt, un-
gewöhnliche Ausdrücke zu suchen, und als ich
vor zwey Jahren, in einer kleinen Schrift von
der Sinnlichkeit thierischer Körper,
mich des
Wortes Gefühl, aus gleicher Nothwendigkeit,

in

Vorrede.
wuͤnſchte, daß er wuͤßte, was ich dabey denke.
Warum ſoll nicht ein Jeder die Freyheit haben,
einen Andern, ſo wie es ihm beliebt, zu beurthei-
len, wenn er ihn dazu merkwuͤrdig genug fin-
det; und warum ſoll der Andre verbunden ſeyn
das zu beantworten, wenn es ihm nicht wich-
tig genug ſcheint, das Publicum mit ſeiner Recht-
fertigung zu unterhalten? Gar ſelten haben die
Wiſſenſchaften von Streitſchriften einen erhebli-
chen Nutzen. Bey einer neuangelegten Wiſſen-
ſchaft aber, wovon nur der kurze Abriß der er-
ſten Gruͤnde, ohne alle Erlaͤuterung, ohne alle
Vortheile eines einnehmenden Vortrags, und
mit dem Nachtheile ungewoͤhnlicher Redensarten
und Ausdruͤcke, die anfaͤnglich immer Neben-
begriffe bey ſich fuͤhren, welche den Leſer vom
Sinne des Verfaſſers ableiten, im Publico er-
ſcheint, koͤnnen Erlaͤuterungen noͤthig ſeyn, die
man nicht zuruͤckhalten duͤrfte, ohne der Aufnah-
me der Wiſſenſchaft ſelbſt zu ſchaden.

Wegen eben dieſer ungewoͤhnlichen Redens-
arten und Ausdruͤcke muß ich die Leſer noch be-
ſonders um Vergebung bitten. Man wird fin-
den, daß ſie unentbehrlich waren, wenn man
Unterſchiede in den Begriffen feſtſetzen wollte,
ohne welche es ganz unmoͤglich geweſen waͤre, der
Phyſiologie der thieriſchen Natur auch nur die-
ſen erſten Grad der Guͤte zu geben, den ſie
itzt hat. Jch bin ſonſt nicht dazu geneigt, un-
gewoͤhnliche Ausdruͤcke zu ſuchen, und als ich
vor zwey Jahren, in einer kleinen Schrift von
der Sinnlichkeit thieriſcher Koͤrper,
mich des
Wortes Gefuͤhl, aus gleicher Nothwendigkeit,

in
<TEI>
  <text>
    <front>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0020"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Vorrede.</hi></hi></fw><lb/>
wu&#x0364;n&#x017F;chte, daß er wu&#x0364;ßte, was ich dabey denke.<lb/>
Warum &#x017F;oll nicht ein Jeder die Freyheit haben,<lb/>
einen Andern, &#x017F;o wie es ihm beliebt, zu beurthei-<lb/>
len, wenn er ihn dazu merkwu&#x0364;rdig genug fin-<lb/>
det; und warum &#x017F;oll der Andre verbunden &#x017F;eyn<lb/>
das zu beantworten, wenn es ihm nicht wich-<lb/>
tig genug &#x017F;cheint, das Publicum mit &#x017F;einer Recht-<lb/>
fertigung zu unterhalten? Gar &#x017F;elten haben die<lb/>
Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaften von Streit&#x017F;chriften einen erhebli-<lb/>
chen Nutzen. Bey einer neuangelegten Wi&#x017F;&#x017F;en-<lb/>
&#x017F;chaft aber, wovon nur der kurze Abriß der er-<lb/>
&#x017F;ten Gru&#x0364;nde, ohne alle Erla&#x0364;uterung, ohne alle<lb/>
Vortheile eines einnehmenden Vortrags, und<lb/>
mit dem Nachtheile ungewo&#x0364;hnlicher Redensarten<lb/>
und Ausdru&#x0364;cke, die anfa&#x0364;nglich immer Neben-<lb/>
begriffe bey &#x017F;ich fu&#x0364;hren, welche den Le&#x017F;er vom<lb/>
Sinne des Verfa&#x017F;&#x017F;ers ableiten, im Publico er-<lb/>
&#x017F;cheint, ko&#x0364;nnen Erla&#x0364;uterungen no&#x0364;thig &#x017F;eyn, die<lb/>
man nicht zuru&#x0364;ckhalten du&#x0364;rfte, ohne der Aufnah-<lb/>
me der Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft &#x017F;elb&#x017F;t zu &#x017F;chaden.</p><lb/>
        <p>Wegen eben die&#x017F;er ungewo&#x0364;hnlichen Redens-<lb/>
arten und Ausdru&#x0364;cke muß ich die Le&#x017F;er noch be-<lb/>
&#x017F;onders um Vergebung bitten. Man wird fin-<lb/>
den, daß &#x017F;ie unentbehrlich waren, wenn man<lb/>
Unter&#x017F;chiede in den Begriffen fe&#x017F;t&#x017F;etzen wollte,<lb/>
ohne welche es ganz unmo&#x0364;glich gewe&#x017F;en wa&#x0364;re, der<lb/>
Phy&#x017F;iologie der thieri&#x017F;chen Natur auch nur die-<lb/>
&#x017F;en er&#x017F;ten Grad der Gu&#x0364;te zu geben, den &#x017F;ie<lb/>
itzt hat. Jch bin &#x017F;on&#x017F;t nicht dazu geneigt, un-<lb/>
gewo&#x0364;hnliche Ausdru&#x0364;cke zu &#x017F;uchen, und als ich<lb/>
vor zwey Jahren, in einer kleinen Schrift <hi rendition="#fr">von<lb/>
der Sinnlichkeit thieri&#x017F;cher Ko&#x0364;rper,</hi> mich des<lb/>
Wortes <hi rendition="#fr">Gefu&#x0364;hl,</hi> aus gleicher Nothwendigkeit,<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">in</fw><lb/></p>
      </div>
    </front>
  </text>
</TEI>
[0020] Vorrede. wuͤnſchte, daß er wuͤßte, was ich dabey denke. Warum ſoll nicht ein Jeder die Freyheit haben, einen Andern, ſo wie es ihm beliebt, zu beurthei- len, wenn er ihn dazu merkwuͤrdig genug fin- det; und warum ſoll der Andre verbunden ſeyn das zu beantworten, wenn es ihm nicht wich- tig genug ſcheint, das Publicum mit ſeiner Recht- fertigung zu unterhalten? Gar ſelten haben die Wiſſenſchaften von Streitſchriften einen erhebli- chen Nutzen. Bey einer neuangelegten Wiſſen- ſchaft aber, wovon nur der kurze Abriß der er- ſten Gruͤnde, ohne alle Erlaͤuterung, ohne alle Vortheile eines einnehmenden Vortrags, und mit dem Nachtheile ungewoͤhnlicher Redensarten und Ausdruͤcke, die anfaͤnglich immer Neben- begriffe bey ſich fuͤhren, welche den Leſer vom Sinne des Verfaſſers ableiten, im Publico er- ſcheint, koͤnnen Erlaͤuterungen noͤthig ſeyn, die man nicht zuruͤckhalten duͤrfte, ohne der Aufnah- me der Wiſſenſchaft ſelbſt zu ſchaden. Wegen eben dieſer ungewoͤhnlichen Redens- arten und Ausdruͤcke muß ich die Leſer noch be- ſonders um Vergebung bitten. Man wird fin- den, daß ſie unentbehrlich waren, wenn man Unterſchiede in den Begriffen feſtſetzen wollte, ohne welche es ganz unmoͤglich geweſen waͤre, der Phyſiologie der thieriſchen Natur auch nur die- ſen erſten Grad der Guͤte zu geben, den ſie itzt hat. Jch bin ſonſt nicht dazu geneigt, un- gewoͤhnliche Ausdruͤcke zu ſuchen, und als ich vor zwey Jahren, in einer kleinen Schrift von der Sinnlichkeit thieriſcher Koͤrper, mich des Wortes Gefuͤhl, aus gleicher Nothwendigkeit, in

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_erstegruende_1771
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_erstegruende_1771/20
Zitationshilfe: Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_erstegruende_1771/20>, abgerufen am 24.11.2024.