Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771.

Bild:
<< vorherige Seite

Wirk. d. mat. Jd. durch die Nerv. in den Mechan.
"unglaubliche Geschwindigkeit, mit welcher der Einfluß
"des Nervensafts auf den Befehl des Willens befördert
"wird. Woher aber diese Geschwindigkeit entstehe, ist un-
"bekannt; genug ists, daß wir wissen, daß durch ein im-
"merwährendes Gesetz auf einen gegebenen Willen eine ge-
"gebene Geschwindigkeit in dem Nervensafte hervorgebracht
"wird." H. P. §. 412. Daß nicht etwa durch die den
Nerven beygebrachten Schwingungen, die sich den Mus-
kelfasern mittheileten, die thierischen Bewegungen der letz-
tern mechanischer Weise bewerkstelliget werden, ist aus al-
len Erscheinungen zu ersehen. "Wenn ein gereizter Ner-
"ve, nach Art einer elastischen Saite, die zittert, wenn sie
"berühret wird, erschüttert werden soll, so muß er aus har-
"ten, an beyden Enden an feste Körper angebundenen und
"gespannten Fasern bestehen; indem eine Saite, die weich,
"oder nicht gespannt, oder nicht befestiget ist, keine Schwün-
"ge bewirken kann. Allein alle Nerven sind in ihrem Ur-
"sprunge markigt, äußerst weich, und ohne die geringste
"Spannung. Da, wo sie durch genugsam gesicherte Ca-
"näle gehen, bleiben sie weich und von Häuten ent-
"blößt; -- verschiedene bleiben durch die ganze Länge ih-
"res Laufs weich, wie der Nerve des Gehörs, von dem
"doch am ersten, wegen der Natur des Schalls, eine zit-
"ternde Bewegung zu vermuthen wäre. Andre Nerven,
"ob sie schon hart sind, werden doch in den Eingeweiden,
"den Muskeln etc. wieder weich, ehe sie anfangen ihre Wir-
"kung zu äußern. Folglich können die Nervenfasern, da
"sie weder in dem Anfange noch in dem Ende gespannet
"sind, keine elastischen Schwünge vollbringen. -- Daß
"endlich die Nerven aller Federkraft beraubet seyn, bewei-
"set der Versuch, indem ein zerschnittener Nerve nicht kür-
"zer wird, noch die abgeschnittenen Enden sich gegen die
"festen Theile zurückziehen, und vielmehr der Nerve wegen
"seiner Schlappigkeit etwas länger wird, und das Mark
"in eine Erhöhung herausdrücket. Auch das weiche Mark
"des Gehirns erzeuget, wie die Nerven, alle Zufälle des

"Schmer-

Wirk. d. mat. Jd. durch die Nerv. in den Mechan.
„unglaubliche Geſchwindigkeit, mit welcher der Einfluß
„des Nervenſafts auf den Befehl des Willens befoͤrdert
„wird. Woher aber dieſe Geſchwindigkeit entſtehe, iſt un-
„bekannt; genug iſts, daß wir wiſſen, daß durch ein im-
„merwaͤhrendes Geſetz auf einen gegebenen Willen eine ge-
„gebene Geſchwindigkeit in dem Nervenſafte hervorgebracht
„wird.“ H. P. §. 412. Daß nicht etwa durch die den
Nerven beygebrachten Schwingungen, die ſich den Mus-
kelfaſern mittheileten, die thieriſchen Bewegungen der letz-
tern mechaniſcher Weiſe bewerkſtelliget werden, iſt aus al-
len Erſcheinungen zu erſehen. „Wenn ein gereizter Ner-
„ve, nach Art einer elaſtiſchen Saite, die zittert, wenn ſie
„beruͤhret wird, erſchuͤttert werden ſoll, ſo muß er aus har-
„ten, an beyden Enden an feſte Koͤrper angebundenen und
„geſpannten Faſern beſtehen; indem eine Saite, die weich,
„oder nicht geſpannt, oder nicht befeſtiget iſt, keine Schwuͤn-
„ge bewirken kann. Allein alle Nerven ſind in ihrem Ur-
„ſprunge markigt, aͤußerſt weich, und ohne die geringſte
„Spannung. Da, wo ſie durch genugſam geſicherte Ca-
„naͤle gehen, bleiben ſie weich und von Haͤuten ent-
„bloͤßt; — verſchiedene bleiben durch die ganze Laͤnge ih-
„res Laufs weich, wie der Nerve des Gehoͤrs, von dem
„doch am erſten, wegen der Natur des Schalls, eine zit-
„ternde Bewegung zu vermuthen waͤre. Andre Nerven,
„ob ſie ſchon hart ſind, werden doch in den Eingeweiden,
„den Muskeln ꝛc. wieder weich, ehe ſie anfangen ihre Wir-
„kung zu aͤußern. Folglich koͤnnen die Nervenfaſern, da
„ſie weder in dem Anfange noch in dem Ende geſpannet
„ſind, keine elaſtiſchen Schwuͤnge vollbringen. — Daß
„endlich die Nerven aller Federkraft beraubet ſeyn, bewei-
„ſet der Verſuch, indem ein zerſchnittener Nerve nicht kuͤr-
„zer wird, noch die abgeſchnittenen Enden ſich gegen die
„feſten Theile zuruͤckziehen, und vielmehr der Nerve wegen
„ſeiner Schlappigkeit etwas laͤnger wird, und das Mark
„in eine Erhoͤhung herausdruͤcket. Auch das weiche Mark
„des Gehirns erzeuget, wie die Nerven, alle Zufaͤlle des

„Schmer-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0181" n="157"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Wirk. d. mat. Jd. durch die Nerv. in den Mechan.</hi></fw><lb/>
&#x201E;unglaubliche Ge&#x017F;chwindigkeit, mit welcher der Einfluß<lb/>
&#x201E;des Nerven&#x017F;afts auf den Befehl des Willens befo&#x0364;rdert<lb/>
&#x201E;wird. Woher aber die&#x017F;e Ge&#x017F;chwindigkeit ent&#x017F;tehe, i&#x017F;t un-<lb/>
&#x201E;bekannt; genug i&#x017F;ts, daß wir wi&#x017F;&#x017F;en, daß durch ein im-<lb/>
&#x201E;merwa&#x0364;hrendes Ge&#x017F;etz auf einen gegebenen Willen eine ge-<lb/>
&#x201E;gebene Ge&#x017F;chwindigkeit in dem Nerven&#x017F;afte hervorgebracht<lb/>
&#x201E;wird.&#x201C; <hi rendition="#aq">H. P.</hi> §. 412. Daß nicht etwa durch die den<lb/>
Nerven beygebrachten Schwingungen, die &#x017F;ich den Mus-<lb/>
kelfa&#x017F;ern mittheileten, die thieri&#x017F;chen Bewegungen der letz-<lb/>
tern mechani&#x017F;cher Wei&#x017F;e bewerk&#x017F;telliget werden, i&#x017F;t aus al-<lb/>
len Er&#x017F;cheinungen zu er&#x017F;ehen. &#x201E;Wenn ein gereizter Ner-<lb/>
&#x201E;ve, nach Art einer ela&#x017F;ti&#x017F;chen Saite, die zittert, wenn &#x017F;ie<lb/>
&#x201E;beru&#x0364;hret wird, er&#x017F;chu&#x0364;ttert werden &#x017F;oll, &#x017F;o muß er aus har-<lb/>
&#x201E;ten, an beyden Enden an fe&#x017F;te Ko&#x0364;rper angebundenen und<lb/>
&#x201E;ge&#x017F;pannten Fa&#x017F;ern be&#x017F;tehen; indem eine Saite, die weich,<lb/>
&#x201E;oder nicht ge&#x017F;pannt, oder nicht befe&#x017F;tiget i&#x017F;t, keine Schwu&#x0364;n-<lb/>
&#x201E;ge bewirken kann. Allein alle Nerven &#x017F;ind in ihrem Ur-<lb/>
&#x201E;&#x017F;prunge markigt, a&#x0364;ußer&#x017F;t weich, und ohne die gering&#x017F;te<lb/>
&#x201E;Spannung. Da, wo &#x017F;ie durch genug&#x017F;am ge&#x017F;icherte Ca-<lb/>
&#x201E;na&#x0364;le gehen, bleiben &#x017F;ie weich und von Ha&#x0364;uten ent-<lb/>
&#x201E;blo&#x0364;ßt; &#x2014; ver&#x017F;chiedene bleiben durch die ganze La&#x0364;nge ih-<lb/>
&#x201E;res Laufs weich, wie der Nerve des Geho&#x0364;rs, von dem<lb/>
&#x201E;doch am er&#x017F;ten, wegen der Natur des Schalls, eine zit-<lb/>
&#x201E;ternde Bewegung zu vermuthen wa&#x0364;re. Andre Nerven,<lb/>
&#x201E;ob &#x017F;ie &#x017F;chon hart &#x017F;ind, werden doch in den Eingeweiden,<lb/>
&#x201E;den Muskeln &#xA75B;c. wieder weich, ehe &#x017F;ie anfangen ihre Wir-<lb/>
&#x201E;kung zu a&#x0364;ußern. Folglich ko&#x0364;nnen die Nervenfa&#x017F;ern, da<lb/>
&#x201E;&#x017F;ie weder in dem Anfange noch in dem Ende ge&#x017F;pannet<lb/>
&#x201E;&#x017F;ind, keine ela&#x017F;ti&#x017F;chen Schwu&#x0364;nge vollbringen. &#x2014; Daß<lb/>
&#x201E;endlich die Nerven aller Federkraft beraubet &#x017F;eyn, bewei-<lb/>
&#x201E;&#x017F;et der Ver&#x017F;uch, indem ein zer&#x017F;chnittener Nerve nicht ku&#x0364;r-<lb/>
&#x201E;zer wird, noch die abge&#x017F;chnittenen Enden &#x017F;ich gegen die<lb/>
&#x201E;fe&#x017F;ten Theile zuru&#x0364;ckziehen, und vielmehr der Nerve wegen<lb/>
&#x201E;&#x017F;einer Schlappigkeit etwas la&#x0364;nger wird, und das Mark<lb/>
&#x201E;in eine Erho&#x0364;hung herausdru&#x0364;cket. Auch das weiche Mark<lb/>
&#x201E;des Gehirns erzeuget, wie die Nerven, alle Zufa&#x0364;lle des<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x201E;Schmer-</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[157/0181] Wirk. d. mat. Jd. durch die Nerv. in den Mechan. „unglaubliche Geſchwindigkeit, mit welcher der Einfluß „des Nervenſafts auf den Befehl des Willens befoͤrdert „wird. Woher aber dieſe Geſchwindigkeit entſtehe, iſt un- „bekannt; genug iſts, daß wir wiſſen, daß durch ein im- „merwaͤhrendes Geſetz auf einen gegebenen Willen eine ge- „gebene Geſchwindigkeit in dem Nervenſafte hervorgebracht „wird.“ H. P. §. 412. Daß nicht etwa durch die den Nerven beygebrachten Schwingungen, die ſich den Mus- kelfaſern mittheileten, die thieriſchen Bewegungen der letz- tern mechaniſcher Weiſe bewerkſtelliget werden, iſt aus al- len Erſcheinungen zu erſehen. „Wenn ein gereizter Ner- „ve, nach Art einer elaſtiſchen Saite, die zittert, wenn ſie „beruͤhret wird, erſchuͤttert werden ſoll, ſo muß er aus har- „ten, an beyden Enden an feſte Koͤrper angebundenen und „geſpannten Faſern beſtehen; indem eine Saite, die weich, „oder nicht geſpannt, oder nicht befeſtiget iſt, keine Schwuͤn- „ge bewirken kann. Allein alle Nerven ſind in ihrem Ur- „ſprunge markigt, aͤußerſt weich, und ohne die geringſte „Spannung. Da, wo ſie durch genugſam geſicherte Ca- „naͤle gehen, bleiben ſie weich und von Haͤuten ent- „bloͤßt; — verſchiedene bleiben durch die ganze Laͤnge ih- „res Laufs weich, wie der Nerve des Gehoͤrs, von dem „doch am erſten, wegen der Natur des Schalls, eine zit- „ternde Bewegung zu vermuthen waͤre. Andre Nerven, „ob ſie ſchon hart ſind, werden doch in den Eingeweiden, „den Muskeln ꝛc. wieder weich, ehe ſie anfangen ihre Wir- „kung zu aͤußern. Folglich koͤnnen die Nervenfaſern, da „ſie weder in dem Anfange noch in dem Ende geſpannet „ſind, keine elaſtiſchen Schwuͤnge vollbringen. — Daß „endlich die Nerven aller Federkraft beraubet ſeyn, bewei- „ſet der Verſuch, indem ein zerſchnittener Nerve nicht kuͤr- „zer wird, noch die abgeſchnittenen Enden ſich gegen die „feſten Theile zuruͤckziehen, und vielmehr der Nerve wegen „ſeiner Schlappigkeit etwas laͤnger wird, und das Mark „in eine Erhoͤhung herausdruͤcket. Auch das weiche Mark „des Gehirns erzeuget, wie die Nerven, alle Zufaͤlle des „Schmer-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_erstegruende_1771
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_erstegruende_1771/181
Zitationshilfe: Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771, S. 157. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_erstegruende_1771/181>, abgerufen am 23.11.2024.