man diese im ersten Falle aus den äußern sinnlichen Ein- drücken der sinnlichen Reizungen, nach den Gesetzen ihrer Wirkung in die thierischen Seelenkräfte des Gehirns al- lein, im letzten Falle aber nicht anders als zugleich aus den eigenmächtigen Zwischenwirkungen der Vorstellungskraft erklären und herleiten können. Die erstern sinnlichen Be- gierden und Verabscheuungen also, die sich fast völlig wie äußere Empfindungen entwickeln, könnte man ganz sinn- liche, die letztern aber, die sich mehr wie die Vorstellungen des Verstandes entwickeln, eigenmächtigere, physiolo- gisch freyere, nennen. §. 27. Jn den letztern kann die Seele, die durch die sinnlichen Reizungen veranlaßten zur Entwickelung der sinnlichen Begierden oder Verabscheuun- gen erfoderlichen Zwischenvorstellungen unmöglich eigen- mächtig hinzuthun, ohne jene innerlich zu empfinden, das ist, ohne sich ihrer bewußt zu seyn. §. 80. Jn den ersten hingegen können die äußern sinnlichen Eindrücke der sinnli- chen Reizungen die materiellen Jdeen und Eindrücke zu diesen Zwischenvorstellungen und Anstrengungen im Gehir- ne mehr oder weniger entwickeln und ausbilden, und doch die stärksten sinnlichen Begierden oder Verabscheuungen erregen, weil sie hier zunächst von der Stärke des äußern sinnlichen Eindrucks allein gewirket werden, mithin erfol- gen könnten, wenn sich auch die Seele dieser Zwischenvor- stellungen und Eindrücke gar nicht bewußt würde.
Anmerkung. Es ist nicht möglich, dieser Sache hier schon einen höhern Grad der Deutlichkeit zu geben, weil man überhaupt erst mit der Natur der sinnlichen Be- gierden und Verabscheuungen und ihren Wirkungen in die thierische Oekonomie durch die nächstfolgenden Lehren be- kannter werden muß, um sie in ihrem ganzen Umfange ein- zusehen. Weiter unten aber, wenn alle Gründe erkläret seyn werden, wird sie sich im stärkern Lichte zeigen. S. §. 564 -- 579.
Triebe,
I Th. Thier. Seelenkr. 2 Kap. An ſich betr.
man dieſe im erſten Falle aus den aͤußern ſinnlichen Ein- druͤcken der ſinnlichen Reizungen, nach den Geſetzen ihrer Wirkung in die thieriſchen Seelenkraͤfte des Gehirns al- lein, im letzten Falle aber nicht anders als zugleich aus den eigenmaͤchtigen Zwiſchenwirkungen der Vorſtellungskraft erklaͤren und herleiten koͤnnen. Die erſtern ſinnlichen Be- gierden und Verabſcheuungen alſo, die ſich faſt voͤllig wie aͤußere Empfindungen entwickeln, koͤnnte man ganz ſinn- liche, die letztern aber, die ſich mehr wie die Vorſtellungen des Verſtandes entwickeln, eigenmaͤchtigere, phyſiolo- giſch freyere, nennen. §. 27. Jn den letztern kann die Seele, die durch die ſinnlichen Reizungen veranlaßten zur Entwickelung der ſinnlichen Begierden oder Verabſcheuun- gen erfoderlichen Zwiſchenvorſtellungen unmoͤglich eigen- maͤchtig hinzuthun, ohne jene innerlich zu empfinden, das iſt, ohne ſich ihrer bewußt zu ſeyn. §. 80. Jn den erſten hingegen koͤnnen die aͤußern ſinnlichen Eindruͤcke der ſinnli- chen Reizungen die materiellen Jdeen und Eindruͤcke zu dieſen Zwiſchenvorſtellungen und Anſtrengungen im Gehir- ne mehr oder weniger entwickeln und ausbilden, und doch die ſtaͤrkſten ſinnlichen Begierden oder Verabſcheuungen erregen, weil ſie hier zunaͤchſt von der Staͤrke des aͤußern ſinnlichen Eindrucks allein gewirket werden, mithin erfol- gen koͤnnten, wenn ſich auch die Seele dieſer Zwiſchenvor- ſtellungen und Eindruͤcke gar nicht bewußt wuͤrde.
Anmerkung. Es iſt nicht moͤglich, dieſer Sache hier ſchon einen hoͤhern Grad der Deutlichkeit zu geben, weil man uͤberhaupt erſt mit der Natur der ſinnlichen Be- gierden und Verabſcheuungen und ihren Wirkungen in die thieriſche Oekonomie durch die naͤchſtfolgenden Lehren be- kannter werden muß, um ſie in ihrem ganzen Umfange ein- zuſehen. Weiter unten aber, wenn alle Gruͤnde erklaͤret ſeyn werden, wird ſie ſich im ſtaͤrkern Lichte zeigen. S. §. 564 — 579.
Triebe,
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I Th. Thier. Seelenkr. 2 Kap. An ſich betr.
man dieſe im erſten Falle aus den aͤußern ſinnlichen Ein-
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Wirkung in die thieriſchen Seelenkraͤfte des Gehirns al-
lein, im letzten Falle aber nicht anders als zugleich aus den
eigenmaͤchtigen Zwiſchenwirkungen der Vorſtellungskraft
erklaͤren und herleiten koͤnnen. Die erſtern ſinnlichen Be-
gierden und Verabſcheuungen alſo, die ſich faſt voͤllig wie
aͤußere Empfindungen entwickeln, koͤnnte man ganz ſinn-
liche, die letztern aber, die ſich mehr wie die Vorſtellungen
des Verſtandes entwickeln, eigenmaͤchtigere, phyſiolo-
giſch freyere, nennen. §. 27. Jn den letztern kann die
Seele, die durch die ſinnlichen Reizungen veranlaßten zur
Entwickelung der ſinnlichen Begierden oder Verabſcheuun-
gen erfoderlichen Zwiſchenvorſtellungen unmoͤglich eigen-
maͤchtig hinzuthun, ohne jene innerlich zu empfinden, das
iſt, ohne ſich ihrer bewußt zu ſeyn. §. 80. Jn den erſten
hingegen koͤnnen die aͤußern ſinnlichen Eindruͤcke der ſinnli-
chen Reizungen die materiellen Jdeen und Eindruͤcke zu
dieſen Zwiſchenvorſtellungen und Anſtrengungen im Gehir-
ne mehr oder weniger entwickeln und ausbilden, und doch
die ſtaͤrkſten ſinnlichen Begierden oder Verabſcheuungen
erregen, weil ſie hier zunaͤchſt von der Staͤrke des aͤußern
ſinnlichen Eindrucks allein gewirket werden, mithin erfol-
gen koͤnnten, wenn ſich auch die Seele dieſer Zwiſchenvor-
ſtellungen und Eindruͤcke gar nicht bewußt wuͤrde.
Anmerkung. Es iſt nicht moͤglich, dieſer Sache
hier ſchon einen hoͤhern Grad der Deutlichkeit zu geben,
weil man uͤberhaupt erſt mit der Natur der ſinnlichen Be-
gierden und Verabſcheuungen und ihren Wirkungen in die
thieriſche Oekonomie durch die naͤchſtfolgenden Lehren be-
kannter werden muß, um ſie in ihrem ganzen Umfange ein-
zuſehen. Weiter unten aber, wenn alle Gruͤnde erklaͤret
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Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_erstegruende_1771/120>, abgerufen am 24.07.2024.
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