Ungern-Sternberg, Alexander von: Scholastika. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 20. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–102. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.in die Nacht hin. Als ich aus einem leichten Schlummer erwachte, flogen eben die purpurnen Thore der Morgenröthe auf und ein Gewimmel von weißbekleideten Engeln stürzte sich aus der Pforte hervor; Posaunenklang und süßes Singen wurde durch die Weite des Himmels gehört. Da kam aus der Lichtfülle hervorbrechend, wie eine Blume aus der Knospe, eine Heilige aus der geöffneten Pforte hervor. Es war Anna, die Patronin dieses Hauses. Sie begrüßte mich mit so holdseligem Lächeln ihres Mundes, daß Thränen des Entzückens mein Antlitz sogleich stromweise überfluteten. Was sie sprach, ich vermag es nicht zu sagen. Wenn hienieden im kühlen Frühlingshaine Baumwipfel rauschen, wenn der Gesang der Vögel sich erhebt und zwischendurch eine ferne Glocke läutet, so war in Wohllaut und Frieden getaucht das Klingen, das über ihre Lippen ging. Der Spruch selbst war eine Ermahnung zum Hoffen und zum Gebet. Als sie durch den Himmel dahinschwand, sah ich ihr flatterndes Gewand, ihre kleinen silbernen Füße, die auf den Wellen der Luft dahintanzten, mit Schmerz und Wonne nah. Auf meinen Knieen liegend, mit weit vorgebeugtem Oberkörper, sog ich den Glanz ein, der von ihren rückschauenden Blicken ausging. Die Herrliche! sie sah sich nach mir um; zu viel Gnade, zu viel Güte! Es wurde mir nun angezeigt, daß ich zur Erde zurück solle. Zwei Engel nahmen mich, einer unter diesen, einer unter jenen Arm, und schnell wie der Blitz fuhren sie mit mir in die Tiefe in die Nacht hin. Als ich aus einem leichten Schlummer erwachte, flogen eben die purpurnen Thore der Morgenröthe auf und ein Gewimmel von weißbekleideten Engeln stürzte sich aus der Pforte hervor; Posaunenklang und süßes Singen wurde durch die Weite des Himmels gehört. Da kam aus der Lichtfülle hervorbrechend, wie eine Blume aus der Knospe, eine Heilige aus der geöffneten Pforte hervor. Es war Anna, die Patronin dieses Hauses. Sie begrüßte mich mit so holdseligem Lächeln ihres Mundes, daß Thränen des Entzückens mein Antlitz sogleich stromweise überfluteten. Was sie sprach, ich vermag es nicht zu sagen. Wenn hienieden im kühlen Frühlingshaine Baumwipfel rauschen, wenn der Gesang der Vögel sich erhebt und zwischendurch eine ferne Glocke läutet, so war in Wohllaut und Frieden getaucht das Klingen, das über ihre Lippen ging. Der Spruch selbst war eine Ermahnung zum Hoffen und zum Gebet. Als sie durch den Himmel dahinschwand, sah ich ihr flatterndes Gewand, ihre kleinen silbernen Füße, die auf den Wellen der Luft dahintanzten, mit Schmerz und Wonne nah. Auf meinen Knieen liegend, mit weit vorgebeugtem Oberkörper, sog ich den Glanz ein, der von ihren rückschauenden Blicken ausging. Die Herrliche! sie sah sich nach mir um; zu viel Gnade, zu viel Güte! Es wurde mir nun angezeigt, daß ich zur Erde zurück solle. Zwei Engel nahmen mich, einer unter diesen, einer unter jenen Arm, und schnell wie der Blitz fuhren sie mit mir in die Tiefe <TEI> <text> <body> <div n="2"> <p><pb facs="#f0075"/> in die Nacht hin. Als ich aus einem leichten Schlummer erwachte, flogen eben die purpurnen Thore der Morgenröthe auf und ein Gewimmel von weißbekleideten Engeln stürzte sich aus der Pforte hervor; Posaunenklang und süßes Singen wurde durch die Weite des Himmels gehört. Da kam aus der Lichtfülle hervorbrechend, wie eine Blume aus der Knospe, eine Heilige aus der geöffneten Pforte hervor. Es war Anna, die Patronin dieses Hauses. Sie begrüßte mich mit so holdseligem Lächeln ihres Mundes, daß Thränen des Entzückens mein Antlitz sogleich stromweise überfluteten. Was sie sprach, ich vermag es nicht zu sagen. Wenn hienieden im kühlen Frühlingshaine Baumwipfel rauschen, wenn der Gesang der Vögel sich erhebt und zwischendurch eine ferne Glocke läutet, so war in Wohllaut und Frieden getaucht das Klingen, das über ihre Lippen ging. Der Spruch selbst war eine Ermahnung zum Hoffen und zum Gebet. Als sie durch den Himmel dahinschwand, sah ich ihr flatterndes Gewand, ihre kleinen silbernen Füße, die auf den Wellen der Luft dahintanzten, mit Schmerz und Wonne nah. Auf meinen Knieen liegend, mit weit vorgebeugtem Oberkörper, sog ich den Glanz ein, der von ihren rückschauenden Blicken ausging. Die Herrliche! sie sah sich nach mir um; zu viel Gnade, zu viel Güte! Es wurde mir nun angezeigt, daß ich zur Erde zurück solle. Zwei Engel nahmen mich, einer unter diesen, einer unter jenen Arm, und schnell wie der Blitz fuhren sie mit mir in die Tiefe<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0075]
in die Nacht hin. Als ich aus einem leichten Schlummer erwachte, flogen eben die purpurnen Thore der Morgenröthe auf und ein Gewimmel von weißbekleideten Engeln stürzte sich aus der Pforte hervor; Posaunenklang und süßes Singen wurde durch die Weite des Himmels gehört. Da kam aus der Lichtfülle hervorbrechend, wie eine Blume aus der Knospe, eine Heilige aus der geöffneten Pforte hervor. Es war Anna, die Patronin dieses Hauses. Sie begrüßte mich mit so holdseligem Lächeln ihres Mundes, daß Thränen des Entzückens mein Antlitz sogleich stromweise überfluteten. Was sie sprach, ich vermag es nicht zu sagen. Wenn hienieden im kühlen Frühlingshaine Baumwipfel rauschen, wenn der Gesang der Vögel sich erhebt und zwischendurch eine ferne Glocke läutet, so war in Wohllaut und Frieden getaucht das Klingen, das über ihre Lippen ging. Der Spruch selbst war eine Ermahnung zum Hoffen und zum Gebet. Als sie durch den Himmel dahinschwand, sah ich ihr flatterndes Gewand, ihre kleinen silbernen Füße, die auf den Wellen der Luft dahintanzten, mit Schmerz und Wonne nah. Auf meinen Knieen liegend, mit weit vorgebeugtem Oberkörper, sog ich den Glanz ein, der von ihren rückschauenden Blicken ausging. Die Herrliche! sie sah sich nach mir um; zu viel Gnade, zu viel Güte! Es wurde mir nun angezeigt, daß ich zur Erde zurück solle. Zwei Engel nahmen mich, einer unter diesen, einer unter jenen Arm, und schnell wie der Blitz fuhren sie mit mir in die Tiefe
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Zitationshilfe: | Ungern-Sternberg, Alexander von: Scholastika. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 20. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–102. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ungern_scholastika_1910/75>, abgerufen am 27.07.2024. |