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Ungern-Sternberg, Alexander von: Scholastika. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 20. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–102. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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tollen Tag, und da ist er nirgends zu finden; er treibt sich im Walde oder am See herum. Schon heute ganz in der Frühe sah ich ihn mit der Branntweinflasche unterm Arm ausziehen. -- Ist denn ihr Geburts- oder Namensfest heute? fragte Marfa. -- Nicht doch, tönte die Antwort, es ist ihr toller Tag; sie hat im Jahre deren mehre. Alsdann sagt sie sich von aller Arbeit los, schwärmt in der Wildniß herum und begeht auf ihre eigne Hand allerlei Thorheiten. Wenn man sie an diesem Tage mit Gewalt zurückhält und nicht austoben läßt, so taugt sie fürs ganze Jahr nichts, ist müßig, träg, ungehorsam, tückisch und verstockt. Es ist, als wenn sie bestimmten Rechnungsabschluß mit der Narrheit und der Tobsucht hielte und ihre Schuld dem Dämon bezahlte, damit er sie dafür die übrige Zeit unangetastet lasse.

Dieses Geplauder der beiden jungen Kostgängerinnen wurde unterbrochen durch einen langgezogenen heftigen Schrei, der sich auf der obern Galerie, die die Halle umlief, hören ließ. Eine Nonne trat hervor und rief: Betet für die Schwester Rebecca; sie liegt im Verscheiden! Ziehet die Glocke, damit eilig Seelenmessen gehalten werden!

Dieser Ruf schreckte Scholastika aus ihren Träumereien empor. Sie flog rasch die Treppe hinauf und war in wenigen Minuten vor der Zelle der Kranken und hörte mit Entsetzen die Angstrufe und das Wimmern der Leidenden drinnen. Wie sie eintrat, verließen die

tollen Tag, und da ist er nirgends zu finden; er treibt sich im Walde oder am See herum. Schon heute ganz in der Frühe sah ich ihn mit der Branntweinflasche unterm Arm ausziehen. — Ist denn ihr Geburts- oder Namensfest heute? fragte Marfa. — Nicht doch, tönte die Antwort, es ist ihr toller Tag; sie hat im Jahre deren mehre. Alsdann sagt sie sich von aller Arbeit los, schwärmt in der Wildniß herum und begeht auf ihre eigne Hand allerlei Thorheiten. Wenn man sie an diesem Tage mit Gewalt zurückhält und nicht austoben läßt, so taugt sie fürs ganze Jahr nichts, ist müßig, träg, ungehorsam, tückisch und verstockt. Es ist, als wenn sie bestimmten Rechnungsabschluß mit der Narrheit und der Tobsucht hielte und ihre Schuld dem Dämon bezahlte, damit er sie dafür die übrige Zeit unangetastet lasse.

Dieses Geplauder der beiden jungen Kostgängerinnen wurde unterbrochen durch einen langgezogenen heftigen Schrei, der sich auf der obern Galerie, die die Halle umlief, hören ließ. Eine Nonne trat hervor und rief: Betet für die Schwester Rebecca; sie liegt im Verscheiden! Ziehet die Glocke, damit eilig Seelenmessen gehalten werden!

Dieser Ruf schreckte Scholastika aus ihren Träumereien empor. Sie flog rasch die Treppe hinauf und war in wenigen Minuten vor der Zelle der Kranken und hörte mit Entsetzen die Angstrufe und das Wimmern der Leidenden drinnen. Wie sie eintrat, verließen die

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T12:43:38Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T12:43:38Z)

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Zitationshilfe: Ungern-Sternberg, Alexander von: Scholastika. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 20. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–102. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ungern_scholastika_1910/69>, abgerufen am 28.11.2024.