Ungern-Sternberg, Alexander von: Scholastika. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 20. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–102. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.du wohl Lust, Schola, sie einmal in Augenschein zu nehmen? Diese Frage, so unschuldig sie gemeint war und so unbefangen sie gestellt wurde, machte dennoch einen erschütternden Eindruck auf Die, an welche sie gerichtet war. Sie vermied es, darauf zu antworten, und Marfa rief: Hast du nichts von unserm Bojaren gehört? -- Unserm? entgegnete Feodora beleidgt; du ververgißt, daß ich nichts mit dem Bojaren gemein habe, daß du diesen ganz allein behalten kannst. Frage mich, ob ich von dem Zaren gehört habe, dann will ich dir antworten. Aber ich habe ihn nicht mehr gesehen; er scheint verschwunden, dagegen hatte ich Gelegenheit, dem Malerburschen zufällig zu begegnen, der in der Galerie arbeitet, und solltest du glauben, Marfa, er sah meinem Zaren so ähnlich, wie ein Ei dem andern. -- Wenn du das fandest, warum befragtest du ihn da nicht um seinen Namen? rief Marfa lebhaft. -- Ich ihn befragen? entgegnete die Nonne entrüstet; würde sich dies geziemt haben? Die Tochter eines kaiserlichen Zahlmeisters im Gespräch mit einem Leibeignen! -- Ah, also dies dein Grund, Feodora. Was mich betrifft, ich spreche mit unserm Holzhacker, wenn ich ihn irgendwo erwische. Es ist gar zu betrübt, immerdar seine Einfälle und Redensarten für sich behalten zu müssen. Man erstickt an dem Witze, den man verschluckt. Horch, ist das nicht der Kosak, der sein Lied ertönen läßt? -- Du irrst, bemerkte Feodora. Der Kosak ist heute wenig aufgelegt, uns seine Gesellschaft zu gönnen. Heut hat er seinen du wohl Lust, Schola, sie einmal in Augenschein zu nehmen? Diese Frage, so unschuldig sie gemeint war und so unbefangen sie gestellt wurde, machte dennoch einen erschütternden Eindruck auf Die, an welche sie gerichtet war. Sie vermied es, darauf zu antworten, und Marfa rief: Hast du nichts von unserm Bojaren gehört? — Unserm? entgegnete Feodora beleidgt; du ververgißt, daß ich nichts mit dem Bojaren gemein habe, daß du diesen ganz allein behalten kannst. Frage mich, ob ich von dem Zaren gehört habe, dann will ich dir antworten. Aber ich habe ihn nicht mehr gesehen; er scheint verschwunden, dagegen hatte ich Gelegenheit, dem Malerburschen zufällig zu begegnen, der in der Galerie arbeitet, und solltest du glauben, Marfa, er sah meinem Zaren so ähnlich, wie ein Ei dem andern. — Wenn du das fandest, warum befragtest du ihn da nicht um seinen Namen? rief Marfa lebhaft. — Ich ihn befragen? entgegnete die Nonne entrüstet; würde sich dies geziemt haben? Die Tochter eines kaiserlichen Zahlmeisters im Gespräch mit einem Leibeignen! — Ah, also dies dein Grund, Feodora. Was mich betrifft, ich spreche mit unserm Holzhacker, wenn ich ihn irgendwo erwische. Es ist gar zu betrübt, immerdar seine Einfälle und Redensarten für sich behalten zu müssen. Man erstickt an dem Witze, den man verschluckt. Horch, ist das nicht der Kosak, der sein Lied ertönen läßt? — Du irrst, bemerkte Feodora. Der Kosak ist heute wenig aufgelegt, uns seine Gesellschaft zu gönnen. Heut hat er seinen <TEI> <text> <body> <div n="2"> <p><pb facs="#f0068"/> du wohl Lust, Schola, sie einmal in Augenschein zu nehmen? Diese Frage, so unschuldig sie gemeint war und so unbefangen sie gestellt wurde, machte dennoch einen erschütternden Eindruck auf Die, an welche sie gerichtet war. Sie vermied es, darauf zu antworten, und Marfa rief: Hast du nichts von unserm Bojaren gehört? — Unserm? entgegnete Feodora beleidgt; du ververgißt, daß ich nichts mit dem Bojaren gemein habe, daß du diesen ganz allein behalten kannst. Frage mich, ob ich von dem Zaren gehört habe, dann will ich dir antworten. Aber ich habe ihn nicht mehr gesehen; er scheint verschwunden, dagegen hatte ich Gelegenheit, dem Malerburschen zufällig zu begegnen, der in der Galerie arbeitet, und solltest du glauben, Marfa, er sah meinem Zaren so ähnlich, wie ein Ei dem andern. — Wenn du das fandest, warum befragtest du ihn da nicht um seinen Namen? rief Marfa lebhaft. — Ich ihn befragen? entgegnete die Nonne entrüstet; würde sich dies geziemt haben? Die Tochter eines kaiserlichen Zahlmeisters im Gespräch mit einem Leibeignen! — Ah, also dies dein Grund, Feodora. Was mich betrifft, ich spreche mit unserm Holzhacker, wenn ich ihn irgendwo erwische. Es ist gar zu betrübt, immerdar seine Einfälle und Redensarten für sich behalten zu müssen. Man erstickt an dem Witze, den man verschluckt. Horch, ist das nicht der Kosak, der sein Lied ertönen läßt? — Du irrst, bemerkte Feodora. Der Kosak ist heute wenig aufgelegt, uns seine Gesellschaft zu gönnen. Heut hat er seinen<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0068]
du wohl Lust, Schola, sie einmal in Augenschein zu nehmen? Diese Frage, so unschuldig sie gemeint war und so unbefangen sie gestellt wurde, machte dennoch einen erschütternden Eindruck auf Die, an welche sie gerichtet war. Sie vermied es, darauf zu antworten, und Marfa rief: Hast du nichts von unserm Bojaren gehört? — Unserm? entgegnete Feodora beleidgt; du ververgißt, daß ich nichts mit dem Bojaren gemein habe, daß du diesen ganz allein behalten kannst. Frage mich, ob ich von dem Zaren gehört habe, dann will ich dir antworten. Aber ich habe ihn nicht mehr gesehen; er scheint verschwunden, dagegen hatte ich Gelegenheit, dem Malerburschen zufällig zu begegnen, der in der Galerie arbeitet, und solltest du glauben, Marfa, er sah meinem Zaren so ähnlich, wie ein Ei dem andern. — Wenn du das fandest, warum befragtest du ihn da nicht um seinen Namen? rief Marfa lebhaft. — Ich ihn befragen? entgegnete die Nonne entrüstet; würde sich dies geziemt haben? Die Tochter eines kaiserlichen Zahlmeisters im Gespräch mit einem Leibeignen! — Ah, also dies dein Grund, Feodora. Was mich betrifft, ich spreche mit unserm Holzhacker, wenn ich ihn irgendwo erwische. Es ist gar zu betrübt, immerdar seine Einfälle und Redensarten für sich behalten zu müssen. Man erstickt an dem Witze, den man verschluckt. Horch, ist das nicht der Kosak, der sein Lied ertönen läßt? — Du irrst, bemerkte Feodora. Der Kosak ist heute wenig aufgelegt, uns seine Gesellschaft zu gönnen. Heut hat er seinen
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription.
(2017-03-16T12:43:38Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2017-03-16T12:43:38Z)
Weitere Informationen:Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |