Ungern-Sternberg, Alexander von: Scholastika. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 20. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–102. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.zählte sieben große und siebenzig kleine Perlen; die erstern von der Größe kleiner Haselnüsse, die letztern wie Erbsen groß, und noch dazu eine Anzahl sogenannter Staubperlen, die immer zu einer Gruppe von zehn bis dreißig vereinigt einen Edelstein von glänzender und schöner Farbe einschlossen und somit in den Ecken Rosen bildeten, die aus dem abwechselnd matt und glänzend gearbeiteten Goldfelde erblühten. Die Martyrkrone des Heiligen, die von zwei noch erkennbaren Engeln in rothen und fleischfarbenen Gewändern getragen wurde, bestand aus einem byzantinischen Diadem mit siebenzehn Eckzacken in Form von Kreuzen und jede in eine Spitze auslaufend, die ein Rubin vom schönsten Wasser zierte. Der Patriarch, als er auf diese Krone wies, machte die Bemerkung, daß drei dieser Steine ein Dorf von der Größe und Ausdehnung des Klostergebiets an Werth aufwögen, und daß man für die übrigen die Gerichtsbarkeit einer kleinen Stadt an sich kaufen könne. Als das Bild in Prozession ins Kloster gebracht wurde, ereignete sich das Wunder, daß eine weiße Taube, den Zug begleitend, mit in die Kirche drang und ihren Platz auf der ersten Altarstufe einnahm, wo sie neben dem dienstthuenden Priester und unbekümmert um die Geschäftigkeit, die um den Altar herum herrschte, ausharrte, bis die Feierlichkeit der Einsegnung vorüber war, und sie erhob sich, als der ambrosianische Lobgesang ertönte, um, auf den makellosen Fittichen daherschwebend und gleichsam getragen von den süßen, bläulichen Wölkchen des Weihrauchs, in raschem zählte sieben große und siebenzig kleine Perlen; die erstern von der Größe kleiner Haselnüsse, die letztern wie Erbsen groß, und noch dazu eine Anzahl sogenannter Staubperlen, die immer zu einer Gruppe von zehn bis dreißig vereinigt einen Edelstein von glänzender und schöner Farbe einschlossen und somit in den Ecken Rosen bildeten, die aus dem abwechselnd matt und glänzend gearbeiteten Goldfelde erblühten. Die Martyrkrone des Heiligen, die von zwei noch erkennbaren Engeln in rothen und fleischfarbenen Gewändern getragen wurde, bestand aus einem byzantinischen Diadem mit siebenzehn Eckzacken in Form von Kreuzen und jede in eine Spitze auslaufend, die ein Rubin vom schönsten Wasser zierte. Der Patriarch, als er auf diese Krone wies, machte die Bemerkung, daß drei dieser Steine ein Dorf von der Größe und Ausdehnung des Klostergebiets an Werth aufwögen, und daß man für die übrigen die Gerichtsbarkeit einer kleinen Stadt an sich kaufen könne. Als das Bild in Prozession ins Kloster gebracht wurde, ereignete sich das Wunder, daß eine weiße Taube, den Zug begleitend, mit in die Kirche drang und ihren Platz auf der ersten Altarstufe einnahm, wo sie neben dem dienstthuenden Priester und unbekümmert um die Geschäftigkeit, die um den Altar herum herrschte, ausharrte, bis die Feierlichkeit der Einsegnung vorüber war, und sie erhob sich, als der ambrosianische Lobgesang ertönte, um, auf den makellosen Fittichen daherschwebend und gleichsam getragen von den süßen, bläulichen Wölkchen des Weihrauchs, in raschem <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0010"/> zählte sieben große und siebenzig kleine Perlen; die erstern von der Größe kleiner Haselnüsse, die letztern wie Erbsen groß, und noch dazu eine Anzahl sogenannter Staubperlen, die immer zu einer Gruppe von zehn bis dreißig vereinigt einen Edelstein von glänzender und schöner Farbe einschlossen und somit in den Ecken Rosen bildeten, die aus dem abwechselnd matt und glänzend gearbeiteten Goldfelde erblühten. Die Martyrkrone des Heiligen, die von zwei noch erkennbaren Engeln in rothen und fleischfarbenen Gewändern getragen wurde, bestand aus einem byzantinischen Diadem mit siebenzehn Eckzacken in Form von Kreuzen und jede in eine Spitze auslaufend, die ein Rubin vom schönsten Wasser zierte. Der Patriarch, als er auf diese Krone wies, machte die Bemerkung, daß drei dieser Steine ein Dorf von der Größe und Ausdehnung des Klostergebiets an Werth aufwögen, und daß man für die übrigen die Gerichtsbarkeit einer kleinen Stadt an sich kaufen könne. Als das Bild in Prozession ins Kloster gebracht wurde, ereignete sich das Wunder, daß eine weiße Taube, den Zug begleitend, mit in die Kirche drang und ihren Platz auf der ersten Altarstufe einnahm, wo sie neben dem dienstthuenden Priester und unbekümmert um die Geschäftigkeit, die um den Altar herum herrschte, ausharrte, bis die Feierlichkeit der Einsegnung vorüber war, und sie erhob sich, als der ambrosianische Lobgesang ertönte, um, auf den makellosen Fittichen daherschwebend und gleichsam getragen von den süßen, bläulichen Wölkchen des Weihrauchs, in raschem<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0010]
zählte sieben große und siebenzig kleine Perlen; die erstern von der Größe kleiner Haselnüsse, die letztern wie Erbsen groß, und noch dazu eine Anzahl sogenannter Staubperlen, die immer zu einer Gruppe von zehn bis dreißig vereinigt einen Edelstein von glänzender und schöner Farbe einschlossen und somit in den Ecken Rosen bildeten, die aus dem abwechselnd matt und glänzend gearbeiteten Goldfelde erblühten. Die Martyrkrone des Heiligen, die von zwei noch erkennbaren Engeln in rothen und fleischfarbenen Gewändern getragen wurde, bestand aus einem byzantinischen Diadem mit siebenzehn Eckzacken in Form von Kreuzen und jede in eine Spitze auslaufend, die ein Rubin vom schönsten Wasser zierte. Der Patriarch, als er auf diese Krone wies, machte die Bemerkung, daß drei dieser Steine ein Dorf von der Größe und Ausdehnung des Klostergebiets an Werth aufwögen, und daß man für die übrigen die Gerichtsbarkeit einer kleinen Stadt an sich kaufen könne. Als das Bild in Prozession ins Kloster gebracht wurde, ereignete sich das Wunder, daß eine weiße Taube, den Zug begleitend, mit in die Kirche drang und ihren Platz auf der ersten Altarstufe einnahm, wo sie neben dem dienstthuenden Priester und unbekümmert um die Geschäftigkeit, die um den Altar herum herrschte, ausharrte, bis die Feierlichkeit der Einsegnung vorüber war, und sie erhob sich, als der ambrosianische Lobgesang ertönte, um, auf den makellosen Fittichen daherschwebend und gleichsam getragen von den süßen, bläulichen Wölkchen des Weihrauchs, in raschem
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Zitationshilfe: | Ungern-Sternberg, Alexander von: Scholastika. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 20. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–102. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ungern_scholastika_1910/10>, abgerufen am 23.07.2024. |