Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Uhse, Erdmann: Wohl-informirter Poët. 2. Aufl. Leipzig, 1719.

Bild:
<< vorherige Seite
von den Generibus der Verse.
5. Da der Anfang, Mittel und Ende einerley Wor-
te haben. z. e.
Alles ist nur Eitelkeit! Wer auf dieser Erden lebet,
Und jedweden Augenblick nur nach hohen Ehren strebet,
Dencket zwar, er sey beglücket: Doch wenn er sich recht be[i]
denckt,
Sieht er, daß er seine Sinnen, nur auf Eitelkeit gelenckt.
Alles ist nur Eitelkeit! Wer nach grossen Gütern siehet,
Und dieselben, wie er kan, mit Begierde zu sich ziehet,
Mey'nt, nun sey er recht gesegnet: Aber eh' er sich besinnt,
Mercket er, daß sein Vermögen als geschmoltzen Wachs zer-
rinnt.
Wer der Wollust Dienste thut, und die schönen Mädgen liebet,
Oder auch der Völlerey seine Seele gantz ergiebet,
Kützelt sich mit solchen Sachen: doch auch dieses frißt die
Zeit,
Und der Spruch wird gültig bleiben: Alles ist nur Ei-
telkeit!
22. Wie stehets endlich um die Nach-
Oden?

Die Nach-Oden werden sonst Parodien genennet,
und heissen deßwegen Nach-Oden, weil sie etwas
nachzumachen pflegen. Es geschiehet aber solches auf
vielerley Art, als:

I. Wenn etwas weltliches auf etwas geistliches appli-
ci
ret wird. z. e. Wenn ich folgende weltliche Ode,
an Melinden gerichtet, nehme:
1.
Jch rede nur mit Steinen
Dein stoltzes Ohre hört mich nicht,
Und deiner Augen feurig Licht
Will mir nur ewig grausam scheinen.
Kan
von den Generibus der Verſe.
5. Da der Anfang, Mittel und Ende einerley Wor-
te haben. z. e.
Alles iſt nur Eitelkeit! Wer auf dieſer Erden lebet,
Und jedweden Augenblick nur nach hohen Ehren ſtrebet,
Dencket zwar, er ſey begluͤcket: Doch wenn er ſich recht be[i]
denckt,
Sieht er, daß er ſeine Sinnen, nur auf Eitelkeit gelenckt.
Alles iſt nur Eitelkeit! Wer nach groſſen Guͤtern ſiehet,
Und dieſelben, wie er kan, mit Begierde zu ſich ziehet,
Mey’nt, nun ſey er recht geſegnet: Aber eh’ er ſich beſinnt,
Mercket er, daß ſein Vermoͤgen als geſchmoltzen Wachs zer-
rinnt.
Wer der Wolluſt Dienſte thut, und die ſchoͤnen Maͤdgen liebet,
Oder auch der Voͤllerey ſeine Seele gantz ergiebet,
Kuͤtzelt ſich mit ſolchen Sachen: doch auch dieſes frißt die
Zeit,
Und der Spruch wird guͤltig bleiben: Alles iſt nur Ei-
telkeit!
22. Wie ſtehets endlich um die Nach-
Oden?

Die Nach-Oden werden ſonſt Parodien genennet,
und heiſſen deßwegen Nach-Oden, weil ſie etwas
nachzumachen pflegen. Es geſchiehet aber ſolches auf
vielerley Art, als:

I. Wenn etwas weltliches auf etwas geiſtliches appli-
ci
ret wird. z. e. Wenn ich folgende weltliche Ode,
an Melinden gerichtet, nehme:
1.
Jch rede nur mit Steinen
Dein ſtoltzes Ohre hoͤrt mich nicht,
Und deiner Augen feurig Licht
Will mir nur ewig grauſam ſcheinen.
Kan
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0077" n="73"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">von den <hi rendition="#aq">Generibus</hi> der Ver&#x017F;e.</hi> </fw><lb/>
          <list>
            <item>5. Da der Anfang, Mittel und Ende einerley Wor-<lb/>
te haben. z. e.</item>
          </list><lb/>
          <lg type="poem">
            <l><hi rendition="#fr">Alles i&#x017F;t nur Eitelkeit!</hi> Wer auf die&#x017F;er Erden lebet,</l><lb/>
            <l>Und jedweden Augenblick nur nach hohen Ehren &#x017F;trebet,</l><lb/>
            <l>Dencket zwar, er &#x017F;ey beglu&#x0364;cket: Doch wenn er &#x017F;ich recht be<supplied>i</supplied></l><lb/>
            <l> <hi rendition="#et">denckt,</hi> </l><lb/>
            <l>Sieht er, daß er &#x017F;eine Sinnen, nur auf Eitelkeit gelenckt.</l><lb/>
            <l><hi rendition="#fr">Alles i&#x017F;t nur Eitelkeit!</hi> Wer nach gro&#x017F;&#x017F;en Gu&#x0364;tern &#x017F;iehet,</l><lb/>
            <l>Und die&#x017F;elben, wie er kan, mit Begierde zu &#x017F;ich ziehet,</l><lb/>
            <l>Mey&#x2019;nt, nun &#x017F;ey er recht ge&#x017F;egnet: Aber eh&#x2019; er &#x017F;ich be&#x017F;innt,</l><lb/>
            <l>Mercket er, daß &#x017F;ein Vermo&#x0364;gen als ge&#x017F;chmoltzen Wachs zer-</l><lb/>
            <l> <hi rendition="#et">rinnt.</hi> </l><lb/>
            <l>Wer der Wollu&#x017F;t Dien&#x017F;te thut, und die &#x017F;cho&#x0364;nen Ma&#x0364;dgen liebet,</l><lb/>
            <l>Oder auch der Vo&#x0364;llerey &#x017F;eine Seele gantz ergiebet,</l><lb/>
            <l>Ku&#x0364;tzelt &#x017F;ich mit &#x017F;olchen Sachen: doch auch die&#x017F;es frißt die</l><lb/>
            <l> <hi rendition="#et">Zeit,</hi> </l><lb/>
            <l>Und der Spruch wird gu&#x0364;ltig bleiben: <hi rendition="#fr">Alles i&#x017F;t nur Ei-</hi></l><lb/>
            <l> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#et">telkeit!</hi> </hi> </l>
          </lg>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">22. Wie &#x017F;tehets endlich um die Nach-<lb/>
Oden?</hi> </head><lb/>
          <p>Die Nach-Oden werden &#x017F;on&#x017F;t <hi rendition="#aq">Parodien</hi> genennet,<lb/>
und hei&#x017F;&#x017F;en deßwegen Nach-Oden, weil &#x017F;ie etwas<lb/>
nachzumachen pflegen. Es ge&#x017F;chiehet aber &#x017F;olches auf<lb/>
vielerley Art, als:</p><lb/>
          <list>
            <item><hi rendition="#aq">I.</hi> Wenn etwas weltliches auf etwas gei&#x017F;tliches <hi rendition="#aq">appli-<lb/>
ci</hi>ret wird. z. e. Wenn ich folgende weltliche Ode,<lb/>
an <hi rendition="#aq">Melinden</hi> gerichtet, nehme:</item>
          </list><lb/>
          <lg type="poem">
            <lg n="1">
              <head>1.</head><lb/>
              <l>Jch rede nur mit Steinen</l><lb/>
              <l>Dein &#x017F;toltzes Ohre ho&#x0364;rt mich nicht,</l><lb/>
              <l>Und deiner Augen feurig Licht</l><lb/>
              <l>Will mir nur ewig grau&#x017F;am &#x017F;cheinen.<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Kan</fw><lb/></l>
            </lg>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[73/0077] von den Generibus der Verſe. 5. Da der Anfang, Mittel und Ende einerley Wor- te haben. z. e. Alles iſt nur Eitelkeit! Wer auf dieſer Erden lebet, Und jedweden Augenblick nur nach hohen Ehren ſtrebet, Dencket zwar, er ſey begluͤcket: Doch wenn er ſich recht bei denckt, Sieht er, daß er ſeine Sinnen, nur auf Eitelkeit gelenckt. Alles iſt nur Eitelkeit! Wer nach groſſen Guͤtern ſiehet, Und dieſelben, wie er kan, mit Begierde zu ſich ziehet, Mey’nt, nun ſey er recht geſegnet: Aber eh’ er ſich beſinnt, Mercket er, daß ſein Vermoͤgen als geſchmoltzen Wachs zer- rinnt. Wer der Wolluſt Dienſte thut, und die ſchoͤnen Maͤdgen liebet, Oder auch der Voͤllerey ſeine Seele gantz ergiebet, Kuͤtzelt ſich mit ſolchen Sachen: doch auch dieſes frißt die Zeit, Und der Spruch wird guͤltig bleiben: Alles iſt nur Ei- telkeit! 22. Wie ſtehets endlich um die Nach- Oden? Die Nach-Oden werden ſonſt Parodien genennet, und heiſſen deßwegen Nach-Oden, weil ſie etwas nachzumachen pflegen. Es geſchiehet aber ſolches auf vielerley Art, als: I. Wenn etwas weltliches auf etwas geiſtliches appli- ciret wird. z. e. Wenn ich folgende weltliche Ode, an Melinden gerichtet, nehme: 1. Jch rede nur mit Steinen Dein ſtoltzes Ohre hoͤrt mich nicht, Und deiner Augen feurig Licht Will mir nur ewig grauſam ſcheinen. Kan

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/uhse_poet_1719
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/uhse_poet_1719/77
Zitationshilfe: Uhse, Erdmann: Wohl-informirter Poët. 2. Aufl. Leipzig, 1719, S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/uhse_poet_1719/77>, abgerufen am 13.11.2024.