Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Uhse, Erdmann: Wohl-informirter Poët. 2. Aufl. Leipzig, 1719.

Bild:
<< vorherige Seite
von den Reimen.

Item:

Die viel erlitten han,
Stehn auf des Himmels Plan.

Denn diese Veränderungen und Contractionen
klingen gar zu harte, doch will ich hiermit die geistli-
chen Lieder nicht verworffen haben, weil dieselben
auch ohne solche Kunst ihre durchdringende Krafft mit
sich führen.

8. Nun ist es Zeit, daß ich mich erkundige, wie
vielerley die Reime seyn?

Man hat dreyerley Reime, als

1. Einsylbige, welche männliche genennet werden,
z. e. über dieses Sprichwort:
Ne sutor ultra crepidam:
Will ein Schuster etwas tadeln, sagt man ihm: Er soll' allein
Bey dem Schuh, Pantoffel, Stiefel, sonst bey nichts ein Do-
ctor seyn.
2. Zweysylbige, welche weibliche heissen. z. e. Uber
die bekannten Verse:
Germani cunctos possunt tolerare labores,
O utinam possent & tolerare sitim:
Kein' Arbeit kan den Muth des Teutschen niederschlagen,
Ach! könt' er nur den Durst auch als ein Held ertragen.
3. Dreysylbige, welche man Englische, weil sie ge-
meiniglich mehr, als menschliche Kräffte und
Künste erfodern, oder auch Tendelhafftige
heissen möchte, weil darinnen mehrentheils nur
eine Tendeley verborgen lieget: z. e.
Als
B 2
von den Reimen.

Item:

Die viel erlitten han,
Stehn auf des Himmels Plan.

Denn dieſe Veraͤnderungen und Contractionen
klingen gar zu harte, doch will ich hiermit die geiſtli-
chen Lieder nicht verworffen haben, weil dieſelben
auch ohne ſolche Kunſt ihre durchdringende Krafft mit
ſich fuͤhren.

8. Nun iſt es Zeit, daß ich mich erkundige, wie
vielerley die Reime ſeyn?

Man hat dreyerley Reime, als

1. Einſylbige, welche maͤnnliche genennet werden,
z. e. uͤber dieſes Sprichwort:
Ne ſutor ultra crepidam:
Will ein Schuſter etwas tadeln, ſagt man ihm: Er ſoll’ allein
Bey dem Schuh, Pantoffel, Stiefel, ſonſt bey nichts ein Do-
ctor ſeyn.
2. Zweyſylbige, welche weibliche heiſſen. z. e. Uber
die bekannten Verſe:
Germani cunctos poſſunt tolerare labores,
O utinam poſſent & tolerare ſitim:
Kein’ Arbeit kan den Muth des Teutſchen niederſchlagen,
Ach! koͤnt’ er nur den Durſt auch als ein Held ertragen.
3. Dreyſylbige, welche man Engliſche, weil ſie ge-
meiniglich mehr, als menſchliche Kraͤffte und
Kuͤnſte erfodern, oder auch Tendelhafftige
heiſſen moͤchte, weil darinnen mehrentheils nur
eine Tendeley verborgen lieget: z. e.
Als
B 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0021" n="17"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">von den Reimen.</hi> </fw><lb/>
          <p> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#aq">Item:</hi> </hi> </p><lb/>
          <lg type="poem">
            <l>Die viel erlitten han,</l><lb/>
            <l>Stehn auf des Himmels Plan.</l>
          </lg><lb/>
          <p>Denn die&#x017F;e Vera&#x0364;nderungen und <hi rendition="#aq">Contraction</hi>en<lb/>
klingen gar zu harte, doch will ich hiermit die gei&#x017F;tli-<lb/>
chen Lieder nicht verworffen haben, weil die&#x017F;elben<lb/>
auch ohne &#x017F;olche Kun&#x017F;t ihre durchdringende Krafft mit<lb/>
&#x017F;ich fu&#x0364;hren.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">8. Nun i&#x017F;t es Zeit, daß ich mich erkundige, wie<lb/>
vielerley die Reime &#x017F;eyn?</hi> </head><lb/>
          <p>Man hat dreyerley Reime, als</p><lb/>
          <list>
            <item>1. <hi rendition="#fr">Ein&#x017F;ylbige,</hi> welche <hi rendition="#fr">ma&#x0364;nnliche</hi> genennet werden,<lb/>
z. e. u&#x0364;ber die&#x017F;es Sprichwort:<lb/><list><item><hi rendition="#c"><hi rendition="#aq">Ne &#x017F;utor ultra crepidam:</hi></hi></item></list></item>
          </list><lb/>
          <lg type="poem">
            <l>Will ein Schu&#x017F;ter etwas tadeln, &#x017F;agt man ihm: Er &#x017F;oll&#x2019; <hi rendition="#fr">allein</hi></l><lb/>
            <l>Bey dem Schuh, Pantoffel, Stiefel, &#x017F;on&#x017F;t bey nichts ein <hi rendition="#aq">Do-</hi></l><lb/>
            <l> <hi rendition="#et"> <hi rendition="#aq">ctor</hi> <hi rendition="#fr">&#x017F;eyn.</hi> </hi> </l>
          </lg><lb/>
          <list>
            <item>2. <hi rendition="#fr">Zwey&#x017F;ylbige,</hi> welche <hi rendition="#fr">weibliche</hi> hei&#x017F;&#x017F;en. z. e. <hi rendition="#fr">Uber</hi><lb/>
die bekannten Ver&#x017F;e:<lb/><list><item><hi rendition="#aq">Germani cunctos po&#x017F;&#x017F;unt tolerare labores,<lb/>
O utinam po&#x017F;&#x017F;ent &amp; tolerare &#x017F;itim:</hi></item></list></item>
          </list><lb/>
          <lg type="poem">
            <l>Kein&#x2019; Arbeit kan den Muth des Teut&#x017F;chen <hi rendition="#fr">nieder&#x017F;chlagen,</hi></l><lb/>
            <l>Ach! ko&#x0364;nt&#x2019; er nur den Dur&#x017F;t auch als ein Held <hi rendition="#fr">ertragen.</hi></l>
          </lg><lb/>
          <list>
            <item>3. <hi rendition="#fr">Drey&#x017F;ylbige,</hi> welche man <hi rendition="#fr">Engli&#x017F;che,</hi> weil &#x017F;ie ge-<lb/>
meiniglich mehr, als men&#x017F;chliche Kra&#x0364;ffte und<lb/>
Ku&#x0364;n&#x017F;te erfodern, oder auch <hi rendition="#fr">Tendelhafftige</hi><lb/>
hei&#x017F;&#x017F;en mo&#x0364;chte, weil darinnen mehrentheils nur<lb/>
eine Tendeley verborgen lieget: z. e.</item>
          </list><lb/>
          <fw place="bottom" type="sig">B 2</fw>
          <fw place="bottom" type="catch">Als</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[17/0021] von den Reimen. Item: Die viel erlitten han, Stehn auf des Himmels Plan. Denn dieſe Veraͤnderungen und Contractionen klingen gar zu harte, doch will ich hiermit die geiſtli- chen Lieder nicht verworffen haben, weil dieſelben auch ohne ſolche Kunſt ihre durchdringende Krafft mit ſich fuͤhren. 8. Nun iſt es Zeit, daß ich mich erkundige, wie vielerley die Reime ſeyn? Man hat dreyerley Reime, als 1. Einſylbige, welche maͤnnliche genennet werden, z. e. uͤber dieſes Sprichwort: Ne ſutor ultra crepidam: Will ein Schuſter etwas tadeln, ſagt man ihm: Er ſoll’ allein Bey dem Schuh, Pantoffel, Stiefel, ſonſt bey nichts ein Do- ctor ſeyn. 2. Zweyſylbige, welche weibliche heiſſen. z. e. Uber die bekannten Verſe: Germani cunctos poſſunt tolerare labores, O utinam poſſent & tolerare ſitim: Kein’ Arbeit kan den Muth des Teutſchen niederſchlagen, Ach! koͤnt’ er nur den Durſt auch als ein Held ertragen. 3. Dreyſylbige, welche man Engliſche, weil ſie ge- meiniglich mehr, als menſchliche Kraͤffte und Kuͤnſte erfodern, oder auch Tendelhafftige heiſſen moͤchte, weil darinnen mehrentheils nur eine Tendeley verborgen lieget: z. e. Als B 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/uhse_poet_1719
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/uhse_poet_1719/21
Zitationshilfe: Uhse, Erdmann: Wohl-informirter Poët. 2. Aufl. Leipzig, 1719, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/uhse_poet_1719/21>, abgerufen am 13.11.2024.