Uhse, Erdmann: Wohl-informirter Poët. 2. Aufl. Leipzig, 1719.Das VII. Capitul der Redens-Arten verhalten solle. Wiewohl auchhier das meiste aus der Oratorie praesupponiret wird, so wollen wir dennoch einige Stücke ansehen. 2. Was habe ich denn bey dem Stylo in einem Carmine zu beobachten? Wir wollen das gantze Wesen in etlichen Abthei- I. Der Stylus muß sich nach der Sache und Person richten. Also wenn ich vom Kriege ein Car- men machte, würde ich lauter hitzige Redens- Arten brauchen müssen. z. e. Der Blutdürsti- ge Soldat hat lauter grausame Gedan- cken. Verfertigte ich etwas auf eine Hochzeit, so würde ich nichts, als liebliche Worte anwen- den müssen. z. e. Die angenehme Braut hat ihr Anmuths-volles Bette mit lauter lieb- kosenden Rosen bestreuet. Schreibet man an einen vornehmen und gelehrten Mann, so müssen die Redens-Arten weit delicater und nachsinnlicher seyn, als wenn ich an einen ge- meinen und ungelehrten Kerlen ein Carmen richte. II. Man soll allemahl dergleichen Worte brauchen, welche am gebräuchlichsten seyn. Also muß ich nicht sagen; Studenten-Praeceptor, sondern Professor, nicht Bürger-Regierer, sondern Bürgermeister, nicht Tage-Lichter, son- dern Fenster, nicht Jungfern-Zwinger, son- dern Kloster, nicht Unterwurff, sondern Subjectum. Also
Das VII. Capitul der Redens-Arten verhalten ſolle. Wiewohl auchhier das meiſte aus der Oratorie præſupponiret wird, ſo wollen wir dennoch einige Stuͤcke anſehen. 2. Was habe ich denn bey dem Stylo in einem Carmine zu beobachten? Wir wollen das gantze Weſen in etlichen Abthei- I. Der Stylus muß ſich nach der Sache und Perſon richten. Alſo wenn ich vom Kriege ein Car- men machte, wuͤrde ich lauter hitzige Redens- Arten brauchen muͤſſen. z. e. Der Blutduͤrſti- ge Soldat hat lauter grauſame Gedan- cken. Verfertigte ich etwas auf eine Hochzeit, ſo wuͤrde ich nichts, als liebliche Worte anwen- den muͤſſen. z. e. Die angenehme Braut hat ihr Anmuths-volles Bette mit lauter lieb- koſenden Roſen beſtreuet. Schreibet man an einen vornehmen und gelehrten Mann, ſo muͤſſen die Redens-Arten weit delicater und nachſinnlicher ſeyn, als wenn ich an einen ge- meinen und ungelehrten Kerlen ein Carmen richte. II. Man ſoll allemahl dergleichen Worte brauchen, welche am gebraͤuchlichſten ſeyn. Alſo muß ich nicht ſagen; Studenten-Præceptor, ſondern Profeſſor, nicht Buͤrger-Regierer, ſondern Buͤrgermeiſter, nicht Tage-Lichter, ſon- dern Fenſter, nicht Jungfern-Zwinger, ſon- dern Kloſter, nicht Unterwurff, ſondern Subjectum. Alſo
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Das VII. Capitul
der Redens-Arten verhalten ſolle. Wiewohl auch
hier das meiſte aus der Oratorie præſupponiret wird,
ſo wollen wir dennoch einige Stuͤcke anſehen.
2. Was habe ich denn bey dem Stylo in einem
Carmine zu beobachten?
Wir wollen das gantze Weſen in etlichen Abthei-
lungen mercken.
I. Der Stylus muß ſich nach der Sache und Perſon
richten. Alſo wenn ich vom Kriege ein Car-
men machte, wuͤrde ich lauter hitzige Redens-
Arten brauchen muͤſſen. z. e. Der Blutduͤrſti-
ge Soldat hat lauter grauſame Gedan-
cken. Verfertigte ich etwas auf eine Hochzeit,
ſo wuͤrde ich nichts, als liebliche Worte anwen-
den muͤſſen. z. e. Die angenehme Braut hat
ihr Anmuths-volles Bette mit lauter lieb-
koſenden Roſen beſtreuet. Schreibet man
an einen vornehmen und gelehrten Mann, ſo
muͤſſen die Redens-Arten weit delicater und
nachſinnlicher ſeyn, als wenn ich an einen ge-
meinen und ungelehrten Kerlen ein Carmen
richte.
II. Man ſoll allemahl dergleichen Worte brauchen,
welche am gebraͤuchlichſten ſeyn. Alſo muß ich
nicht ſagen; Studenten-Præceptor, ſondern
Profeſſor, nicht Buͤrger-Regierer, ſondern
Buͤrgermeiſter, nicht Tage-Lichter, ſon-
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dern Kloſter, nicht Unterwurff, ſondern
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