An jedem Abend geh' ich aus, Hinauf den Wiesensteg. Sie schaut aus ihrem Gartenhaus, Es stehet hart am Weg. Wir haben uns noch nie bestellt, Es ist nur so der Lauf der Welt.
Ich weiß nicht, wie es so geschah, Seit lange küss' ich sie. Ich bitte nicht, sie sagt nicht: ja! Doch sagt sie: nein! auch nie. Wenn Lippe gern auf Lippe ruht, Wir hindern's nicht, uns dünkt es gut.
Das Lüftchen mit der Rose spielt, Es fragt nicht: hast mich lieb? Das Röschen sich am Thaue kühlt, Es sagt nicht lange: gib! Ich liebe sie, sie liebet mich, Doch Keines sagt: ich liebe dich!
Lauf der Welt.
An jedem Abend geh’ ich aus, Hinauf den Wieſenſteg. Sie ſchaut aus ihrem Gartenhaus, Es ſtehet hart am Weg. Wir haben uns noch nie beſtellt, Es iſt nur ſo der Lauf der Welt.
Ich weiß nicht, wie es ſo geſchah, Seit lange küſſ’ ich ſie. Ich bitte nicht, ſie ſagt nicht: ja! Doch ſagt ſie: nein! auch nie. Wenn Lippe gern auf Lippe ruht, Wir hindern’s nicht, uns dünkt es gut.
Das Lüftchen mit der Roſe ſpielt, Es fragt nicht: haſt mich lieb? Das Röschen ſich am Thaue kühlt, Es ſagt nicht lange: gib! Ich liebe ſie, ſie liebet mich, Doch Keines ſagt: ich liebe dich!
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Lauf der Welt.
An jedem Abend geh’ ich aus,
Hinauf den Wieſenſteg.
Sie ſchaut aus ihrem Gartenhaus,
Es ſtehet hart am Weg.
Wir haben uns noch nie beſtellt,
Es iſt nur ſo der Lauf der Welt.
Ich weiß nicht, wie es ſo geſchah,
Seit lange küſſ’ ich ſie.
Ich bitte nicht, ſie ſagt nicht: ja!
Doch ſagt ſie: nein! auch nie.
Wenn Lippe gern auf Lippe ruht,
Wir hindern’s nicht, uns dünkt es gut.
Das Lüftchen mit der Roſe ſpielt,
Es fragt nicht: haſt mich lieb?
Das Röschen ſich am Thaue kühlt,
Es ſagt nicht lange: gib!
Ich liebe ſie, ſie liebet mich,
Doch Keines ſagt: ich liebe dich!
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Uhland, Ludwig: Gedichte. Stuttgart u. a., 1815, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/uhland_gedichte_1815/43>, abgerufen am 16.02.2025.
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